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„Es soll nicht nur hübsch aussehen, sondern uns erregen.“

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jetzt.de: Wie würdet ihr zeitgenössische Mainstream-Pornoproduktionen in drei Worten beschreiben?
Sandra: Unkreativ, breiig, vernachlässigt.  

Und was ist in den Pornos der 70er Jahre so anders gewesen?
Sandra: Die Produktionsweise war noch komplett anders. Die 35 mm Filme waren teurer und aufwändiger, deshalb hat man einen Film mit mehr Sorgfalt entstehen lassen. Visuell hat man sich auch deutlich mehr Mühe gegeben: Gute Aufnahmen und bessere Lichtarbeit, die dem Körper schmeicheln und ihn nicht total ausleuchten wie ein Objekt. Gute Kleidung und tolles Set-Design. Bei den Filmen aus den 70er-Jahren hat man auch noch viel mehr das Gefühl, dass die Leute guten Sex haben. Dass sie etwas zusammen haben und nicht jeder für sich.
Sabine: Die 70er waren auch das sogenannte „Golden Age of Porn“. Es war eben noch die Zeit vor Videos und es gab somit keine Schnellproduktionen. Heute dreht man an einem Nachmittag einen Porno: In einem kargen ekligen Raum mit tonnenweise Make-Up machen zwei Leute Sex und das war’s dann.  

Könntet ihr kurz erklären, wie ein Film bei euch entsteht? 
Sabine: Wir haben eine gewisse Auswahl an 70er-Jahre-Pornos, für unseren jetzigen Film haben wir etwa 20 Filme verwendet. Die sehen wir uns zusammen an und machen von allen Sequenzen, in denen uns etwas gefällt und sei es nur die Farbe des Bildes, einen Screenshot. Das Ziel ist natürlich immer, dass diese Szene sexuell erregend ist. Es soll nicht nur hübsch aussehen, sondern uns erregen. Die ausgewählten Screenshots fügen wir aneinander, sodass eine Art Collage entsteht. Es ist allerdings keine beliebige Aneinanderreihung, obwohl wir keine Geschichte erzählen. Wir nehmen uns viel Zeit dafür, uns zu überlegen, welcher Filmausschnitt auf welchen folgen soll. Eine Stilcollage sozusagen, bei der man am Ende keine Geschichte verstanden haben muss. Danach erst arbeiten wir mit der Musik und der Vertonung. Wir haben einen eigenen Komponisten, der die Musik für unsere Filme macht.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ich habe gelesen, dass ihr eure Filme auch selbst bestöhnt. Ist es nicht total komisch und witzig zugleich, wenn ihr beide nebeneinander vor eurem Laptop sitzt und Pornos bestöhnt?
 Sandra: Also, das war bei unserem ersten Film wirklich nur eine Notlösung, weil wir sehr unter Zeitdruck standen und niemanden gefunden haben, der das dann einfach so macht, vor allem wie wir das gerne hätten. Um drei Uhr nachts im Tonstudio des Komponisten waren wir an dem Punkt der absoluten Erschöpfung und Überarbeitung und haben uns letztendlich dazu entschieden den Porno selbst zu bestöhnen. Es war zwar sehr, sehr lustig, aber nicht optimal, das machen wir diesmal nicht mehr.
Sabine: Ich habe es am Anfang auch nie zugegeben, dass wir das sind. Das war unser kleines Geheimnis. Unsere Freunde haben dann auch noch in diversen Kombinationen mitgestöhnt.  

Warum eigentlich der Aufwand? Gefällt euch das 70er Jahre Gestöhne denn nicht?
Sabine: Die kleinen Schnipsel, die wir dem Film aneinanderhängen, haben natürlich auch eine originale Tonspur, die wir zwar von dem Bildmaterial separieren können, aber nicht von der Musik. Das heißt, wenn wir die Musik selber machen, muss auch das Gestöhne neu sein, sonst würde das eine auch von der Qualität gar nicht mehr zu dem anderen passen.
Sandra: Das Gestöhne in den 70er-Jahre-Pornos ist uns auch oft zu viel, da kann man sich gar nicht mehr entspannen, wenn jemand völlig bescheuert abstöhnt. Für unseren Geschmack gibt es in den Filmen sehr wenige Stellen, an denen uns das Stöhnen gefällt und wenn doch, kann man es eben aufgrund der Qualität nicht mit dem neuen Gestöhne mischen. Die ersten zehn Sekunden gibt es allerdings immer in Originalton, erst dann fängt unsere Vertonung an.

