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Soll ich mich privat oder gesetzlich krankenversichern?

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Eine Versicherung braucht jeder. Trotzdem beschäftigt sich niemand gerne damit. Als ich noch bei meinen Eltern wohnte, sah ich meine Mutter ein Mal im Monat vor einem riesigen Zettel-Berg sitzen. Sie heftete die Mitteilungen unserer Familienversicherung in dicke Aktenordner. Es schien mir keine Tätigkeit zu sein, über die ich gerne mehr erfahren hätte. Deswegen hatte ich auch keine Ahnung, was der Herr im Immatrikulations-Büro meiner Uni wollte, als er mich zurück ans Ende der Schlange schickte, weil mir noch die „Bestätigung für die Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht“ fehlte.

Es ist so: Wer in Deutschland ein Studium beginnt, muss versichert sein. Privat oder gesetzlich. Wer wie ich das Kind von Beamten ist und in einer privaten Versicherung der Eltern mitversichert ist, hat es gut. Für den kann sich für die Zeit des Studiums die weitere Mitgliedschaft in der privaten Krankenkasse anbieten. Die Beamteneltern und ihre Kinder sind nämlich beihilfeberechtigt. Der Staat übernimmt einen guten Teil ihrer Krankheitskosten, so dass die Mitgliedschaft in einer privaten Versicherung relativ günstig ist.

Mit einem Zettel, auf dem mir die private Versicherung meine Mitgliedschaft bestätigt hatte, lief ich daraufhin zu einer gesetzlichen Versicherung. Die stellte mir eine Bestätigung über die Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht aus. Ich konnte mich immatrikulieren. Das Studium verlief ohne weitere Gedanken an das Wort „Versicherung.“

Kompliziert wurde es erst wieder nach der Abschlussprüfung. Für mich stellte sich in dem Moment zum ersten Mal im Leben ernsthaft die Frage: Privat versichert bleiben oder in die Gesetzliche wechseln? Hätte ich einen Job als Angestellte angeboten bekommen, wäre die Antwort leichter gewesen. Wer nach der Uni einen Job in Festanstellung beginnt, muss in eine gesetzliche Versicherung gehen. Versicherungsfrei sein und in die Private wechseln kann eine angestellte Person als Berufsanfänger aber erst dann, wenn sie über 49.500 Euro verdient. Das schaffen die wenigsten. Da ich selbstständig bin, kann ich völlig unabhängig von meinem Einkommen zwischen privater und gesetzlicher Versicherung wählen.

Bastian Landorff von der Verbraucherzentrale Bayern nennt als Vorteile der gesetzlichen Krankenversicherung, dass Familienmitglieder dort kostenlos mitversichert sind und dass der Beitrag einkommensabhängig festgelegt wird: „Wer wenig verdient, zahlt auch wenig Versicherungsbeiträge.“ Kein schlechtes Argument angesichts möglicher Phasen mit geringen Einkünften. Bastian Landorff gibt außerdem zu bedenken, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht grundsätzlich geringer als bei den Privaten sind. „In der Psychotherapie sind Gesetzliche sogar oft besser als Private.“ Einen umfangreichen Zahnersatz leistet die Gesetzliche allerdings nicht. „Da kann sich eine Zusatzversicherung lohnen,“ rät er. Für die Private spricht: Als Kunde kann man sich das Leistungsspektrum meist selber aussuchen. „Man hat also mehr Auswahlmöglichkeiten und auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmte Leistungskataloge,“ sagt Landorff.

Da der Versicherungstarif bei der Privaten von meinem Alter und meinem Gesundheitszustand abhängt und ich jung und gesund bin, würden mich keine all zu hohen Beiträge erwarten. Grundsätzlich gilt: der Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung liegt bei derzeit 575,44 Euro. Bei Arbeitnehmern wird der Beitrag aufgeteilt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wahrscheinlich ist, dass die Beiträge in der gesetzlichen Versicherung in Zukunft steigen werden, auch weil die Auszahlungen an immer mehr alte, kranke Menschen von immer weniger jungen, gesunden Einzahlern gedeckt werden müssen. Allerdings ist eine immer älter werdende Gesellschaft auch für die private Krankenversicherung eine Gefahr.

Die Zeitschrift Finanztest hat die Aussage getroffen, dass wenn man als Mitte Dreißgjähriger in die private Krankenversicherung einsteigt, man mit mindestens einer Verdreifachung des Beitrages bis zum Rentenalter rechnen müsse. Bastian Landorff sagt: „Bedingt durch medizinischen Fortschritt und Preissteigerungen werden im Ergebnis langfristig beide Systeme nicht ohne Beitragserhöhungen auskommen.“ Ich habe mich am Ende für die gesetzliche Versicherung entschieden. Unsicher, ob diese Entscheidung richtig war, bin ich aber immer noch.

Anna Kistner, 29 Jahre, hat schon mal am Telefon eine Versicherungsmaklerin so lange mit Fragen befeuert bis diese vor Ratlosigkeit einfach aufgelegt hat.

Fünf Tipps für Unentschlossene:

1. Die gesetzliche Krankenversicherung passt sich dem Gehalt an und ist damit relativ niedrig, wenn man wenig verdient. Die Koppelung von Beitragshöhe und Einkommen kann oft gerade auf lange Sicht ein Argument sein, sich gesetzlich zu versichern. Wer zudem Mitglied in der Künstlersozialkasse wird, genießt den Vorteil, dass er die Hälfte des gesetzlichen Tarifs erstattet bekommt.

2. Es gibt zwar auch vor allem für Studenten günstige Tarife bei den Privaten. Bastian Landorff von der Verbraucherzentrale Bayern gibt aber zu Bedenken: „Wer nach einem Studium nicht sofort einen Job findet, hat unter Umständen sehr wenig Geld, muss aber ohne Studentenausweis und auf Jobsuche plötzlich den vollen privaten Krankenkassentarif zahlen. Das ist eine unangenehme Situation.“

3. „Es kann riskant sein, in die Private zu wechseln, weil sie vermeintlich billiger ist,“ rät Bastian Landorff. Vor allem sollte man mit „Lockvogelangebote“ für Berufseinsteiger vorsichtig sein, also ein privater Krankenkassentarif für 59 Euro im Monat. Die haben meist besonders hohe Dynamiken (können also schnell sehr teuer werden) und decken wenig Leistungen ab. Wer mehr Leistungen haben will, muss dann oft eine zusätzliche Gesundheitsprüfung machen. Einfacher ist es, gleich einen höheren Tarif zu wählen und falls der zu teuer wird, Leistungen zu streichen.

4. Viele private Krankenversicherungen bieten günstige, abgespeckte Tarife sowie „Basistarife“ an, deren Leistungen denen der gesetzlichen Versicherungen entsprechen. Auch Basistarife steigen im Alter allerdings an. Der Höchstsatz liegt derzeit bei 575,44 Euro. Viele privat versicherte Rentner müssen ihn zahlen. Bei einer gesetzlichen Krankenversicherung wären sie billiger dran.

5. Die Wahl einer Versicherung ist immer auch Geschmackssache und vor allem eine höchst individuelle Angelegenheit. Deshalb: Termin bei einer Verbraucherzentrale ausmachen. Eine Beratung kostet 15 Euro. Wer einen Angebotscheck, also eine Analyse von verschiedenen privaten Angeboten machen will, zahlt noch mal 15 Euro. Das sind beides Investitionen, die lohnen.

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