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Eine Ehe zu viert

Text: BenUtzBar





In einer WG zu leben ist nur in den ersten Monaten von Rücksicht und Freundlichkeit geprägt.
Dann wird es langsam und doch immer deutlicher zum Krieg und einem Dach.

Anfänglich als süß abgeschüttelte Schwächen der neuen Mitbewohnerin, die nur für ein Jahr in Berlin studiert und aus einem (aus Diskretion hier nicht genannten) Nachbarland stammt, werden mit der Zeit zu konstanten Provokationen.
Wenn die Baguette umhertragende Nuschelfine  zum Beispiel immer und immer wieder den Duschvorhang im Bad auf der falschen Seite hängen lässt, eben auf der des Waschbeckens, damit man, in der eh schon beengten Nasszelle, noch weniger Spielraum bekommt.
Eigentlich wollte man im Bad ja nur schnell seine, im Zeitraum der Wohngemeinschaft komischerweise immer weniger gewordenen, Kleidungsstücke in die Waschmaschine werfen.
Muss jedoch hier angekommen feststellen, dass die Waschmaschine durch die, im Zeitraum der Wohngemeinschaft komischerweise immer größer gewordene, Armee an dunklen Boxershirts, T-Shirts und Socken des männlichen Mitbewohners blockiert wird.
Bei neumodischen Geräten ist dann schon mal der Timer aktiviert, sodass die Maschine bis zum kommenden Morgen 9Uhr verriegelt bleibt, um dann gerne auch, in der Eile der frühen Stunden, vergessen zu werden und erst am folgenden Abend, nach einer erneuten Reinigung versteht sich, weiterverabreitet werden kann.

Die weiblichen Mitbewohnerinnern werden nicht Müde, ihre beste, und gleichzeitig verwirrendste, Waffe gegen die Untertanen einzusetzen, ihren Feminismus.
Sie schwanken dann von der taffen und selbstbewussten Feministin: "Ne, ich krieg den Wein schon alleine auf und mach dir doch selbst was zu futtern!" auch mal innerhalb weniger Minuten, zur schwächlichen,  hilfsbedürftigen Prinzessin: "Kann einer von euch Kerlen mal endlich meinen alten Kleiderschrank auseinandernehmen und in den Keller schleppen oder muss wirklich ich Mädchen das machen!"
Mit den 2 Frauen, ist auch ein Putzplan in die WG gezogen, der nach anfänglichem belächeln und später strinktem befolgen, nun eher als Schlachtplan zu bezeichnen ist.
Obwohl die drei Bereiche (Flur, Küche, Bad) pro Woche jeweils von einer anderen Partei zu reinigen sind, wird die Verantwortlichkeit innerhalb dieser Woche gut ein dutzend mal hin- und hergeschoben.
Das Vertrauen, dass wenn der eine sein Häckchen auf der Liste macht, eben dieser Bereich sicher nun auch sauber sei, erlosch schneller als der Glaube daran, dass sich  bei Alltagsgegenständen wie Klopapier, Butter, Toastbrot oder Seife, eine Liste zu führen sicher als unnötig herausstellen wird.

Auch gemeinsame Gespräche am Küchentisch, um eben diese Kleinigkeiten ansprechen zu können, erweisen sich nur als finaler Funke ins Pulverfass.
Wenn zwei Mitbewohner die Frechheit haben zu behaupten, sie seien doch diejenigen, bei denen Klamotten fehlen, Nahrungsreserven vernichtet werden und keinerlei Dankbarkeit aufkommt, wenn sie 8 Wochen hintereinander für Klopapier-Nachschub sorgen.
Während drei der vier Debattierenden sich im Dreieck beschuldigen, spricht die Froschschenkelfresserin auf einmal nur noch ganz gebrochenens deutsch, worauf jeder sich wieder in sein Lager zurückzieht um weitere geplante Gemeinheiten, wie zufällige Alltagsmissgeschicke aussehen zu lassen.

Doch all diese kleine, aufgestaute Wut, verpufft ganz einfach, wenn einer der Drei, an die Zimmertür klopft, um einem eine Hühnersuppe ans Krankenbett zu bringen; auf ein gemeinsames Bier in der Küche einzuladen; oder einfach fragt wie denn der Tag so war.
Denn am Ende hocken wir alle eigentlich nur aufeinander, um jemanden zu haben über den man sich aufregen kann.

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