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Barschexpertin im Bikini

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"Ich fasse es gar nicht, dass es eine Frau gibt, die dermaßen erfolgreich ist und dazu auch noch so verdammt hübsch, du hast meinen größten Respekt.“ Das schreibt Stefan am 8. August kurz vor Mitternacht auf die Homepage von Babs Kijewski. Sein Gästebucheintrag fasst zusammen, was fast alle Gästebucheinträge hier täglich zusammen fassen möchten: Begeisterung, die aus den Männern heraus platzt, glückliches Gestammel von Typen, die sonst nicht stammeln, Heiratsanträge von Männern, die längst verheiratet sind. Das liegt nicht daran, dass Babs jung ist, blond und braungebrannt und man auf den Bikinifotos ihre Bauchmuskeln sieht. Oder, es liegt nur zur Hälfte daran. Die andere Hälfte machen die Fische aus, die Babs auf diesen Fotos im Arm hat, Zander, Hechte, Welse, allesamt ziemlich groß für ihre Verhältnisse, manche größer als die zierliche Babs selbst. Babs ist Anglerin. Ein eher gewöhnlicher Zeitvertreib in Deutschland, etwa 1,6 Millionen aktive Angler gibt es hier – so viele Menschen werden zum Beispiel auch als Vegetarier eingeschätzt. 

  Es ist ein ruhiges Hobby, das mehrheitlich im Schilf oder auf Ruderbooten stattfindet und in das man als Außenstehender wenig Einblick hat, bis auf die paar Klischees und Karikaturen. Kein Klischee ist: Angeln ist ein Männerhobby. So sehr, dass das führende Fachmagazin Blinker vergangenes Jahr eine Sonderserie brachte, über Frauen, die tatsächlich angeln und nicht nur ihren Mann ans Wasser begleiten. In der zehnten Folge war Babs dran, die von sich sagt, dass sie mindestens viermal die Woche am Wasser sein muss, um glücklich zu sein. 

  Babs, die Barschexpertin, Babs aus Köln, die im Urlaub nach Frankreich zum Welsfischen fährt, Babs, die neuerdings Profianglerin ist. Um zu verstehen, was eine Profianglerin ist, muss man erstmal verstehen, wie sich die Angelwelt verändert hat. Der gemütliche Kochtopfangler, der mit Bier und Plautze am Wasser hockt und seine Würmer badet, hockt da vor allem noch in den Köpfen. In Wirklichkeit ist er am Aussterben. 

  Angeln ist noch lange keine Szene-Sportart, aber es verjüngt sich offenbar, professionalisiert sich, erlebt einen Markenfetisch und wird stark beeinflusst von Trends aus Übersee, die mit knallbunten Angelruten und neonfarbenen Kunstwürmern statt armer Regenwürmer einher gehen. Statt nur in Vereinen schließen sich immer mehr Angler in großen Online-Foren zusammen, in denen es oft nur um eine Fischart geht. Vieles von früher ist verpönt beim modernen Angler. Zum Beispiel das Fischessen.

  Schon ein Foto hochzuladen, auf dem ein Fisch in der Küche zu sehen ist, führt in einigen Angel-Foren zu einer Rüge. Die Parole „Catch & Release“ wird dafür immer populärer, nach ihr wird in England und Holland schon lange geangelt. Sie bedeutet ungefähr: Überliste den Fisch mit der größtmöglichen Sportlichkeit und setze ihn dann so schonend wie möglich wieder zurück. Zu diesem Zweck halten die Angelausrüster Spezialgeräte bereit: Feuchte Ablöse-Matten, Fisch-Wundspray, beschichtete Welshandschuhe. Gleichwohl verbieten die Vorschriften hier vielerorts noch das Zurücksetzen, obwohl die Fische es einigermaßen schadlos überstehen können, sagen Fischbiologen. Gefangene Fische jedenfalls werden heute nicht mehr präpariert, sondern mehrheitlich nur noch fotografiert. Es gibt Underground-Angelblogs, Urban-Fishing, Berliner Guerilla-Angler und seit die Fachzeitschriften DVDs mit Angelvideos beilegen, boomt auch die Filmkultur, bei der die schnell geschnittenen Clips nicht selten mit Punkmusik unterlegt werden. Neulich war sogar Profiangler Auwa Thiemann bei Stefan Raab. Angeln, das wusste man auch nicht, ist auch eine Materialschlacht, mit unendlich vielen Kleinteilen – der Hauptkatalog des führenden Angelversands Gerlinger etwa hat weit über 1000 Seiten, jede einzelne dicht bestückt mit Geräten und Zubehör. Die Marken brauchen Botschafter, und so ist der Beruf des Profianglers erfunden worden. Er posiert auf Anzeigen, bestreitet internationale Wettbewerbe, fischt in Videoclips erfolgreich mit dem neuen Gummiwurm der Firma X und jeder Amateur-Angler wird den Kauf des neuen Gummiwurms in Erwägung ziehen, wenn er zwei Tage lang nichts fängt. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Babs mit Spiegelkarpfen.

