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Der alte Affe Liebe

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Wenn es in der Liebe so was gibt wie den Katzencontent im Internet, dann sind das alte, nein sehr alte Paare: Wer seine Großeltern bei der Goldenen Hochzeit beobachtet - oder noch besser: wer Meldungen von glücklichen Paaren liest, die schon ewig zusammen sind - verfällt in das analoge Äquivalent zur digitalen Flausch-Begeisterung. Die Liebe des Ehepaars Helmut und Loki Schmidt war dem an Partnerschaft interessierten Deutschland lange Zeit das Beispiel für dauerhaftes Glück. Hach! Dass Menschen so lange verheiratet und darüber zusammen sehr alt geworden sind, gilt gemeinhin als Beweis, dass doch möglich ist, was uns geschiedene Eltern und traurige Single-Freunde ausgeredet haben: glückliche, ewige Liebe!  

Die Begeisterung für das Liebesglück der Über-70-Jährigen scheint der letzte gemeinsame Nenner in einer sich separierenden Meinungsgesellschaft, in der jeder auf seine ganze persönliche Perspektive pocht. Erstaunlich ist dies  vor allem deshalb, weil uns dieses Ziel anrührt, der Weg dorthin aber abstößt. Nichts erscheint uns schlimmer, als in den steinigen und steilen Weinberg der langsam langweilig werdenden Liebe einzusteigen, in dem schon unsere Eltern mehr schlecht als recht rumbuckeln. So jedenfalls geht die Erzählung derjenigen, die sich ernsthaft und nicht nur seufzend auf den Weg gemacht haben hin zum großen Seniorenziel der ewigen Liebe. Und so geht auch das Bild, das uns das Kino und das Fernsehen von einer mittelalten Liebe malt: Sie ist im besten Fall nur mittelgut.  

Zusammen alt sein erscheint uns als großes Glück. Zusammen alt werden als Inbegriff der Spießigkeit. Schwerer Rotwein statt schwerer Party, Bausparen statt Bierglück, Möbelhaus und Monogamie statt Sonnenuntergang und „Alles hinter sich lassen“ – in dieser Abwägung entscheiden wir uns intuitiv für das gute wilde Leben. Kombi, Kinderwagen, Reihenhaus strahlen eine  Langeweile aus, die die liebenden Senioren bereits hinter sich gelassen haben. Diesen Punkt haben sie allerdings nur erreicht, weil sie sich damals aufgemacht haben, die Ebene der vermeintlichen Langeweile zu durchschreiten.

Ob die dann wirklich so spießig ist, wie wir sie uns ausmalen, sei im übrigen dahingestellt. Denn genau das, was uns heute langweilig erscheint, loben die lang liebenden Paare als Besonderheit ihres Glücks: Ruhe, Verlässlichkeit, Zuhause sein.

Wir jedenfalls sollten uns entscheiden: Wollen wir wirklich frisch gewaschen durch die Welt laufen? Dann müssen wir uns auch mit dem Gedanken anfreunden, nass zu werden.  Wer dennoch trotz Wasserscheu weiter lauthals das Loblied des Waschens singt, bleibt unsauber egal wieviel Deo-Duft er oder sie aufträgt.   

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