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Mein Danebenjob als Kaufhausdetektiv

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Ich habe eine Zeit lang nebenberuflich als Detektiv in einem großen Supermarkt gearbeitet. Ich hätte damals gar nicht gedacht, dass das ohne weiteres geht, aber der Detektivjob ist ein zulassungsfreier Beruf, den im Prinzip jeder ausüben kann. Außerdem bin ich unter besonderen Umständen zu dem Job gekommen: Mein Onkel war Geschäftsführer in dem Laden, ich habe viele Jahre Kampfsport gemacht, bin dementsprechend körperlich fit und mein Onkel brauchte dringend einen Ersatz – mein Vorgänger war nämlich selbst des Diebstahls überführt worden! Er hat während der Pausen DVD-Player und andere Elektrogeräte mit in den Aufenthaltsraum genommen und vom Fenster aus in den Büschen am Parkplatz platziert. Später hat er den Kram dort abgeholt, in sein Auto geladen und bei Ebay verkauft, wodurch er letzten Endes aufgeflogen ist. Mein Onkel hatte nämlich bereits einen Verdacht und bezüglich der Ebay-Deals einen Tipp bekommen. Er hat dann einige Artikel von einem Bekannten ersteigern lassen, um Selbstabholung gebeten und stand dann direkt mit der Polizei vor der Tür.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Nach dieser Geschichte bin ich zu meinem Nebenjob als Kaufhausdetektiv gekommen. Wobei man sagen muss, dass es sehr viel aufregender klingt als es tatsächlich ist, denn vieles ist wirklich Routine. Und wenn man mal einen Jugendlichen beim Klauen von Süßigkeiten erwischt, der aufgrund seines schlechten Gewissens mit den Tränen zu kämpfen hat, dann macht das auch nicht sonderlich viel Spaß, sondern geht mir durchaus nahe. Ich habe allerdings zwei Geschichten erlebt, die ganz spannend waren. Einmal habe ich einen Teenager beobachtet, der total nervös und auffällig durch die Gänge spaziert ist – der hätte seinen Diebstahl vorab genauso gut am Infoschalter anmelden können. Ich habe mich also an seine Fersen geheftet, und tatsächlich: In der Kosmetikabteilung schlug er zu, klaute Lippenstifte und diverse andere Schminkutensilien. Mit seinen vollgestopften Taschen machte er sich dann auf den Weg Richtung Kasse, verweilte dann jedoch noch eine ganze Weile an einem Regal davor. Als die Kasse unbesetzt war, weil die Kassiererin Waren einräumen wollte, sprintete er plötzlich los – ich hinterher. An verdutzten Kunden vorbei verfolgte ich ihn quer über den Parkplatz. Allerdings nur etwa 100 oder 200 Meter, denn als sich der Junge kurz nach mir umdrehte, um zu sehen, wie nah ich ihm bereits gekommen war, blieb er mit seiner Jacke unglücklich an einem Mülleimer hängen und wurde dadurch ganz unsanft gestoppt und zu Boden gerissen. Das traurige Ergebnis: Hausverbot, Strafzahlung und eine gebrochene Kniescheibe, die er sich beim Sturz auf den Asphalt zertrümmert hatte. Und das alles, weil er seine neue Freundin mit der Beute beeindrucken wollte, wie er mir beim Warten auf den Krankenwagen und die Polizei erzählte.  

Am Schönsten und Traurigsten zugleich war jedoch die Situation, als ich während meiner Schicht durch die Gänge spazierte und irgendwann, Interesse heuchelnd, neben einem Türken stehenblieb, der die CDs durchsah. Plötzlich drehte er sich zu mir, sah mich von oben bis unten an und sagte: „Na, Alter,, willst du auch was klauen?“ Nein, wollte ich natürlich nicht. Warum ich das nicht wollte, wurde meinem neuen Freund aber erst bewusst, als ich am Ausgang auf ihn wartete, um ihm die eingesteckten CDs wieder abzunehmen. In so traurige und enttäuschte Augen habe ich danach nie wieder gesehen.

Text: daniel-schieferdecker - Illustration: Katharina Bitzl

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