  Die hübsche Babs, die auf ihrem Blog so ungeniert im Bikini mit dicken Fischen posierte, wurde zu diesem Zweck von der amerikanischen Firma Zebco ins Profi-Team geholt. Will man die Frau treffen, die sich mit zwei Meter langen Welsen anlegt, ist sie darüber so erschrocken, dass sie sich für das Treffen Zettel schreibt, um nicht all die Dinge zu vergessen, die sie sagen möchte. In ihrem Auto riecht es nach Knoblauch und Vanille und Babs sagt verlegen, das käme noch von den Boilies, die sie vergangene Woche transportiert hat. Boilies sind knallharte kleine Teigkugeln die sehr stark duften müssen, nach Vanille, Knoblauch, Leber oder TuttiFrutti, damit die Karpfen sie später tief am Grund auch finden. 

  Die Angelruten im Kofferraum klappern, Babs plappert und zappelt unentwegt, so viel, dass man schon ahnt: Leise sein und still sitzen beim Angeln, das gehört wohl auch eher zu den Klischees. Später steht sie auf einer Buhne, der Rhein schwappt und Babs sagt fröhlich: „Verflixt, jetzt möchte ich hier doch gleich angeln, aber nein, wir müssen ja Interview machen.“ 

  Seit einem Jahr also testet sie laufend neue Ausrüstung, steht bei Messen am Firmenstand und erläutert die Neuheiten. Sie trägt in Videos und auf den Fotos eindeutige Verweise auf ihre Sponsoren. Für die Firma ist sie nicht nur ein exotischer Hingucker. Babs sagt, die Männer glauben ihr auch, wenn sie auf der Messe über die perfekte Zanderrute spricht. Man kennt sie schließlich in der Szene und weiß: Die junge Frau hat mit ihren 1,59 Metern Körpergröße schon mehr dicke Fische gefangen als die meisten gestandenen Angler, sie hat mit den wichtigsten Profis zusammen gefischt, demnächst kommt ein Filmemacher aus den USA, der ausdrücklich nur mit ihr fischen gehen will. 

  „In Amerika kann man mit Angeln tatsächlich schon Millionär werden“, sagt Babs sehnsüchtig und dann: „Schau, Barschbrut!“ Vor ihren Füßen im Rheinwasser schießen winzige Fischlein zwischen die Buhnensteine und Babs freut sich, als hätte sie zum ersten Mal einen Fisch gesehen. „Ich kann nichts dafür, ich denke 24 Stunden ans Angeln und habe ernste Entzugserscheinungen, wenn ich mal längere Zeit nicht gehen kann.“ Schon vor ihrem Sponsorvertrag richtete sie ihr Leben danach aus. Auto, Wohnort, Freund müssen unbedingt angelkompatibel sein und der Beruf eben auch, deswegen ist jetzt das Profiangeln so verlockend. „Momentan kann ich davon nicht leben, aber das ist definitiv das Ziel.“ 

  Sie schreibt für Fachzeitschriften, sucht weitere Sponsoren, beantwortet Fragen ihrer 8800 Facebook-Fans und arbeitet zusammen mit einer Produktionsfirma an einer Angelshow, sie ist wochenlang mit einem Kamerateam unterwegs. „Das wird viel besser und fröhlicher als alles, was es bisher dazu gibt“ sagt sie und strahlt überzeugend. Babs ist eigentlich die Botschafterin, die sich jedes Männerhobby wünscht: vollvergnügt, unbedingt fernsehtauglich, dezent tätowiert. Und dazu erzählt sie dauernd Geschichten wie die von der Klausur, die sie nur deswegen verhauen hat, weil ein Aquarium im Zimmer stand und sie deswegen abgelenkt war. Aber warum fängt sie eigentlich so gut? „Einfach weil ich mich mit nichts anderem beschäftige, seit Jahren, alles andere unterordne. Außerdem, glaube ich, haben Frauen in manchen Momenten beim Angeln das bessere Feingefühl.“

