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"Ich hatte nicht das Gefühl, mich schützen zu müssen"

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Es war ruhig geworden um die Schauspielerin Franka Potente. Kein Wunder: Die gebürtige Münsteranerin hat im April ihr erstes Kind zur Welt gebracht. Nun ist sie wieder auf der Leinwand zu sehen und spielt in „Valerie“ eine Frau, die sich nach einem Unfall ihres Mannes auf eine Reise zu sich selbst begibt. Ein Interview über Monologfilme und den medialen Umgang mit Privatem.
  
jetzt.de: In „Valerie“ spielen Sie eine Frau, die zwischen Los Angeles und Berlin pendelt. Die damit verbundene Zerrissenheit dürfte Ihnen bereits bekannt vorgekommen sein – sie haben vor sechs Jahren sogar ein Buch mit dem Titel „Los Angeles - Berlin“ veröffentlicht. Helfen eigene Erfahrungen bei der Auseinandersetzung mit einer solchen Rolle?
Franka Potente: Das passiert eher unbewusst. Ich habe bei „Valerie“ vor allem versucht, mich in den Schmerz der Figur hineinzufühlen und mich in die Verarbeitung des Verlustes eines geliebten Menschen hineinzuversetzen.
  
jetzt.de: Inwiefern spiegeln Sie sich selbst bei der Auseinandersetzung mit Ihren Rollen?
Potente: Das kommt darauf an. Eine Rolle muss nicht unbedingt etwas mit mir zu tun haben, damit ich sie glaubhaft spielen kann. Ich muss sie nur verstehen können. Manchmal pickt man sich auch Leute oder Situationen als Inspiration heraus, die man kennt – selbst wenn sie aus einem völlig anderen Kontext stammen.
  


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



jetzt.de: Kann man mit der Schauspielerei, über die Beschäftigung mit dem Wesen Anderer, zu sich selbst finden?
Potente: Ich glaube, das tun wir alle täglich. Deshalb sind Menschen ja auch in Beziehungen. Für mich selbst passiert das jedoch eher über das Schreiben. Das hat für mich eher etwas „Selbstverlorenes“; etwas, das ich ganz allein gestalte. Schauspielerei ist mir dahingehend zu unchronologisch und beinhaltet zu viele Faktoren und Visionen von anderen Leuten wie Autoren und Regisseuren, denen man stets gerecht werden muss.
  
jetzt.de: Man kann versuchen, von der Kunst auf die Persönlichkeit eines Künstlers zu schließen. Sie sind nicht nur Schauspielerin, sondern auch Autorin und haben vor gut einem Jahr Ihr Buch „Zehn“ herausgebracht. Wo kommt man Ihnen als Person näher: Über Ihre Filme oder Ihre Bücher?
Potente: Ja, das ist ein großes Missverständnis. Wie gerade erwähnt, ist das Schreiben auf gewisser Ebene das „persönlichere“ Medium für mich. Die Hauptfigur in dem Roman, den ich gerade schreibe, ist ein Mann Mitte 40. Das hat mit mir erstmal nichts zu tun. Aber ich mag diesen Menschen und kann mich in ihn und seine Welt hineinversetzen. Auf gewisse Art und Weise sagt das sicherlich auch etwas darüber aus, wie ich die Welt sehe und was mich an Menschen interessiert.
 
jetzt.de: „Valerie“ ist zu großen Teilen ein Monologfilm. Ihre Figur driftet bei der Herstellung ihrer Videos in eine Kunstwelt. Ist das eine Gefahr, mit der man auch als Schauspielerin zu kämpfen hat – weil man sich mit Welten beschäftigt, die Bezüge zum eigenen Leben haben?
Potente: Die „Kunstwelt“, von der Sie sprechen, ist bei „Valerie“ ja Teil des Konzepts. Dadurch haben wir versucht, eine ganz subjektive Welt aufzumachen. Wenn man sich darauf einlässt, hat das etwas Magisches.  
  
