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Was tun bei Mietschulden in der WG?

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Ich hatte schon mehrfach Post von der Vermieterin aus dem Briefkasten gezogen, die an einen meiner Mitbewohner adressiert war. Schließlich stand sie persönlich vor unserer Tür und teilte mir mit, dass mein Mitbewohner seit einigen Monaten seine Miete nicht gezahlt habe. Er war zu diesem Zeitpunkt nicht Zuhause, ich gab ihm später bescheid und rechnete damit, dass er die Sache schon irgendwie regeln würde. Leider war dem nicht so und darum erreichte uns ein paar Monate später Post vom Anwalt: eine vorgerichtliche Abmahnung. Unser Mitbewohner hatte über 2000 Euro Mietschulden angehäuft, für die wir alle haften mussten. Wenn sie nicht bezahlt wurden, konnte man uns fristlos kündigen. Jetzt wurde es wirklich ernst.

„Ob alle für die Schulden des einzelnen haftbar sind, hängt natürlich vom Vertrag ab", erklärt Rafael Röger, Rechtsanwalt und Rechtsberater des AStA an der Universität Bonn. „Wenn jeder Mieter einen eigenen Vertrag hat, besteht die Gefahr nicht. Den Vermietern ist diese Regelung aber oft zu umständlich. Außerdem ist es für den Vermieter natürlich sicherer, alle haftbar machen zu können und nicht nur einen." Das ist möglich, wenn die Mitbewohner alle als Hauptmieter eingetragen sind. Wenn nur einer der Hauptmieter ist und die anderen als Untermieter geführt werden, wird natürlich der Hauptmieter haftbar gemacht.

Dass unsere Vermieterin so lange gewartet hat, bevor sie einen Anwalt konsultierte, ist ungewöhnlich. Meistens wird schon lange vorher vorgerichtlich abgemahnt. Nur dadurch, dass sie erst so spät durchgegriffen hat, konnten die Schulden überhaupt in diese Höhe wachsen. „Ab einer Mietschuld in Höhe von zwei Kaltmieten kann fristlos gekündigt werden", sagt Röger. Das bedeutet also, dass erst dann alle Mitbewohner auf die Straße gesetzt werden können, wenn einer von ihnen es geschafft hat, seinen Fehlbetrag auf die Höhe von zwei Kaltmieten der gesamten Wohnung zu treiben. Soweit kommt es aber selten. Wird innerhalb der Frist, die im außergerichtlichen Mahnverfahren vom Vermieter oder dessen Rechtsanwalt vorgegeben wird, nicht gezahlt, setzt das gerichtliche Mahnverfahren ein, in dem wieder neue Fristen gesetzt werden. Werden diese nicht eingehalten, kommt der Gerichtsvollzieher. Zudem müssen meist sowohl für das außergerichtliche als auch für das gerichtliche Mahnverfahren die Gebühren beglichen werden, die sich oft auf mehrere hundert Euro oder, je nach Höhe der Mietschulden, sogar auf mehr belaufen.

Leider hat man als Mitbewohner, der regelmäßig seinen Anteil der Miete gezahlt hat, zunächst keine Möglichkeit, aus der Haftung herauszukommen. „Allerdings kann man im Nachhinein, also nach der Zahlung, den schuldigen Mitbewohner in Anspruch nehmen", erklärt Rafael Röger. „Eine WG wird rechtlich als Gesellschaft geführt, sodass dann ein Anspruch aus dem Innenverhältnis der Gesellschaft heraus möglich ist und ein Gesamtschuldnerausgleich angestrebt werden kann." Es besteht also die Hoffnung, dass man sein Geld später wieder zurückbekommt. Zahlt der Mitbewohner aber nicht, muss man ihn verklagen, um sein Geld wiederzusehen.

Im Falle unserer WG ist es zum Glück nicht zu einem gerichtlichen Mahnverfahren gekommen. Vor allem dadurch, dass wir die gesetzte Zahlungsfrist von fünf Tagen schriftlich zurückgewiesen haben, weil wir sie für nicht angemessen befanden. Dass die Mitbewohner hier im Recht waren, bestätigt auch Röger: „Drei Tage Frist zum Beispiel sind schon allein wegen des Überweisungszeitraums kaum machbar, mindestens 10 Tage sind angemessen. Es ist also möglich, eine Frist, die darunter liegt, zurückzuweisen."

Mein Mitbewohner hat einen Kredit aufgenommen, um die Schulden zu begleichen, sodass wir anderen nichts gezahlt haben – und ihn darum auch später nicht verklagen mussten. Man möchte ja auch nur sehr ungern in einen Rechtsstreit mit jemandem verwickelt sein, mit dem man die Küche teilt.

Nadja Schlüter hat für diesen Text die Geschichte eines Freundes, 26, protokolliert. Er macht sich jetzt auf die Suche nach einer eigenen Wohnung, in der er die Miete ganz alleine zahlen wird. Fünf Tipps für den Umgang mit Mietschulden in der WG:

1. Der selbstverständlichste Rat lautet natürlich: Prävention. Das bedeutet, sich seine Mitbewohner gründlich auszusuchen und gleich zu Beginn die Regelung finanzieller und vertraglicher Fragen nicht zu scheuen.

2. Gerade bei einer WG-Neugründung kann man mit dem Vermieter über die Vertragsform verhandeln – und sollte das auch tun. Wenn jeder einen eigenen Vertrag bekommt, ist es nämlich ausgeschlossen, dass alle füreinander haften. Eine Übersicht über die verschiedenen Mietverträge für WGs findest du in unserem Lexikoneintrag „Ich will eine WG gründen – was muss ich beachten?"

3. Wenn man als Mitbewohner bemerkt, dass es bei einem der anderen ein Zahlungsproblem gibt, sollte man entgegen aller Mitbewohnersolidarität so früh wie möglich das Gespräch mit dem Vermieter suchen. Je früher der sich einschaltet, desto besser. Denn je länger er wartet und je länger der Schuldige das Problem aussitzt, desto höher werden die Schulden für alle Beteiligten.

4. Wenn man mit Anwälten zu tun hat, sollte man sich Rechtsberatung suchen, um keine Nachteile zu haben bzw. sich über Möglichkeiten, wie zum Beispiel die Zurückweisung einer gesetzten Frist sowie über die Formalia informieren. Die meisten Universitäten bieten eine kostenlose Beratung an, oft über den AStA.

5. Wenn man vertraglich für die Mietschulden eines Einzelnen mithaften muss, gibt es erstmal keinen rechtlichen Ausweg. Im Nachhinein gibt es dann aber die Möglichkeit, einen sogenannten Gesamtschuldnerausgleich anzustreben – dafür muss man allerdings unter Umständen seinen Mitbewohner verklagen.

Text: nadja-schlueter - Foto: madochab/photocase.de

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