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Die Gerüchteformel

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Die Frage
Wie funktioniert eigentlich die Gerüchteküche unter Kollegen?

Die Antwort
…suchen wir bei einem Personalmanager, einem Berater für Führungskräfte und einem Gerüchteforscher.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wenn man Mann ist und gern mehr im Herzen der Gerüchteküche stehen will, hat man eher schlechte Karten. Denn Gerüchte werden vornehmlich von und unter Frauen verbreitet, fand der Gerüchteforscher Jean-Noel Kapferer heraus. Das hat einen simplen Grund: Frauen reden sowieso mehr miteinander als Männer. Einen mögliche Erklärung dafür sieht Kapferer in der Tatsache, dass Frauen historisch gesehen weniger öffentliches Mitspracherecht hatten und sich deshalb stärker untereinander austauschten.

Das hat sich zum Glück inzwischen geändert, und die Zeiten des Web 2.0 bringen sowieso ganz andere Herausforderungen mit sich. Besonders gut funktioniert die Verbreitung von Gerüchten nämlich in Rad-Systemen, haben Netzwerkanalysten herausgefunden. Also in solchen Systemen, in denen viele kontaktfreudige Menschen möglichst vielfältig vernetzt sind. Weil sie nicht nur das Gerücht aufnehmen und weitererzählen, sondern es auch zurückerzählen, wenn sie einen neuen Aspekt des Gerüchts erfahren. Deshalb entscheiden heute andere Faktoren als das Geschlecht darüber, wer in der Gerüchteküche mitkochen darf: Kontaktfreudigkeit etwa. Je größer die Kontaktfreudigkeit, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch informelle Nachrichten ausgetauscht werden.

Weil Netzwerke eine entscheidende Rolle spielen, machen Facebook, Twitter, Google + und Communitys den Bürotratsch eigentlich leicht. Sie bauen darauf, dass die Nutzer untereinander überlappende oder ähnliche Interessen haben. „Der sogenannte Flurfunk ist wichtiger denn je, aber findet nicht eben mehr nur im Flur statt, sondern vor allem in sozialen Netzwerken“, sagt Bernd Bienzeisler, Leiter des Competence Centers Personalmanagement des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisationspsychologie. „Das ist eine Herausforderung für Unternehmen, weil die Kommunikation der Mitarbeiter nicht mehr an Unternehmensgrenzen gebunden ist.“ Versuche informelle Kommunikation einzufangen, etwa durch das Einrichten von Großraumbüros, sind seiner Meinung nach wenig aussichtsreich. „Chefs müssen einsehen, dass es keine totale Informationshoheit seitens des Unternehmens mehr gibt“, sagt Bienzeisler.

Der Effekt ist im Prinzip derselbe wie auf Reiseportalen: Man glaubt den Bewertungen von Urlaubern in einem Bewertungsportal eher als der Hochglanzbroschüre eines Hotels. Ähnlich funktioniere das bei interner Unternehmenskommunikation auch, so Bienzeisler. Wenn es eine Veränderung im Unternehmen gibt, dann findet man es in der Regel glaubwürdiger, wenn Kollegen diese Veränderung positiv bewerten, als wenn der Chef sie als positiv anpreist. Grund dafür ist eine Art „Sinnesverwandtheit“. Wir erzählen Gerüchte nur den Menschen, die eine ähnliche Wertevorstellung haben wie wir, schreibt der Führungskräfteberater Ralph Schlieper-Damrich in einem wissenschaftlichen Aufsatz. Und wir nehmen automatisch an, dass unsere eigene Einstellung eher mit der des Kollegen zusammenpasst als mit der des Chefs.

Ziel des Gerüchteerzählers ist, dass das Gerücht weitererzählt wird. Und das passiert nur, wenn der Empfänger der Botschaft den spannenden Aspekt auch genauso wahrnimmt und das Gerücht nicht einfach langweilig findet. Deshalb dienen Gerüchte nicht dazu, Informationen, sondern Meinungen auszutauschen, folgert Schlieper-Damrich. Schlieper-Damrich hat sogar eine Formel gefunden, mit der sich die Verbreitung von Gerüchten beschreiben lässt:
G = (B * Z) / KE

G ist dabei das Ausmaß des Gerüchts, B seine Bedeutung, Z seine Zweideutigkeit und KE die subjektive kritische Einstellung. Je größer letztere bei den einzelnen Köchen der Gerüchteküche ist, desto geringer bleibt das Ausmaß des Gerüchts. Umgekehrt: je größer die Zweideutigkeit eines Gerüchts, desto wahrscheinlicher ist es, dass es ein großes Ausmaß annimmt.

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