http://www.youtube.com/watch?v=pT9e1qYMbW8

jetzt.de: Müssen Sie sich selbst davor schützen, in eine Kunstwelt zu driften?
Potente: Nein. Ich hatte nicht das Gefühl, mich vor irgendetwas schützen zu müssen. Als Schauspieler lernt man, sich voll und ganz auf etwas einzulassen, es zu durchdringen und wieder herzustellen, ohne dass es einen am Ende des Tages persönlich „mitnimmt“. Dazu stehe ich auch zu sehr mit beiden Beinen im Leben. Ich bin Pragmatikerin.
  
jetzt.de: Haben Sie schon mit Kollegen zu tun gehabt, die Schwierigkeiten damit hatten, die Grenze zwischen Fantasiewelt und Realität aufrecht zu erhalten?
Potente: Oh ja, das hab ich. Aber ich nenne natürlich keine Namen. Das war für mich sehr fremd – gleichzeitig aber auch amüsant zu beobachten. Ich sage mir immer: „Jedem das seine“ – und so lange mich niemand bei meiner Arbeit stört, soll jeder machen, was er will.
 
jetzt.de: Sie haben vor einigen Monaten Ihre erste Tochter zur Welt gebracht. In den Medien stand danach häufig zu lesen, Sie hätten ihre Mutterschaft verheimlicht – so als ob Sie Ihre Pflichten der Bekanntgabe vergessen hätten. Wie beurteilen Sie den Umgang der Medien mit Ihrer Privatsphäre?
Potente: Es ist lustig: Man sagt ganz klar, man möchte seine Privatsphäre respektiert wissen, aber dennoch wird immer danach gefragt. Mein Mann und ich haben die Aufgabe, unser Kind und ihre Welt zu schützen, und das Gleiche gilt für unser Privatleben. Wir genießen es, Eltern zu sein und ziehen uns gerne in unser Familienleben zurück, zu dem nur Freunde und Familie Zugang haben. So einfach ist das. Als Künstler hat man nicht die Aufgabe oder „Verpflichtung“, die Welt von seinen privaten Ereignissen in Kenntnis zu setzen oder sich Bestätigung von der Öffentlichkeit einzuholen. Überhaupt nicht. Diese Grenzziehung ist mir absolut wichtig und danach handele ich auch. Wer an mir als Schauspielerin oder Autorin interessiert ist, kann gerne meine Filme anschauen oder meine Bücher lesen – und darüber kann man dann auch gerne reden.
  
jetzt.de: „Valerie“ ist ein ambitionierter Film. Wie schwierig ist es heutzutage, für derlei Projekte noch ein Publikum zu finden?
Potente: Alles, was fernab von „Konzeptfilmen“ wie Komödien oder Action stattfindet, ist sicher schwerer an ein Publikum zu bringen. Das darf einen aber nicht davon abhalten, diese Projekte zu unterstützen. Kommerz ist in Ordnung, aber die kleinen, seltsamen, anspruchsvollen oder schrägen Projekte müssen auch stattfinden können. Denn hier findet sich viel von der Essenz einer Kultur.

jetzt.de: Hat sich der Umgang mit derlei Projekten in den letzten zehn, zwanzig Jahren Ihrer Meinung nach verändert?
Potente: Bestimmt. Als vor vielen Jahren Fellinis „Achteinhalb“ im Kino lief, waren die Straßen leer – so ein Kunstfilm hatte ein riesiges Publikum. Das wäre heute gar nicht mehr denkbar. Selbst wenn jemand wie George Clooney im Remake des Tarkowski-Klassikers „Solaris“ mitspielen würde, würde das die Massen nicht interessieren. Das Fernsehen mit seinen vielen Sendern, das Internet, dieses ganze Überangebot – all das hat sicherlich viel zur „Entzauberung“ des Films und des Kinos beigetragen. Budgets sind heute anders, manche Filme werden nur noch zum Geldmachen konzipiert, clever vermarktet und die Leute durch einfache Mechanismen massenhaft ins Kino gelockt. Und die Massen haben ja leider immer Recht.

Text: daniel-schieferdecker - Foto: dpa

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