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"Wir wissen, dass unser Antrag wieder niedergestimmt wird"

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"Politik verlangt von Ihnen die Aufgabe einer bestimmten Individualität. Sie müssen für andere handeln. Insofern verändert sich ihr Denken: Sie gehen den Weg vom Ich zum Wir. Ich glaube zum Beispiel, Guttenberg ist den Weg vom Ich zum Wir nie gegangen und letztlich daran gescheitert. Mit Selbstverwirklichung hat Politik dann natürlich nichts mehr zu tun. Als Oppositionspolitiker müssen Sie ständig auf das reagieren, was die Regierungskoalition vorlegt. Gestern haben wir in der Fraktion einen Antrag verabschiedet: Sofortiges Abschalten der sieben alten Meiler und bis 30. April das Abschalten aller Atomkraftwerke. Wir wissen natürlich, dass unser Antrag sehr wahrscheinlich wieder von allen Fraktionen niedergestimmt wird. Diese Erfahrung machen wir seit 2005. Aber es geht um die Ideen, die der Antrag enthält. 2005 haben wir Anträge zum Mindestlohn gestellt. Uns ist gesagt worden, das ist eine Idee von Narren. Heute redet jede Fraktion über den Mindestlohn. Diese Erfahrung finde ich ganz spannend. Sie finden keine Mehrheit, aber das Thema erledigt sich nicht. Plötzlich stellen andere den ähnlichen Antrag neu. Da gibt es in unserer Fraktion oft Enttäuschung: „Die nehmen uns das Thema weg!“ Ich finde das hervorragend. So funktioniert Demokratie. Einer hat die Idee zuerst, die anderen werden davon überzeugt. Mit diesen Erfahrungen müssen Sie leben und sie müssen sie positiv sehen, nicht als Ernüchterung. Wir müssen uns nichts vormachen: Wir als Linke mit 12 Prozent Anteil im Bundestag, wir werden in diesem Land nie auf 50 Prozent kommen. Weil das so ist, müssen wir unsere Rolle akzeptieren. Wir sind darauf angewiesen, dass andere unsere Vorschläge aufnehmen."   

Zum einführenden Text der Geschichte "Das Ende der Unschuld" geht es hier. Zur Übersicht mit den 20 Abgeordneten, die über ihre Ernüchterung in der Politik erzählen oder schreiben, kommst du hier.


Text: jetzt-Redaktion - Illustration: Katharina Bitzl

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