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Und was ist Ihre größte Schwäche?

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Tonnenweise Bewerbungsliteratur hat dazu geführt, dass jeder Jobsuchende weiß, wie er sich Chefs und Personalern im Vorstellungsgespräch präsentieren kann, ohne unnötige Angriffsflächen zu bieten. Dank der Ratgeber schaffen Bewerber es, auf die Frage, wo man sich in fünf Jahren sehe, so zu reagieren, dass ihnen weder mangelnder Ehrgeiz noch Ambitionen auf den Posten ihres Gegenübers unterstellt werden können. Für jede heikle Frage kennen sie die geeignete Floskel, in die sie sich flüchten können - und antworten, gefragt nach ihrer größten Schwäche, routiniert mit "Perfektionismus" – oder "Schokolade". Wer wäre schon so blöd, in einem Vorstellungsgespräch ehrlich zuzugeben, dass er zum Aufschieben neigt oder unter Stress gelegentlich zur Zicke mutiert?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Die Folge: Mit Fragen aus dem Katalog erfahren Chefs und Personaler unter Umständen nur wenig und vor allem wenig Wahrhaftiges über einen Bewerber – außer, dass er sich mit ausgiebiger Lektüre von Ratgebern auf das Gespräch vorbereitet hat. Für jede erwartbare Frage hat er sich eine unverfängliche Antwort zurecht gelegt. Weil die Interviewer aber nach dem Gespräch entscheiden müssen, ob sie den Kandidaten einstellen wollen oder nicht, ändern einige inzwischen ihre Fragetechnik. Sie bringen den Bewerber gezielt aus dem Konzept, indem sie abseitig erscheinende Fragen stellen, auf die er nur spontan reagieren kann.

In den USA setzen insbesondere technische Unternehmen auf solche irritierenden Fragen, in denen der Bewerber sich häufig entweder jenseits von Floskeln über sich selbst äußern soll oder mit einem bestimmten Problem konfrontiert wird. "Angenommen, Sie wären ein Microsoft Office-Programm, welches wären Sie?", wollen etwa die Personalchefs eines Versandhändlers für Automobilzubehör im Vorstellungsgespräch wissen. Ein Kandidat, der sich als Software-Entwickler bei Amazon beworben hatte, sollte erklären, wie er das Hungerproblem lösen würde. Und bei Google lassen die Personaler die aufgeregten Bewerber schätzen, wie viele Menschen in San Francisco an einem Freitag Nachmittag um halb drei wohl bei Facebook eingeloggt sein dürften.

Glaubst du, dass man mit solch unkonventionellen Fragen einen Bewerber besser kennenlernt? Mal angenommen, du wärest selbst Chef einer kleinen Firma: Was würdest du in einem Vorstellungsgespräch von einem Bewerber wissen wollen, von dem du bisher nur seine Zeugnisse und einen tabellarischen Lebenslauf kennst? Welche Fragen würdest du ihm stellen, um das herauszufinden? Würdest du ihn auch Persönliches fragen? Fangfragen benutzen?


Text: juliane-frisse - Foto: madochab / photocase.com

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