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„Ich will keiner Partei schaden“

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Hindemith nennt er sich im Forum von VroniPlag, und er möchte lieber anonym bleiben. Nur so viel sei gesagt: Er ist Mitte 30, Mathematiker und arbeitet in der Finanzindustrie. Er hat im aktuellen Plagiatsfall des FDP-Politikers Bijan Djir-Sarai mitgearbeitet, und zuvor schon Fragmente der Arbeit von Georgios Chatzimarkakis überprüft.    

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



jetzt.de:  Macht es dir eigentlich Spaß, Politiker zu entlarven? Oder geht es dir eher um den Ruf der Wissenschaft?
Hindemith: Gute Frage, bei mir ist das eine gewisse Mischung: ich war von dem Auftreten zu Guttenbergs empört, keine Frage. Aber das ist nicht meine Hauptmotivation. Ich würde sagen, mir geht es um Ehrlichkeit und klares Denken an sich, und in der Wissenschaft insbesondere. Ich will auch keiner Partei schaden. Überhaupt finde ich, dass sich hier hauptsächlich einzelne Personen unmöglich machen, nicht Parteien.  

Wobei es schon sein könnte, dass zum Beispiel die Umfragewerte der FDP auch in den Keller gehen, weil sich in der Partei die Plagiatsfälle häufen, oder?
Na ja, ich glaube, das hängt dann davon ab, wie die Partei damit umgeht, glaube ich. Zum Beispiel die Reaktion der Bundeskanzlerin zum Thema Guttenberg war sehr schädlich auch für sie, denn sie hat mit ihrer Aussage, sie habe Guttenberg als Verteidigungsminister berufen und nicht als Wissenschaftler, alle Wissenschaftler gering geschätzt.  So etwas sollte man nicht tun.  

Das heißt, du glaubst nicht daran, dass ihr als Plagiatsjäger per se auch politischen Einfluss habt?
Doch, im Endeffekt wahrscheinlich schon, aber das ist nicht mein Hauptantrieb. Und ich glaube, das trifft wohl auf die meisten VroniPlag-Autoren zu, obwohl es da Ausnahmen geben mag.  

Warum hat es bisher eigentlich keinen Oppositionspolitiker getroffen?
Eine Frage, die immer wieder gestellt wird, und die Antwort ist ganz einfach, weil auf VroniPlag noch niemand einen konkreten Anfangsverdacht zu einem Oppositionspolitiker gepostet hat. Konkreter Anfangsverdacht heißt dabei: einige Stellen mit Beleg, dass plagiiert wurde. Jeder, der will, kann solch einen Verdacht auf Vroniplag hinterlassen, und ich bin sicher, dass er Fall weiterverfolgt würde.  

Wurde denn überhaupt schon in Oppositions-Arbeiten gesucht?
Ja, es wurde schon in Oppositionsarbeiten gesucht, ich glaube es wurde sogar ein Preis ausgelobt für den, der den ersten „Oppositionsfall“ findet. Es ist nur so, dass das genaue Durchsuchen einer Arbeit sehr aufwändig ist, und nur dann voll anläuft, wenn tatsächlich Plagiatsstellen gefunden wurden: daher ist es schwierig zu sagen, eine Arbeit ist hundertprozentig sauber – die allermeisten Arbeiten sind aber natürlich vollkommen in Ordnung.

Es wäre euch also eigentlich ganz recht, wenn ihr einen Fall von SPD oder Grünen hättet? Weil dann wenigstens die Fragen aufhören würden, ob ihr parteiisch seid?
So ist es – zumindest geht es mir so. Man muss immer vorsichtig sein, wenn man von „Wir“ spricht. VroniPlag ist ein Wiki, bei dem jeder mitmachen kann, es gibt also verschiedene Meinungen und Motivationen.

Sind die meisten denn politisch motiviert? Oder ist auch denkbar, dass demnächst Plagiate von Wirtschaftsbossen auftauchen?
Ich glaube die meisten Wiki-Autoren wollen vor allem gegen den Missbrauch der Wissenschaft zu Imagezwecken vorgehen. Und Wirtschaftsbosse wurden auch schon untersucht.

Warum wollt ihr eigentlich anonym bleiben?
Auch da gibt es verschiedene Motivationen: einige legen sehr viel Wert auf Anonymität, andere weniger. Ich will mir meine Privatsphäre erhalten, und außerdem finde ich, dass sich die Diskussion ausschließlich auf die gefundenen Plagiate konzentrieren. Es ist beeindruckend, wie schnell die Leute – und auch die Presse – sich von den eigentlichen Plagiatsfunden abwenden und die Motivationen derjenigen untersuchen wollen, die diese Stellen gefunden haben. Als ob das Plagiat an sich irgendwie weniger schlimm wäre, wenn es von einem politischen Extremisten, Versager, Denunzianten oder sexuell frustrierten Wichtigtuer gefunden worden wäre.  

Hat das vielleicht auch etwas damit zu tun, dass dem Plagiate-Suchen irgendwie auch etwas Unsymphatisches anhaftet? In der Schule wäre ein Mitglied von VroniPlag wahrscheinlich nicht der Beliebteste in der Klasse gewesen...
Ich glaube nicht, dass es unsympathisch ist, bei VroniPlag mitzumachen. Meine Freunde und meine Familie wissen, dass ich dabei bin, und die finden das zumeist gut. Jedenfalls wenn es nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt – und momentan verbringe ich schon manchmal vier Stunden am Tag damit. Um auf deinen Vergleich mit der Klasse zurückzukommen: Ich glaube, dass sich das mit der Schule überhaupt nicht vergleichen lässt. Da geht es nicht um wissenschaftliche Meriten, und früher habe ich immer allen beim Abschreiben geholfen.

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