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„Das Internet ist schon scheiße“

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Vor einigen Jahren nannte man ihn noch das „Phantom des Pop“, weil der Mann hinter der Kunstfigur PeterLicht sein Gesicht nicht zeigen wollte. Interviews gingen nur am Telefon, und wenn er mal im Fernsehen war, dann nur vom Rumpf abwärts oder gleich von hinten. Der Musiker und Autor, der mit seinen schlauen Liedern über Gefühle und Gesellschaft Feuilletonistenherzen höher schlagen lässt, gibt sich mittlerweile etwas offener. Auf der Bühne und auch im Gespräch mit jetzt.de. Wir trafen ihn kurz vor der Veröffentlichung seines neuen Albums „Das Ende der Beschwerde“.    

jetzt.de: Die Kunstfigur PeterLicht gibt es seit zehn Jahren. Wie vertraut seid ihr zwei euch mittlerweile? 
PeterLicht: (lacht) Manchmal nervt der ganz schön, dann schicke ich ihn in den Urlaub. Und dann habe ich ihn aber auch immer mal wieder sehr gerne und eine gute Zeit mit ihm. So geht das hin und her.    

jetzt.de: Und wie kompliziert ist es momentan, PeterLicht zu sein? 
PeterLicht: Es könnte unkomplizierter sein.    

jetzt.de: Das denkt man auch, wenn man Interviews mit dir liest. Immer wieder musst du darin über komplizierte Dinge sprechen, von gesellschaftlichen Subsystemen bis zum Solipsismus war schon alles dabei. Ist dir das eigentlich genauso wichtig wie den Journalisten, die dich danach fragen, oder findest du das affig von denen?  
PeterLicht: Nee, affig finde ich das nicht, ich sehe das eher als Herausforderung. Manchmal komme ich dabei unter die Räder, manchmal nicht. Ich finde auch, dass es ein Kompliment ist, wenn mir jemand solche Fragen stellt. Aber letztendlich mache ich Musik und bin kein Philosoph, auch wenn mich philosophische und soziologische Dinge interessieren.    

jetzt.de: Macht die Presse deine Lieder also komplizierter als sie sind? 
PeterLicht: Das kann ich nicht beurteilen. Aus meiner Sicht ist es schwierig zu sagen, ob meine Lieder einfach oder kompliziert sind.   

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



jetzt.de: Es ist nur, weil es scheint, als wolltest du damit nicht mehr und nicht weniger als ein Gefühl transportieren. 
PeterLicht: Absolut richtig. Deswegen sind es ja auch Lieder und keine wissenschaftlichen Texte. In Liedern heben sich die Worte auf und lösen sich. Am Ende geht es dann um den Sound und das Gefühl, das dabei entsteht. Wenn ein Lied ein Gefühl hat, hat es auch eine Berechtigung.    

jetzt.de: Ist der Liedermacher PeterLicht eigentlich erschöpflich? Die Frage muss erlaubt sein, denn eine auffällige Textzeile auf deinem neuen Album lautet: „Mit jedem Wort, das mich verlässt, werd’ ich weniger.“ Das stammt aus der ersten Single „Neue Idee“. 
PeterLicht: Stimmt, das ist auf jeden Fall ein Erschöpfungslied. Phasenweise war mein Songtitel hierfür auch „Das Abschaffungslied“. Es ist ja so: Je öfter man etwas sagt, umso weniger ist es noch da. Es löst sich auf. Und je öfter man etwas hört, desto weniger glaubt man daran. Das merkt man zum Beispiel, wenn man mehrere Interviews nacheinander hat.    

jetzt.de: Steht diese Erschöpflichkeit auch in Verbindung mit dem, was du mal über die PeterLicht-Alben ganz allgemein gesagt hast – nämlich dass du seit der ersten Platte immer dasselbe machen würdest? 
PeterLicht: Interessante Verbindung: Man macht immer dasselbe und wird immer weniger. Das kann man so sehen. Und das, was man sagt, wird immer weniger wahr, je öfter man es sagt. Ein Beispiel hierfür ist der Diskurs über unsere Gesellschaft und Welt, der so oft geführt wurde, bis er sich irgendwann einfach erschöpft hatte.    

jetzt.de: In der Aussage, dass du immer dasselbe machst, steckte aber bestimmt auch viel von einer Anti-Popstar-Attitüde, oder? Typische Popstars wollen sich ja immer neu erfinden und nie wiederholen. Also das Gegenteil von dem, was du willst. 
PeterLicht: Stimmt.    

jetzt.de: Und das neue Album scheint auch ein bisschen anti zu sein. Zum Beispiel Anti-Internet, wenn du so was singst wie: „Begrabt mein iPhone an der Biegung des Flusses, da wo in der Mitte der Gesellschaft eine Kausalkette entspringt.“ 
PeterLicht: Hier geht es um die Vision von einer entspannteren Welt. Im Refrain singe ich dann ja auch: „Ich wüsste niemanden, der sich selbst gehörte.“ Die Vorstellung, dass niemand sich selbst gehört, ist natürlich eine Utopie. Eine gute Utopie. Eine Utopie der Liebe. Denn die Liebe ist ja ein Raum, in dem sich der Einzelne nicht mehr selber gehört. Das ist bizarr-positiv und romantisch. Ich stelle nämlich einen sehr großen Verlust an Weltromantik fest, allein schon durch das Abfotografieren der Welt. Also wieder ein Sehnsuchtslied: Begrabt das, fahrt es einfach in die Wüste, die Natur wölbt sich dann darüber, und es ist alles wieder wie im himmlischen Urzustand des Menschen! Natürlich weiß ich, dass es den nicht gibt und dass diese Technik nun mal da ist. Es ist ja auch eine Technik der Vergemeinschaftung, was wiederum gut ist. Dieses Lied ist kein „Ich-finde-das-Internet-scheiße“-Lied.   

jetzt.de: Aber du findest das Internet doch scheiße. Zumindest hast du das schon häufig gesagt. Einmal hast du es sogar „die schwarze Seele des Weltgeistes“ genannt. 
PeterLicht: (lacht) Stimmt, das finde ich auch nach wie vor eine schöne Formulierung. Und ja: Das Internet ist schon scheiße. Ich bin jetzt übrigens auch bei Facebook und Twitter. Es ist echt super.    

jetzt.de: Hattest du damals, als PeterLicht mit Songs wie „Sonnendeck“ plötzlich der Masse gefiel, vielleicht auch Angst, dass das Internet deine Kunstfigur entzaubern könnte? 
PeterLicht: Nein, denn das Internet ist ja selber eine Zaubermaschine, die Relevanz erzeugt.     

jetzt.de: Du hattest und hast also keine Angst vorm Internet? 
PeterLicht: Doch.      

jetzt.de: Aber keine Angst, dass PeterLicht für jeden weltweit zugänglich ist, sonst wärst du ja nicht bei Facebook und Twitter. 
PeterLicht: Es ist ja die Kunstfigur PeterLicht, die da unterwegs ist. Die soll auch ruhig da draußen sein.    

jetzt.de: Glaubst du, dass noch etwas kommen wird, was das Internet überrollen könnte? 
PeterLicht: Ja, ich glaube bereitwillig sofort alles.    

„Das Ende der Beschwerde“ von PeterLicht erscheint am 28. Oktober auf Motor.


Text: erik-brandt-hoege - Foto: Christian Knieps

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