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Der virtuelle Mietvertrag

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„Wovon soll unser Blog denn handeln?“ fragt D. mit derselben Stimme, als wollte er sagen: „In welches Viertel sollen wir ziehen?“ Eine grundlegende Entscheidung, bei der wir uns viel Zeit ließen, schließlich kann man sie nicht so schnell rückgängig machen. Das Umfeld entscheidet doch letztendlich über den Erfolg, die Anzahl der Leser und Art der Nachbarn, oder?  

D. möchte in einem Altbau wohnen, ich gebe mich mit einem schlichterem Layout zufrieden. Badewanne oder Dusche? Hintergrundbild oder Header? Gelb, eine Bordüre oder doch einfach weiß lassen? Wo soll der Teppich liegen, wo sollen die Links stehen? Die Hintergrundfarbe wird später sicherlich einmal die Farbe sein, die D. in unserem Wohnzimmer haben möchte. Hellgrau, wie langweilig. Er verdreht oft die Augen, weil es mir wichtig ist, dass jeder Post optisch ähnlich angelegt ist. Ein bisschen Ordnung muss doch sein, oder? Vielleicht deutet das auch nur auf meinen eigentlichen Putzfimmel, der erst in unserer ersten gemeinsamen Wohnung ausbrechen wird. Oh ja, es kann eine ganz neue Seite am anderen entdeckt werden und der Plan für das dunkelbraune Sofa ziemlich schnell verworfen sein.

Fertig mit dem Streichen, geht es an die Inneneinrichtung. Den ersten Eintrag macht man in der Regel noch zusammen, danach bloggt man immer mehr alleine. Der erste Post ist eben genauso aufregend wie das Drapieren der losen Matratze auf dem alten Fußboden: Das erste mehr oder weniger „richtige“ Möbelstück hat seinen Platz gefunden. Alles Weitere wird einfach eingeräumt.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Pärchen- und Freunschaftsblogs gibt es mittlerweile, gefühlt zumindest, genauso oft wie klassische Alleine-Blogs. Dass gemeinsames Bloggen allerdings gar keine harmlose Sache ist, weiß ich erst seitdem ich mit meinem Freund ein eigenes Blog habe. Ich musste feststellen: Eine gemeinsame Seite ist eigentlich wie Zusammenziehen – man sollte es sich gut überlegen. 

Wenn einer etwas alleine macht, hat der andere sofort etwas zu meckern. Übersehende Kommafehler werden zu Haaren im Abfluss, die geposteten Fotos gleichen dem geschmacklosen Poster über seinem WG-Zimmer-Bett. Während man früher noch Fotos ohne jegliche Hintergedanken geschossen hat, bastelt man sich nun jeden Post schon im Kopf zusammen. Kurz gesagt: Man macht Dinge immer mehr für das Blog. Vergleichbar mit einem Flohmarktbesuch, bei dem man sein Augenmerk nun ganz unbewusst ständig auf Lampen und Teppiche richtet.   

Große Probleme verursacht allerdings das Nicht-Bloggen. Um ein Blog muss man sich kümmern, wie um einen streifenfreien Küchenboden. Nicht-Bloggen hat schließlich dieselben Folgen wie Nicht-Putzen: Streit, ein schlechtes Gewissen und kleine Seitenhiebe wie: „Jetzt blogg’ doch mal wieder!“.  

Was passiert allerdings, wenn man Schluss macht? Mädchen können sich oft nicht vorstellen nach einer Trennung noch im selben Bett zu schlafen. Am einfachsten wäre es also das Blog ganz einfach zu löschen. Aber alle Posts verlieren? Das ist mindestens genauso schlimm, wie die Kiste mit den gemeinsamen Fotos unter dem Bett dem Restmüll zu überlassen.

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