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Vergesst das College!

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Vor einem Jahr schüttelten viele Professoren und Eltern in Amerika verwundert den Kopf. Peter Thiel, der Mann, der einst die Firma Paypal gründete und nun viel Geld auf der hohen Kante hat, suchte öffentlich nach Teenagern, die für eine Prämie von je 100 000 US-Dollar ihr College-Studium schmeißen. Mit dem Geld sollten sich die jungen Erwachsenen stattdessen selbständig machen.

  Die meisten Eltern in den USA wollen ihren Kindern schon wegen der Berufsaussichten einen Collegebesuch ermöglichen. Mittlerweile aber steckt Amerika in einer Rezession. Viele Studenten finden keinen Job und haben Probleme, die Studiengebühren von durchschnittlich gut 24 000 Dollar abzubezahlen. Peter Thiel findet das schlimm. Nun führt er einen kleinen Kreuzzug gegen die College-Versessenheit der Amerikaner. Wahrscheinlich ist es kein Wunder, dass unter den Talenten, die er nun in seinem Existenzgründerprogramm fördert, auch Dale J. Stephens ist. Der 19-Jährige ist einer von 24 „Thiel-Stipendiaten“, die, wie vergangenen September angekündigt, 100 000 Dollar an die Hand bekommen, um eine Unternehmensidee umzusetzen. 



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dale

  Dale wurde von seinen Eltern mit Zwölf von der Schule genommen und nach Anleitung der „Unschooling“-Bewegung unterrichtet. Dabei soll man nicht in Schulen sondern im Alltag und durch Erfahrungen lernen; man soll zum Beispiel die Eltern beim Einkaufen und beim Kochen begleiten und dabei lernen und  in Spielen und kleinen Bastelprojekten Zusammenhänge verstehen. Allein das eigene Interesse soll den Schülers durch die Welt leiten. Wenn ein Junge staunend vor einem LKW steht, können die Eltern versuchen, mit dem Sohnemann die Funktion eines Motors oder die Geschichte der Mobilität zu erarbeiten. Eine Rolle bei diesem sogenannten „informellen Lernen“ können auch Lehrvideos spielen, wie sie zum Beispiel der Kalifornier Sal Khan auf Youtube anbietet. Er hat mehrere Tausend Filme erstellt, in denen er auf simple Weise Mathe oder Geschichte für Schüler erklärt. Mittlerweile zählt Khan zu einer neuen Generation von Bildungsreformern, die den Frontalunterricht an den Schulen in Frage stellen, weil man ihn nicht vor- oder zurückspulen kann, so oft man mag. 

  Dale Stephens will, dass sich das interessengeleitete Lernen auch auf die Zeit überträgt, in der man eigentlich ein College besuchen würde. Er hat mit dem Geld von Peter Thiel die Bewegung UnCollege gegründet, die keinen anderen Zweck hat, als Schülern klar zu machen, dass man nicht aufs College muss, um im Leben zu etwas zu kommen. Studien legen Dale zufolge nahe, dass bis zu 90 Prozent unseres Wissens aus bloßer Lebenserfahrung entsteht. Dale zitiert auf uncollege.org auch Quellen, nach denen fast ein Viertel der Collegeabsolventen später in Jobs arbeiten, für die man keinen Hochschulabschluss bräuchte.   

  Wer die Hochschule drangeben will, muss Dale zufolge genau wissen, was ihn antreibt. Er muss Lust haben, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. In einer To- do-Liste für angehende Jünger der UnCollege-Bewegung schreibt Dale, man solle zum Beispiel unbedingt ein Projekt beginnen, eine Webseite eröffnen, ein Unternehmen gründen. Man solle sich einen Mentor suchen, weil mit dem, im Gegensatz zum Professor am College, mehr Austausch stattfinde. Man solle, ganz wichtig, versuchen, in einem bestimmten Feld ein Experte zu werden. 

  Und so geht es weiter. Dales Sätze klingen wie der Fahrplan in ein selbstbestimmtes Leben. Ganz ohne Stundenplan und andere Vorgaben. Aber nicht für jeden ist diese Form des Lernens geeignet. Wer Arzt werden will, kommt wohl so oder so nicht um ein Studium herum. Und dann gibt es da ja noch Menschen, für die es besser ist, wenn das Lernen einer Struktur folgt; die froh sind, wenn die Colleges noch eine Weile weiterbestehen.

Text: peter-wagner - Foto: UnCollege

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