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Geld im Gesicht

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„Du hast da was im Gesicht“ – dieser Satz trifft auf Ed Moyse und Ross Harper momentan jeden Tag zu. Und es ist ihre volle Absicht. Denn das, was sie da jeden Tag im Gesicht haben, bringt ihnen jede Menge Geld.



Vor ziemlich genau einem halben Jahr haben sie begonnen, sich in lebende Werbeflächen zu verwandeln. Firmen können sie für einen Tag buchen. Ross und Ed pinseln sich dann das Firmenlogo ins Gesicht, machen Fotos und Videos, die sie auf ihrer Webseite buymyface.com hochladen und durch alle verfügbaren Social-Media-Kanäle jagen. Die bemalten Gesichter sehen ungewöhnlich aus, sie erinnern an Fans, die sich bei Fußball-Weltmeisterschaften ihre Landesflagge ins Antlitz malen. In einer Zeit, in der nahezu überall Werbeflächen stehen, ist Aufmerksamkeit ein hohes Gut. Werbung in Gesichtern gab es bislang nicht in derartiger Form. Für die Aufmerksamkeit, die Eds und Ross' Fotos generieren, zahlen die Firmen mittlerweile Summen von mehreren hundert Pfund.

Ross und Ed haben dieses Geld nötig. Ihre etwas seltsame Idee ist der schwierigen Situation geschuldet, in der sie sich befanden, als sie buymyface ins Leben riefen. Sie hatten gerade ihr Studium abgeschlossen und waren vollkommen pleite. Mehr noch: Jeder von ihnen hatte während des Studium 25.000 Pfund Schulden angehäuft, das sind ungefähr 30.000 Euro. In England ist das kein ungewöhnlicher Betrag, und es ist normal, dass Studenten von den Gehältern ihres ersten Jobs erstmal Geld für ihre Schulden abzwacken müssen.

Was aber, wenn man keinen Job bekommt? Die Arbeitsmarktsituation in England ist seit Beginn der Finanzkrise nicht sonderlich angenehm. Die Arbeitslosenquote unter den Absolventen ist nach Beginn der Finanzkrise rapide angestiegen und seitdem auf einem hohen Niveau geblieben. Im letzten Quartal 2011 lag sie bei 18 Prozent. „Seit der Wirtschaftskrise ist es für jeden Jahrgang schwerer geworden“, sagt Ed Moyse. „Wir konkurrieren nicht nur mit den Absolventen unseres Jahrgangs, sondern auch mit denen, die aus den vorigen Jahrgängen auf der Strecke geblieben sind.“ Und das sind nicht wenige: Laut einer Studie aus dem September 2011 waren 28 Prozent derjenigen, die seit 2007 ihren Uni-Abschluss gemacht hatten, nicht vollzeitbeschäftigt.

„Wir haben deshalb nach Wegen gesucht, wie wir unsere Schulden loswerden konnten“, erzählt Ed, „wir brauchten eine Idee, die sich ohne jegliches Startkapital umsetzen ließ.“ Die haben sie gefunden. Sie brauchten 100 Pfund für Schminke, und dann konnte es losgehen.

Anfangs kosteten ihre Gesichter nur ein Pfund. Als sie Aufmerksamkeit bekamen und folglich die Reichweite ihrer Werbung und die Nachfrage stiegen, erhöhten sie die Preise. Ein Tag im April kostet 600 Pfund, im September, dem letzten ausgeschriebenen Monat, sollen die Kunden das Doppelte bezahlen. Der März ist schon so gut wie ausgebucht. Jetzt, fast ein halbes Jahr nach Beginn ihres Projekts, haben sie 31.000 Pfund eingenommen – mehr als die Hälfte ihrer Schulden haben sie also schon hereinbekommen.

Für so viel Geld kann man schon mal mit peinlichen Logos herumlaufen. Offenbar schämen sich die beiden aber ohnehin nicht sonderlich. „Es ist okay, weil wir eigentlich immer zu zweit sind“, sagt Ed. „Nur wenn man zum Beispiel mal alleine zum Kiosk geht und schon bemalt ist, fühlt man sich ein bisschen wie ein Verrückter. Wenn man hingegen zu zweit ist, merken die Leute sofort, dass da eine organisierte Aktion abläuft.“

Trotz des Erfolgs wollen Ross und Ed nach Ablauf der geplanten 366 Tage ihre Gesichter wieder farblos lassen. „Nach einem Jahr ist für uns definitiv Schluss“, sagt Ed. Aber die Firma und die Idee werden sie wohl weiter betreiben. Es gebe Interesse bei Studenten in Australien, den USA und auch in Deutschland. „In zwei Monaten hoffen wir eine internationale Seite launchen zu können“, sagt Ed.

Wer diesen Sommer also Menschen mit einem Telekom-Logo in der Stadt sieht – nicht wundern.

Text: christian-helten - Fotos: buymyface.com

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