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Jeder Zug eine Liebeserklärung.

Text: Zwischenruf
Eigentlich sind es immer die gleichen, die aus nicht ganz gleichen, aber gleich banalen Gründen dienstags ins Wasser gehen.

In dem kleinen, etwas schäbigen Schwimmbad zwischen zwei Stadtteilen ist das Wasser angenehm warm, die planschenden Kinder meistens so gut erzogen, dass der Lärmpegel erträglich ist und die Zehnerkarte zu bezahlen.

Das ist meine Auszeit von meinem Leben, in dem die Gedanken über die Hirnzellen schwappen dürfen wie die kleinen, unregelmäßigen Wellen über die getönten Gläser der Schwimmbrille. Hier kann ich beobachten, ohne zwangsläufig selbst gesehen zu werden, hier kann ich vergessen und fantasieren. Und allein sein ohne Zwang.

Welch ein Luxus in einer Welt aus Pflichten, den man nur mit Optimierung begründen kann - schließlich hält man sich fit, tut etwas für seine Ausdauer und Figur und Gelenke. Dass das Spaß macht, einfach durchs Wasser zu gleiten und nichts denken zu müssen als an den nächsten Zug - das behalte ich lieber für mich.

Hier spinne ich kleine Szenen, die vielleicht den Weg ins Gedächtnis und aufs Papier finden, vielleicht auch nur in die Mundwinkel für ein amüsiertes Lächeln, aber auf jeden Fall denke ich an Dich. Und aus Spaß betrachte ich die Männer, mit denen ich um die Wette schwimme und vergleiche sie mit Dir, spiele mit den Ahnungen, die ich von Dir habe, baue Konstrukte und reiße sie ein, ohne dass ich uns damit wehtun würde.

Einer von ihnen hat gar keine Ähnlichkeit mit Dir: Seine Haare sind länger, sein Gesicht schärfer durch tiefe Furchen um Mund und Nase, aber wegen Dir habe ich ihn mir ausgesucht: Er hat diesen gleichen Hauch von Chaos, diese gleiche Nachlässigkeit, die er selbst im Wasser nicht ablegt. Seine Haare hängen wirr im Wasser, sein Lächeln ist immer halb da und fort und seine Bewegungen sind elegant, aber nicht ganz koordiniert. Er ist so anders als Du, aber wie Du.

Und mit ihm schwimme ich um die Wette: Wir jagen uns, flüchten voreinander, spielen Hase und Igel, tauschen ein Lächeln und ein paar Worte. Wie Du und ich das tun. Es tut gut, das auf eine so körperliche Art zu tun. Ich laufe davon und hinterher, bin fremd und doch so vertraut in Rhythmus und Präsenz. Bei jedem Zug durchs Wasser denke ich an ihn, spüre ihn kurz hinter mir und knapp vor mir und denke doch nur an Dich.

Ich könnte mich in ihn verlieben, wenn nicht jede einzelne Bewegung eine kleine Liebeserklärung an Dich wäre.

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