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Politikberatung aus der zweiten Reihe

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Jetzt.de: Bis der Wissenschaftliche Dienst im Zusammenhang mit dem Plagiatsvorwurf von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in Verbindung gebracht wurde, hat man nur wenig oder gar nichts über den Dienst gehört. Können Sie kurz beschreiben, was Sie genau machen?
Jörg Krämer: Die wissenschaftlichen Dienste sind dazu da, die Abgeordneten des Deutschen Bundestags zu unterstützen und ihnen bei der Bewältigung ihrer parlamentarischen Kontrollfunktion behilflich zu sein. Konkret heißt das, dass wir von den Abgeordneten angefragt werden können, Informationen zu einem bestimmten Sachverhalt zu erarbeiten. In welcher Form wir die Informationen den Abgeordneten zukommen lassen, sprechen wir mit ihnen ab. Das kann von einer telefonischen Unterrichtung bis zur schriftlichen Ausarbeitung gehen. Was wir nicht machen ist Forschung. Wir stellen höchstens den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammen.  

Wie ist der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags aufgebaut?
Es gibt elf Fachbereiche, in die sich der Wissenschaftliche Dienst gliedert. Diese decken inhaltlich die Ausschüsse im Bundestag ab. Das ist einer der Hintergründe für die Schaffung des Wissenschaftlichen Dienstes. Wir unterstützen die Abgeordneten, die einem riesigen Verwaltungsapparat in den Ministerien gegenüberstehen. Der Wissenschaftliche Dienst soll dieses Ungleichgewicht etwas ausgleichen.   

Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich konkret?
Der Fachbereich, in dem ich arbeite, beschäftigt sich mit Geschichte, Zeitgeschichte und Politik.  Wenn zum Beispiel ein Abgeordneter sich auf eine Ausschussreise vorbereitet, kann er sich an uns wenden. Vor zwei Jahren wollte ein Abgeordneter vor einer Reise nach Thailand mehr wissen über die Auseinandersetzungen in Thailand und die Ursache der Gewalt. Darüber habe ich eine Ausarbeitung von 15 Seiten für ihn angefertigt. So kann sich der Abgeordnete knapp informieren.  Außerdem betreuen wir in unserer Abteilung auch die Parlamentspreise, wie den Medienpreis und bereiten Reden zu zeitgeschichtlichen Themen vor, beispielsweise für den Bundestagspräsidenten.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


In der Nähe des Reichtstags in Berlin sitzen die rund 65 Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Diensts und fertigen Ausarbeitungen für die Abgeordneten an. 

Wie viele Arbeiten fertigen Sie pro Jahr an?
Im ganzen Jahr komme ich wohl auf sechs bis zehn Ausarbeitungen. Darüber hinaus liefern wir sogenannte „Aktuelle Begriffe“. Wir werden selbst tätig, wenn wir das Gefühl haben, dass bestimmte Themen für die Abgeordneten interessant werden könnten. Das sind dann zwei Seiten, die sich mit einem aktuellen Thema befassen. Vor zwei Jahren gab es zum Beispiel sehr viele Gedenktage rund um die Gründung der Bundesrepublik 1949 und den Mauerfall 1989, zu denen wir „Aktuelle Begriffe“ geliefert und allen Abgeordneten zur Verfügung gestellt haben.    

Welchen Umfang haben die Arbeiten für die Abgeordneten?
Der Umfang sollte vor allem so sein, dass ein Abgeordneter schnell einen Überblick über ein Thema bekommt. Ich persönlich halte 20 Seiten für angemessen, meistens lande ich bei 10 bis 15 Seiten. Genau kann man das nicht sagen. Wichtig ist, dass sich der Abgeordnete schnell einen Überblick über ein Thema verschaffen kann. Und zwar einen Überblick, der politisch neutral und sachstark ist.  

Wenn ein Abgeordneter bei Ihnen eine Ausarbeitung in Auftrag gibt, bekommt er diese aber zunächst exklusiv, oder?
Ja, sie steht dem Abgeordneten erst einmal exklusiv zur Verfügung. Nach vier Wochen können aber auch andere Abgeordnete auf Anfrage die Arbeit bekommen. In der Praxis ist es meist so, dass Abgeordnete auf ihr Exklusivrecht verzichten, wenn andere Abgeordnete an der gleichen Thematik interessiert sind.  

