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"Das hat mich ein Stück weit desillusioniert"

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"Zum Glück habe ich im  Rahmen meiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter meine „Unschuld“ bisher nicht verloren. Aber ein Erlebnis, das mich ernüchtert hat, gibt es: die vor Kurzem geführten Verhandlungen im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag zu der Reform der Grundsicherung. Ursprünglich hatte das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung beauftragt, die Hartz-IV-Regelsätze insbesondere im Hinblick auf die Kinder zu überprüfen. Der Bundestag stimmte der gesetzlichen Neuordnung zu, der Bundesrat lehnte ab, also kam es zu einem Vermittlungsverfahren, was gängige und gute Praxis unserer Demokratie ist. Doch plötzlich, in einem Tempo, das mich als jungen Politiker sehr erstaunt hat, ging es nicht mehr nur um die Kinder und den Regelsatz, sondern auch um Mindestlöhne, Equal-Pay, Schulsozialarbeiter und Kommunalfinanzen. Diese Themenkomplexe, die in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit der Ausgangsfrage standen, wurden von der Opposition „hinein verhandelt“ und der Bund musste sich einen Kompromiss schließlich teuer erkaufen. Natürlich ist mir bewusst, dass Politik in einer Demokratie auf Kompromissen basiert. Aber dennoch hat es mich ernüchtert, zu erkennen, dass sie aktuell immer mehr in Form von Maßnahmen-Paketen ohne inhaltlichen Zusammenhang gestaltet wird, um so einen Konsens zu erzielen. Meiner Meinung nach darf der Föderalismus nicht dazu führen, dass sich der Bundestag seinen politischen Handlungsspielraum mit finanziellen Zugeständnissen erkämpfen muss. Als Jurist empfinde ich es so, dass hier Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit stark voneinander abweichen. Dieses Vorgehen hat mich ein Stück weit desillusioniert, zumal es mich ärgert, dass aufgrund der daraus resultierenden Zusatzausgaben in Milliardenhöhe für andere wichtige Projekte wie zum Beispiel die Reform der Kommunalfinanzen jetzt die Mittel fehlen."

Zum einführenden Text der Geschichte "Das Ende der Unschuld" geht es hier. Zur Übersicht mit den 20 Abgeordneten, die über ihre Ernüchterung in der Politik erzählen oder schreiben, kommst du hier.

Text: jetzt-Redaktion - Illustration: Katharina Bitzl

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