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Jeder kriegt ein Brett

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Manche sagen, Rotterdam sei ein Hafen mit Stadt. Es gibt Milliarden Container, riesige Industrie-Hallen, die alles bestimmen und große Straßen, die alles durchschneiden. Der Hauch der weiten Welt, der hier weht, ist dreckig. Etwas Verruchtes, Schäbiges hängt der Hafenstadt an. Ausgerechnet sie soll Architekten und Planern ein Vorbild sein?

  Kristian Koreman und Elma van Boxel finden, dass jeder Ort das Potenzial habe, einzigartig und aufregend zu werden. Sie wollen mit einer Brücke anfangen und brauchen dazu das Geld der weiten Welt: Mit Spenden aus dem Internet wollen die beiden niederländischen Architekten einen 350 Meter langen Steg spannen – über die Bahngleise, vom Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt.

  Pläne für eine solche Brücker gibt es schon länger, doch nach heutigem Stand würde sie erst in dreißig Jahren eröffnet. Wegen der Wirtschaftskrise und der Sparmaßnahmen geht es kaum vorwärts. „Wir haben deshalb über neue Möglichkeiten nachgedacht, wie man auch in Krisenzeiten die Stadt beleben kann“, erklärt Violette Baudet, die Projektmitarbeiterin im Architekturbüro.

  Inzwischen gibt es eine Internetseite, einen Namen und ein Ziel: Schon im April soll der „Luchtsingel“, der „Luftsteg“, fertig sein. Rund 440.000 Euro werden für den Bau benötigt. Diesen Betrag wollen die jungen Architekten im Internet mit Crowdfunding sammeln. Bürger können online einen Teil der Brücke kaufen: Für 25 Euro gibt es ein Brett, für 125 Euro ein ganzes Element, für 1250 Euro ein Brückenteil. In jedes Holzstück wird der Name des Spenders oder ein eigener Text graviert. Mit drei Klicks ist man dabei.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Brett, Element und Brückenteil: die Spendenvarianten auf iamrotterdam.com

  Mehr als 200 Rotterdamer haben schon mitgemacht, bei 20.000 Euro Einnahmen stand der Zähler kürzlich. 17.000 Bretter müssen gesponsert werden. „Es gibt natürlich noch viel zu tun“, sagt Architekt und Ideengeber Kristian Koreman, 33. „Aber wir glauben, dass es jetzt erst richtig losgeht.“ Seit ein paar Tagen ist das Projekt auch offline für die Bürger sichtbar: Die Brücke wird von der Mitte her gebaut, sie wächst in beide Richtungen. „Wir hoffen, damit noch mehr Sponsoren zu finden“, sagt Koreman. 

  „Mit Crowdfunding haben wir eine Alternative gefunden, wie wir schnell etwas tun können“, meint Mitarbeiterin Violette Baudet. Wenn das klappt, sollen weitere online-finanzierte Bauprojekte folgen. I make Rotterdam haben die Architekten ihre Initiative genannt: Bürger sollen ihre Stadt selbst gestalten, jeder macht Rotterdam, jeder ist die Stadt. I make Rotterdam soll die Plattform für die Entwicklung einer ganzen Stadt werden. Die Reaktionen sind positiv, auch im Rathaus: „Wir verfolgen das Projekt mit Interesse“, lässt Edwin Cornelisse wissen, der Sprecher des Rotterdamer Bau-Senators. I make Rotterdam sei sympathisch – „und wir schauen, was wir davon lernen können“. Cornelisse sagt aber auch: „Crowdfunding ist keine Lösung für die Haushalts-Löcher.“ Um Projekte zu beschleunigen oder um ihnen ein „i-Tüpfelchen“ zu geben, so der Sprecher, sei die Idee geeignet. Die großen Investitionen müssten aber weiterhin herkömmlich finanziert werden.

  Trotzdem seien Initiativen wie I make Rotterdam in den Niederlanden wichtig: Die Kraft dahinter stecke in der Beteiligung der Einwohner, sagt Edwin Cornelisse. „Sie schaffen ein Gefühl von Stolz und von Einbindung.“

  Auch Projektmitarbeiterin Violetta Baudet räumt ein: „Nicht jedes Infrastruktur-Projekt ist für Crowdfunding geeignet.“ Je konkreter ein Vorhaben sei, je schneller es realisiert werden könne und je mehr Verbesserung im Alltag es bringe, desto leichter seien Spender zu finden. Man müsse aber erst noch mit den neuen Möglichkeiten experimentieren. Deutlich sei aber, so Baudet: „Das Internet verändert die Möglichkeiten, wie Bürger Einfluss nehmen können.“

Text: benjamin-duerr - Foto: Screenshot

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