Welche Quellen stehen Ihnen für die Recherche zur Verfügung?
Wir haben mit der Parlamentsbibliothek des Deutschen Bundestags die drittgrößte Parlamentsbibliothek der Welt. Die unterstützt uns natürlich in allererster Linie. Das gilt nicht nur für Literatur sondern auch für Datenbankrecherchen. Es gibt eine Anlaufstelle, die Hotline W, die unsere Aufträge von den Abgeordneten koordiniert und auch Datenbankrecherchen durchführt. Außerdem können wir auch das Archiv des Deutschen  Bundestags nutzen.  

Wie wird man denn Mitarbeiter beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags?
Wie so viele Berufsbilder und Karrieren verläuft das nicht stringent. Ich habe in Bonn Geschichte und Sozialwissenschaft auf Lehramt studiert und nach dem ersten Staatsexamen in Politik promoviert. Schon während des Studiums habe ich Praktika im Deutschen Bundestag gemacht. Nach der Promotion habe ich sieben Jahre für einen Abgeordneten des Deutschen Bundestags in Berlin gearbeitet, bevor ich mich beim Wissenschaftlichen Dienst beworben habe. Voraussetzung dafür ist grundsätzlich ein Hochschulabschluss.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Was reizt Sie an Ihrer Arbeit?
Es ist eine sehr vielfältige Arbeit. Es mag sich trocken anhören, Ausarbeitungen zu schreiben, aber die Bandbreite der Themen ist natürlich gewaltig. Unsere Arbeit bildet, jede Woche lernt man inhaltlich etwas dazu.  

Ist es nicht schwierig, immer in der zweiten Reihe zu stehen und keine öffentliche Anerkennung für seine Arbeit zu bekommen?
Das ist glaube ich in der Politikberatung so üblich und letztendlich sind wir nichts anderes als eine Politikberatung, die ein Abgeordneter in Anspruch nehmen kann. In dem Moment, wo man zuarbeitet, bleibt man eben der Zuarbeiter und nicht derjenige, der es verkauft. Wir arbeiten in den meisten Fällen auf Anfrage zu. Bei aktiven Informationen, die auf unsere Initiative entstehen, taucht der Name des Verfassers aber durchaus auf. Und auch bei Auftragsarbeiten weiß der Abgeordnete natürlich, wer die Ausarbeitung für ihn gemacht hat. Der Wissenschaftliche Dienst spielt in der Öffentlichkeit keine bedeutende Rolle, aber dafür sind wir auch nicht da. Wir wollen die Abgeordneten unterstützen und zwar mit parteipolitisch neutraler Arbeit.  

Wer darf die Arbeit des Wissenschaftlichen Diensts in Anspruch nehmen?
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Es ist ein mandatsbezogener Dienst. Über Umwege bekommen wir natürlich unter anderem Fragen von Bürgern auf den Tisch, die einem Abgeordneten beispielsweise eine zeitgeschichtliche Frage stellen. Wir liefern dann den Antwortentwurf für den Abgeordneten. Aber Auftraggeber sind immer Mandatsträger. Insgesamt erstellen wir für die Abgeordneten rund 500 Ausarbeitungen pro Jahr. Jährlich bearbeiten wir 2000 bis 3000 Anfragen.  

Für welche Zwecke dürfen Abgeordnete die Informationen des Wissenschaftlichen Diensts verwenden?
Für ihre Arbeit als Abgeordnete. Sie können die Informationen verwenden, wenn sie sich auf einen Vortrag vorbereitet, aber auch, wenn sie mit einem Bürger ein Thema erörtern wollen. In den allermeisten Fällen teilen uns die Abgeordneten auch mit, zu welchem Zweck sie die Dienste brauchen.  

Grundsätzlich dürfen die Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes also nicht für Anlässe außerhalb ihrer Tätigkeit als Mandatsträger des Deutschen Bundestags verwendet werden?
Das liegt in der Verantwortung des Abgeordneten, aber dann auch mit allen Konsequenzen. Es muss mandatsbezogen sein und Ausarbeitungen dürfen nicht so ohne weiteres an die Öffentlichkeit weitergegeben werden.

Text: stefanie-heiss - Illustration: Katharina Bitzl, Foto: dpa

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