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Vom Hilton nach Haidhausen

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Neu in München, das bedeutet auch: Neu in einem Haus. Genau dort beginnt unsere Autorin mit dem Kennenlernen der Stadt bei den Leuten, die täglich durch dieselbe Türe in das Mietshaus in Haidhausen gehen wie sie: ihren Nachbarn. Eine Kolumne von nebenan.
 
Eigentlich waren wir schon früher verabredet. Aber Carlos und Anja waren nicht da, klingelten dafür zwei Stunden später bei mir, und Carlos hatte ein Klo im Arm. Es war aber bloß eine Neuanschaffung für ihre Wohnung zwei Stockwerke über mir. Die haben die beiden 2003 gekauft und komplett renoviert. Das scheint ziemlich chaotisch und anstrengend gewesen zu sein. Beim Abnehmen der diversen Schichten Boden sind sie ganz unten auf Zeitungen von 1939 gestoßen. „War aber nur der Wirtschaftsteil“, sagt Anja und lacht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Carlos und Anja haben sich im Hilton kennengelernt, wo er sechs und sie zehn Monate leben musste, weil sie keine Wohnung in München fanden. Aus neun Koffern habe sie im Hotel gelebt, erzählt Anja. Carlos, der in Chicago Management studiert hat, ist 2001 aus Madrid hergekommen und wollte für zwei Jahre bleiben. Er ist noch immer hier. Nach Madrid muss er trotzdem noch oft, vor allem beruflich. Carlos ist Unternehmensberater, Anja arbeitet für eine Telefongesellschaft und reist mindestens einmal im Monat nach London. Beide sind oft im Ausland, das erklärt, wieso ich so oft bei klingeln musste, bis das erste Mal jemand aufgemacht hat.

Wir sitzen im Esszimmer, die große Flügeltür zur Küche steht offen. Hinter meinem Rücken links läuft auf einem kleinen Fernseher leise „The Voice of Germany“, rechts ist ein riesiger spanischer Serrano-Schinken aufgebockt. Carlos hat seinen Laptop vor sich, klickt alle paar Minuten einen Skype-Anruf weg und zeigt die passenden Fotos zu ihren Erzählungen: der Segelurlaub, das Burj Al Arab in Dubai (nein, übernachtet haben sie da nicht), das Gebäude, in dem Anja arbeitet, das Sade-Konzert. Sie seien so viel unterwegs, sagt Anja, dass sie sich immer freuen, in „unser dörfliches München“ zurückzukommen und dort gewisse Rituale zu pflegen: Jeden Freitag in die Sneak Preview, jeden Samstag ins gleiche Restaurant. Überhaupt, Essen finden sie super. Carlos hat Anja dafür begeistert, weil seine spanische Familie gut und gerne kocht, „und jetzt ist sie schlimmer als ich“, erzählt er. Er zeigt mir das Kochbuch, dass die Autorin des Blogs „Delicious Days“ geschrieben hat, die auch im Viertel wohnt. Sie ist eine Freundin der beiden und hat sie mit einem Foto und einem Rezept in dem Buch verewigt.

Was die anderen Nachbarn angeht, sind die beiden schon früh mit Frau Lobe und ihrem Mann in Kontakt gekommen. Bei ihnen konnten sie sich während der Renovierung Tipps abholen. Sie kennen auch die Katze von Andreas und Martina. „Die erschreckt sich immer so furchtbar, wenn man durch den Flur geht“, sagt Anja.

Ich muss auch durch den Flur, runter zum Essen, das schon auf mich wartet. Die beiden bringen mich zur Tür. Dabei fällt mir ein, dass ich eine meiner Standardfragen gar nicht gestellt habe: Was man sich bei ihnen denn gut leihen kann, so als Nachbar? Und da Anja und Carlos gerne kochen, kann man bei ihnen natürlich Dinge, die mit Essen zu tun haben, am besten erfragen. „Wir haben säckeweise Salz aus Spanien“, sagt Anja. „Und viele Schuhe“, fügt Carlos hinzu und öffnet den Schrank. Ich brauche weder Salz noch Schuhe – aber es ist ja gut zu wissen, wo man beides bekommen kann.

Alle Folgen der Kolumne "Nadjas Nachbarn" findest du hier.

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