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Jagd auf Ticketkontrolleure 2.0: Der MVV-Blitzer

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U-Bahn-Station in München.

Die Nerd Nite findet seit 2009 monatlich in München statt, jeweils zwei bis drei Referenten berichten über einen meist etwas abseitigen Themenbereich, der ihre Leidenschaft entfacht hat und in dem sie Expertenwissen angehäuft haben.

Heute steht hier unter anderem Franz Pletz, dessen Wissen vor allem Schwarzfahrern zugute kommt. Franz Pletz stellt seinen MVV-Blitzer vor, der über Facebook und Twitter vor Kontrolleuren warnt. Franz studiert Informatik, Philosophie und Computerlinguistik an der LMU München und ist aktives Mitglied des Chaos Computer Club. Ihm sind wie vielen anderen Nutzern des Öffentlichen Nahverkehrs die Preise des MVV und der MVG zu hoch. Nach diversen Ticketfälschungstaktiken, mit denen man sich strafbar machen würde, entwickelte Franz mit einem Kumpel aus einer Bierlaune heraus die Idee des MVV-Blitzers nach einem Berliner Vorbild. Ähnlich wie bei den Blitzermeldungen im Radio können Leute von unterwegs andere vor Kontrolleuren warnen – nur eben via Twitter und Facebook und nicht mehr per Telefon. Um den Interaktionsfaktor noch zu erhöhen, erscheint nun eine App. Das Ziel ist eine „Schwarzfahrerkarte“, in der die Ballungszentren der Kontrolleure verzeichnet sind. Längerfristig soll die Applikation unter anderem durch eine Risikoberechnung der Kontroll-Wahrscheinlichkeit ergänzt werden. Darüber hinaus sollen dem Bus- und Bahnpassagier Ausweichstrecken vorgeschlagen werden, auf denen er das Revier eines Kontrolleurs umfahren kann.

Franz Pletz beginnt seinen Vortrag mit einem Appell an alle Schwarzfahrer: „Fahrt nicht schwarz. Kauft euch ein Ticket, wenn ein Kontrolleur in der Nähe ist.“ Nach eigenen Aussagen hält er keines Wegs zum Schwarzfahren an. Er möchte nur darauf hinweisen, dass er und viele weitere Studenten „die Schnauze voll“ von den teuren Ticketpreisen haben. Sabine, eine Studentin im Publikum, fährt selbst nicht schwarz, doch auch sie schließt sich den MVV-Blitzer-Meldern an: „An mir verdient der MVV jährlich über 1000 Euro – das ist einfach zu viel für einen Studenten.“

Doch nicht alle Leute sind so begesitert vom MVV-Blitzer. Auf der Facebook-Seite, die mittlerweile 12 000 Likes verzeichnen kann, diskutieren Internetnutzer über die Rechtfertigung des Projekts und die Auswirkungen auf Verkehrsbetriebe und Passagiere. „Ich finde es moralisch vertretbar“, wiederholt Franz auch nach seiner Rede noch mal in aller Deutlichkeit. Und der MVV? Pressesprecherin Beate Brennauer reagiert gelassen: „Wenn diese App dazu führt, dass Menschen ein Ticket kaufen, die sonst keins kaufen, dann sehen wir da kein Problem.“



Text: uli-schuster - Foto: dpa

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