  Angefangen hat es für Babs als Kind, sie ist aus Neugier mal mitgegangen, wie viele kleine Jungs auch. Spannung und Ungewissheit, die jede Angelminute zu einem Abenteuer machen können, haben auch in der Pubertät ihre Reize behalten, so sehr, dass Babs ihren Angelschein machte. Das ist die Prüfung, die in Deutschland jeder Angler braucht und die etwa so schwer ist wie die Theorieprüfung in der Fahrschule. Damals, noch in ihrer Heimat Berlin, merkte sie zum ersten Mal, dass etwas nicht normal ist, wenn sie mit der Angelrute am Kanal steht. Kein Mann konnte an ihr vorbeigehen, ohne seine Verwunderung kund zu tun. „Du bist doch Fake!“ sagten die Jungs, so oft, dass Babs irgendwann anfing Männerklamotten zu tragen und eine Mütze, um nicht gleich als das erkannt zu werden, was sie nun mal war: ein Mädchen, das Fische fangen wollte. 

  Aus ihrem Freundeskreis hört sie seither und bis heute die Vorwürfe, die jeder Angler kennt: Quälerei! Eklig! Langweilig! Sie zuckt fröhlich mit den Schultern, sie hat das schon so oft erklären müssen. Eklig? Findet sie nicht, sie küsst sogar jeden Fisch, den sie zurück setzt, und wenn man sich die Videos ansieht, auf denen sie noch Minuten nach einem Fang selig strahlt, dann glaubt man: Es ist ein echter Kuss. Langweilig? Keine Spur. Sie, die keine fünf Minuten still sitzen kann, hat sie sich auf Methoden spezialisiert, bei denen Bewegung gefragt ist und außerdem: „Es passiert dauernd irgendwas beim Angeln. Oder ich falle ins Wasser.“ Und der Vorwurf der Tierquälerei, ausgerechnet mit zarten Frauenhänden? Sie seufzt, ein Riesenthema, ewig wird das schon diskutiert, zwischen Tierschützern und Angelverbänden, ob der Fisch im Maul ein Schmerzempfinden hat und so weiter. Babs sagt dazu: „Wir werden das nicht so lösen können, dass jeder zufrieden ist. Ich habe eben einen besonders ausgeprägten Jagdtrieb, der nun mal auch zu uns Menschen gehört. Oder zumindest zu den Herren.“ Sie kichert und kann sich nicht erinnern, wann sie zuletzt einen Fisch getötet hat. „Außerdem sind Angler mit ihren bezahlten Erlaubnisscheinen und die Angelvereine die einzigen, die überhaupt für Fischbesatz in den Gewässern sorgen.“ 

  Vor drei Jahren hat sie das mit den Männerklamotten beendet und ist in die Offensive gegangen, hat sich in Foren engagiert und ihre Homepage gestaltet, mit Fotos, von denen sie wusste, dass man so etwas in Deutschland noch nie gesehen hat. Seither hat sie auf allen Ebenen der Szene nur Begeisterung ausgelöst. „Ich möchte die bekannteste Anglerin Deutschlands werden, das ist das Ziel“, sagt sie heute. Als Profi hat sie längst andere Ziele als jeder Normalangler. Sie konzentriert sich einen ganzen Sommer lang nur auf kapitale Welse oder arbeitet an ihrem Hechtrekord. Die Größe der Fische, vor allem ihre Länge, sind die Statussymbole beim Angeln. Man spricht nur vom „50er-Barsch“ oder vom „Meterhecht“. Profis können anhand des Fotos unterscheiden, ob es ein 90er-Zander oder doch eher nur ein 85er ist. Babs muss diese Margen erfüllen, regelmäßig, um im Geschäft zu bleiben – eigentlich wie jeder Sportler. „Und die Großen sind ja nicht umsonst so groß geworden, die sind wahnsinnig schlau und selten“, sagt Babs und erklärt damit, warum sie ständig angeln muss, oft tagelang ohne Unterbrechung. 

  Mindestens so selten wie 50er-Barsche sind weibliche Gleichgesinnte, auch wenn sich zunehmend Frauen bei ihr melden, die auch angeln. „Es gibt mehr als man denkt“, sagt Babs, aber das bedeutet natürlich immer noch: wenig. Deswegen wundert sie sich auch nicht über die täglich neu erstaunten Gästebuchkommentare und Heiratsanträge auf ihrer Homepage. Sie brauchte nur etwas, dann hatte sie die simple Tatsache verstanden: „Seit ich angle, bin für viele Männer eben die perfekte Frau.“


Text: max-scharnigg - Foto: privat

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