Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

„Ich werde nie wieder in den Iran reisen können“

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Im Sommer 2009 demonstrieren hunderttausende Iraner in Teheran gegen den Wahlbetrug Ahmadinedschads. Die friedlichen Proteste wurden brutal niedergeschlagen, Blogger und Journalisten verhaftet und gefoltert. Der Regisseur Ali Samadi Ahadi hat in seinem Film The Green Wave Handyfilme und Blogeinträge aus dieser Zeit mit der fiktiven Geschichte zweier iranischer Demonstranten verknüpft. Samadi wurde 1972 im Iran geboren und kam als Jugendlicher nach Deutschland. Für seine Dokumentation „Lost Children“ wurde er 2006 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.  „The Green Wave“ läuft am 24. Februar in deutschen Kinos an. Es ist der erste Kinofilm zur sogenannten grünen Bewegung im Iran.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



jetzt.de: Wie hat es sich angefühlt, in Deutschland zu sein, während im Iran 2009 die Proteste gegen Ahmadinedschad losgingen?
Ali: Ich war wie gelähmt. Ich sah die Proteste und deren Niederschlagung, aber ich konnte nichts machen. Ich habe Zeit gebraucht, bis ich die Ereignisse so verdaut hatte, dass ich dachte, ich möchte nicht nur reagieren, sondern auch agieren. Ich will nicht nur vor dem Rechner sitzen, auf Facebook, Twitter oder im Netz nach noch mehr brutalen Bildern suchen.

Da fiel dann Deine Entscheidung, diesen Film zu machen?
Die Filmemacher im Iran stehen so dermaßen unter Druck, dass sie nicht arbeiten können. Meine Aufgabe im Ausland ist es, die Informationen aus dem Iran nicht abreißen zu lassen. Filmemacher sind, wie alle Künstler, die Augen und Ohren der Gesellschaft. Ich kann den Menschen im Iran widerspiegeln, was von den Ereignissen bei mir angekommen ist. Durch diesen Spiegel kann dann eine Diskussion entstehen.  

Wird der Film denn im Iran zu sehen sein?
Fast alle ausländischen Filme sind im Iran verboten und trotzdem zu bekommen. Der Film wird seinen Weg in den Iran finden.  

Weißt Du wer sich hinter den Blogeinträgen und Handyvideos, die Du verwendest, jeweils verbirgt?
Nein, ich kenne diese Menschen nicht persönlich. Die arbeiten alle mit Synonymen. Es wäre für sie zu gefährlich ihre wahre Identität preiszugeben. Wir haben zum Beispiel Blogeinträge einer Journalistin verwendet, die ins Gefängnis gesteckt wurde. Sie ist später gezwungen worden, ihren Blog komplett zu löschen, so wie viele andere auch. Es bedeutet eine wahnsinnige Verantwortung, dieses Material einzusetzen.

Der Film ist vollständig im Exil entstanden. Hattest Du während der Entstehung inhaltliche und kreative Begleitung aus dem Iran?
Fast alle Menschen, die in dem Film zu Wort kommen, waren an den Protesten im Iran beteiligt. Ich war selber im April 2009 das letzte Mal im Iran. Dementsprechend habe ich schon ein Gefühl für die Ereignisse dort. Im Iran habe ich niemandem erzählt, dass wir den Film machen werden, weil ich niemanden gefährden wollte. Der Film ist in absoluter Geheimhaltung entstanden.  

http://vimeo.com/15597714 

Welches Risiko bedeutet der Film für Dich selbst?
Sehr viele aus unserem Produktionsteam sind iranischstämmig. Uns war sehr klar: wir werden nicht wieder in den Iran reisen können, solange dieses System an der Macht ist. Dieses Opfer haben wir sehr gerne auf uns genommen, weil wir das Gefühl hatten, wir sind den Menschen im Iran dazu verpflichtet.    

Als Du Deinen Film am Sonntag bei der Vorpremiere in München gezeigt hast, war die Stimmung im Saal emotional sehr aufgeladen.  
Die Erwartungen, die die Menschen an diesen Film haben sind riesig. Auch meine eigenen Erwartungen. Der Film soll Millionen Menschen eine Stimme geben. Jetzt kann ich spüren, dass das Publikum den Film annimmt. Und mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen.  

Bei der Münchner Vorführung waren viele Iraner im Publikum. Was bedeutet der Film für die Exilgemeinde?  
Die Ereignisse 2009 haben plötzlich alle Menschen zusammen geführt. Auf einmal war der Begriff Heimat auch für Exil-Iraner mit einer Bedeutung gefüllt, mit der sie sich identifizieren konnten. Ich hoffe, dass dieser Film und die Verarbeitung der Ereignisse 2009 dazu führen, dass Menschen mit den unterschiedlichsten Ansichten unter dem Dach des Kinos zusammenfinden und anfangen sich miteinander auseinanderzusetzen.    



Text: nadia-pantel - und Lena Kempft

  • teilen
  • schließen