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Ladi6 And The City

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jetzt.de: Du bist vor ein paar Wochen mit deiner Familie nach Berlin gekommen und hast nun vor, hier den gesamten Sommer zu verbringen. Warum Berlin?
Ladi6: Berlin ist einfach eine Künstlerstadt, die nur so übersprüht vor Kreativität. Es gibt viel freies Denken. Außerdem ist es in Berlin vollkommen normal, nicht normal zu sein – und das ist für einen Künstler natürlich ein toller Nährboden und ein ungemein inspirierendes Umfeld. Hinzu kommt: Das Leben hier ist billig. Was will man mehr?  

Du bist auch auf einem deutschen Label gesignt, nämlich auf "Eskapaden" von Blumentopf-DJ Sepalot aus München. Wie kam das zustande?
Wir haben uns in Australien kennengelernt. Er hat dort ein Konzert von mir besucht und mich im Anschluss auf eine mögliche Zusammenarbeit angesprochen. Kurze Zeit später hat er mich dann in Neuseeland besucht, das Ergebnis ist heute auf seinem 2008er-Album „Red Handed“ zu hören. Seitdem sind wir befreundet. Das Signing auf seinem Label war daher bloß die logische Konsequenz.  

Deine aktuelle Platte heißt „The Liberation Of…“. Was für eine Form der Befreiung ist damit konkret gemeint?
Diese Befreiung umfasst vor allem viele Unsicherheiten, die ich als Teenager mit mir herumgetragen habe. Mir fehlte es an Selbstvertrauen. Ich hätte es damals nie für möglich gehalten, mal ein komplettes Album auf die Beine stellen zu können. Mit dieser Platte habe ich aber all das hinter mir gelassen und sämtliche Erfahrungen der letzten Jahre dort hineingesteckt. Ich habe das Gefühl, im Zuge der Produktion endlich erwachsen geworden zu sein – und das fühlt sich toll an.  

Allerdings hast du in den letzten zwei Jahren auch einige Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Ein Großteil deiner Familie lebt auf Samoa, wo vor anderthalb Jahren ein Tsunami viele Menschenleben gefordert hat. Anfang des Jahres gab es zudem ein starkes Erdbeben in deiner neuseeländischen Heimatstadt Christchurch. Stimmt es, dass du damals auf Samoa vor Ort gewesen bist?
Ja, das stimmt. Das war wirklich die furchteinflößendste Erfahrung, die ich je gemacht habe. Zusammen mit vielen Anderen sind wir buchstäblich um unser Leben gelaufen. Alle in eine Richtung. Selbst alte Frauen mit Gehhilfen. Mein Sohn war damals fünf Jahre alt, um ihn hatte ich unfassbare Angst. Wir haben es zum Glück heil überstanden, aber es hat uns durchaus einige Zeit gekostet, über dieses traumatische Erlebnis hinwegzukommen. Und um ehrlich zu sein: Auch der Umzug nach Berlin hat damit zu tun. Wir wollen endlich all die schlimmen Erinnerungen hinter uns lassen.  

http://www.youtube.com/watch?v=W1dcFzSIe4Y

Auf der Platte gibt es das Stück „Jazmine D.L“, das an deine verstorbene Cousine gerichtet ist. Hat ihr Tod etwas mit diesen Naturkatastrophen zu tun?
Nein, sie war schwer krank. Aber ein anderer Cousin ist bei dem Erdbeben in Christchurch ums Leben gekommen – er ist zerquetscht worden. Diese Hilflosigkeit, mit der solche Naturkatastrophen auf einen hereinbrechen, ist wirklich beängstigend. Dieses Gefühl latenter Angst begleitet einen auf Schritt und Tritt. Dagegen ist man absolut machtlos. 

Deinem Album hört man die schwere Zeit, in der es entstanden ist, aber nicht an. Im Gegenteil: Es wirkt sehr leicht, unbefangen, fröhlich.
Anstatt eine Platte zu machen, die all die Tragik und die Traurigkeit dieser Zeit reflektiert, war es mir einfach wichtiger, das Positive zu würdigen. Ich meine: Uns geht es gut. Wir haben Glück gehabt. So schlimm solche Ereignisse auch sind: Man lernt vermeintliche Selbstverständlichkeiten dadurch mehr zu schätzen.

Ist das auch der Grund, warum „Jazmine D.L“ so unbeschwert wirkt?
Ja. Ich wollte kein langsames, trauriges Stück für sie schreiben, denn das hätte nicht ihrem Wesen entsprochen. Ich trauere darin eben auch nicht um ihren Tod, sondern versuche, durch den Song die Erinnerung an ihre Lebensfreude zu erhalten. Man kann sich zu dem Stück auch bewegen und tanzen, und ich glaube, das hätte ihr gefallen.  

Die Platte ist zusammen mit Parks entstanden, der nicht nur einen Großteil der Produktionen beigesteuert hat, sondern auch dein Freund ist. Das stelle ich mir nicht immer ganz einfach vor.
Wir sind seit neun Jahren zusammen und machen seit sieben Jahren zusammen Musik, insofern sind wir in sämtlichen Bereichen ein eingespieltes Team. Aber klar – wie in jeder anderen Geschäfts- und/oder Partnerbeziehung auch, haben auch wir mal bessere und mal schlechtere Zeiten. Eigentlich ist es jedoch vollkommen unerheblich, in was für einer Art von Beziehung man konkret zueinander steht, denn man muss immer daran arbeiten, damit so etwas funktioniert.  

Ein Geheimrezept habt ihr aber nicht?
Nein. Obwohl: Es gibt eine eiserne Regel, die über allem steht, und die lautet: Family first. Daran halten wir uns, und das funktioniert sehr gut.  

Du nimmst deinen Mann und deinen 6-jährigen Sohn auch immer mit auf Tour. Nach dem typischen Rock’n'Roll-Lifestyle klingt das nicht gerade.
Nein, das stimmt. Aber wir machen das mittlerweile schon so lange, dass wir gar nicht mehr wissen, wie es vorher war. Manchmal lassen wir unseren Sohn aber auch bei Freunden und dann schleicht sich zumindest für ein paar Stunden mal ein Hauch von Rock’n’Roll in unser Leben. Das reicht uns aber auch und dieser Hauch verschwindet dann genauso schnell wieder, wie er gekommen ist.  

Eure Babysitter sind manchmal ja auch nicht ganz unbekannt, so wie Gil Scott-Heron, mit dem ihr mal auf Tour wart.
Ja, das stimmt. Er mag meinen Sohn Philly sehr. Ich erinnere mich noch an eine Situation, in der ein paar Leute aus seiner Band Philly eine Mini-Mundharmonika gegeben und zusammen mit ihm gejammt haben. Das werde ich nie vergessen. Ich meine: Das waren Leute, die schon zusammen mit Dizzy Gillespie gespielt haben. Das war wirklich toll.

Also ist dein Sohn ebenfalls stark an Musik interessiert?
Er sagt immer, er sei es nicht, aber ich glaube, er will das einfach ein bisschen für sich behalten. Er singt, beatboxt und macht Beats auf seinem Nintendo und will das wohl einfach für sich alleine entdecken. Das ist auch ok, man muss schließlich nicht alles mit seinen Eltern teilen. Uns sagt er hingegen immer, dass er Tänzer werden will.  

Eine Sängerin, ein Produzent, ein Tänzer – klingt nach einem gut organisierten Familienunternehmen.
Ja, genau so haben wir uns das gedacht (lacht)!  


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


"The Liberation Of…" von Ladi6 erscheint am 27. Mai auf Eskapaden/Soulfood.

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