Gerade habt ihr auf den kanarischen Inseln an eurer zweiten DVD "Pornographical Remixes Vol.4-6" gearbeitet. Warum denn so weit weg, geht das nicht auch im eigenen Wohnzimmer?
Sandra: Das geht schon Zuhause, den ersten Film haben wir auch in Sabines Wohnzimmer gemacht, aber es war einfach zu krass, immer mitten in dieser Arbeit zu stecken und überall die Fotos von Screenshots um sich hängen zu haben. Deshalb war uns klar, dass wir das diesmal nicht wollen. Wir wollten uns richtig konzentrieren und dachten, dass eine exotische Umgebung uns sicherlich auch inspiriert.
Sabine: Ich habe einen Bekannten, der dort schon ewig lebt, bei dem konnten wir wohnen. Er hat dort eine Art Baumhaus mit offener Küche.
Sandra: Ja, das hat irgendwie auch alles so gut zu den 70er-Jahren gepasst. Freie Liebe und so.  

Wäre es nicht schöner eigene Pornos zu produzieren, die im Stil der 70er-Jahre sind oder wollt ihr bei alten Zusammenschnitten bleiben?
Sabine: Recycling ist für uns generell eine gute Sache. Wenn wir in alten Filmen wühlen, dann ist das ein bisschen wie auf den Flohmarkt zu gehen und zwischen all dem Mist gute Pornos finden. Das reizt mich daran.
Sandra: Ein eigener Porno ist natürlich eine sehr spannende Vorstellung, aber wir hätten schon sehr hohe Ansprüche an unser Werk. Die Idee war schon immer ein bisschen da, aber wir wagen uns da jetzt noch nicht heran.  

Apropos hohe Ansprüche: Könnt ihr euch eigentlich noch andere Pornos ansehen, als eure eigenen?
Sandra: Wir haben diese Bibliothek mit etwa 50 Filmen aus den 70er-Jahren. Da wir beruflich schon so viele Pornos schauen, reicht es oft in der Freizeit nicht mehr dazu. Wenn, dann schaue ich nur alte Pornofilme an und nichts von heute. Das ist einfach nicht meins, aber das war es davor auch noch nie.
Sabine: Ich habe, bevor ich angefangen habe Pornos zu produzieren, überhaupt keine konsumiert, die aktuellen Sachen haben mir überhaupt nicht zugesagt.  

Für Frauen ist es auch etwas anderes sich Pornos herunterzuladen oder auszuleihen, vielleicht nicht ganz so selbstverständlich wie für Männer. Meistens landet man dann auf youporn.com. Was haltet ihr von dieser Seite?
Sandra: Zuerst einmal muss man sich durch zehn Filme klicken, die man größtenteils widerlich findet und die ziemlich viele Störfaktoren haben.
Sabine: Diese Dinge funktionieren im Sinne der Erregung irgendwie schon, also man ist zwar erregt, aber es ist kein gutes Gefühl. Es bleibt ein schales Irgendetwas, aber das muss doch nicht sein. Es wäre schön, wenn man Pornos konsumieren könnte ohne komischen Beigeschmack.
Sandra: Auch Männer haben dieses schale Gefühl danach, da bin ich mir sicher. Es ist ja etwas Geheimes und weil man Dinge ansieht, von denen man danach weiß: Das ist eigentlich gar nicht hübsch.  

Ich glaube, dass vor allem einige Männer schon dermaßen an zeitgenössische Pornos gewöhnt sind, dass sie vielleicht gar keinen Pornofilm sehen möchten, in dem es natürlich, ästhetisch und realistisch zugeht?
Sabine: Wir haben auch gute Rückmeldungen von Männern bekommen, denen unsere Filme sehr gefallen. Es ist natürlich eine Typfrage.
Sandra: Porno ist die Darstellung von sexuellen Fantasien, deshalb finde ich, dass es nicht total realistisch zugehen muss, eher stilisiert in eine gute Richtung.
 
Charlotte Roche schreibt in ihrem neuen Buch über euch: „So, jetzt aber auf Glory Hazel konzentrieren. Puh! Der Trip beginnt“. Habt ihr es gelesen, wenn ja, wie findet ihr es?
Sandra: Wir haben das Buch beide nicht gelesen, aber ich habe es mir vorgenommen. Ich bin schon gespannt und kann das noch nicht so richtig greifen, weil ich das erste Buch auch nicht gelesen habe. Natürlich haben wir uns auch sehr gefreut, dass sie über uns schreibt, aber vergleichen kann man uns überhaupt nicht. Ich glaube, wir haben sehr unterschiedliche Ansätze was Sex betrifft.

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