Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Besser sehen: 20 Berlinale-Filme, die man im Auge behalten sollte

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

1. Jordaeiye Nader az Simin:
Seit dieser Film im Wettbewerb lief, war das Rätseln um den Gewinner des goldenen Bären für viele bereits gelaufen. Nicht nur, dass es ein iranischer Film ist (im Vorfeld der Berlinale sollte der iranische Regisseur Jafar Panahi in die Wettbewerbsjury berufen werden, wurde aufgrund seiner systemkritischen Filme jedoch ins Gefängnis gesperrt – der Bären-Gewinn ist daher auch ein politisches Zeichen, eine Solidaritätsbekundung). Aber der Film ist auch wirklich gut. Handwerklich, inhaltlich, ästhetisch. Ein Werk, das mit minimalen Mitteln ein Maximum an Effekt zu erzielen weiß. Regisseur Asghar Farhadi zeichnet in „Jordaeiye Nader az Simin“ ein sehr trauriges, aber ungemein realistisches Bild vom Leben im Iran, das in seiner ausweglosen Direktheit wirklich zu Herzen geht. Verdienter Berlinale-Gewinnerfilm 2011.  

2. True Grit:
Die 14-jährige Hailee Steinfeld spielt in der Neuauflage eines alten Western-Klassikers ein durchsetzungsstarkes Mädchen, das mit der Hilfe des kauzigen Marshalls Cogburn (Jeff Bridges) und dem Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon) den Mörder ihres Vaters sucht. Die beiden Coen-Brüder haben mit dem 10-fach-Oscar-nominierten „True Grit“ das Kunststück fertig gebracht, auf der einen Seite der amerikanischen Western-Tradition treu zu bleiben, gleichzeitig aber auch sich selbst. Bissiger Humor und eruptive Gewalt treffen auf eine tolle Geschichte und epische Bilder. Bester Eröffnungsfilm seit Jahren.  



3. Sing Your Song/Mama Africa/Black Power Mixtape 1967 - 1975:
Eine Art Dreigestirn bilden die drei Dokumentationen „Sing Your Song“, „Mama Africa“ und „The Black Power Mixtape 1967 - 1975“. Anhand des schwarzen Bürgerrechtlers Stokeley Charmichael sowie den beiden Musiker-Legenden Miriam Makeba und Harry Belafonte belegen die drei Werke auf beeindruckende Weise die enge Verknüpfung von Kunst und Kritik, Mut und Musik, Pop und Protest.
 
4. Utopia Ltd.:
Regisseurin Sandra Trostel begleitet die Hamburger Jung-Punks von 1000 Robota hinter die Kulissen des Platten-Business. Eine Dokumentation, die davon erzählt, wie eine aufstrebende Band in die klebrigen Fänge des Musik-Geschäfts gerät und fast daran zerbricht. Ein unterhaltsamer und gleichzeitig nachdenklich stimmender Film über Ideale, Moral und das Aufbegehren der Jugend.  

5. Almanya:
Schon beim Wort „Integrationsdebatte“ bekommt man mittlerweile Pickel. Der Sarrazinismus der letzten Monate hat eindeutig Spuren hinterlassen. Umso höher ist es den beiden Schwestern Yasemin und Nesrin Samdereli anzurechnen, dass sie mit „Almanya – Willkommen in Deutschland“ nun einen Film zum Thema abgeliefert haben, der einem statt Quaddeln bloß ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Eine beschwingter, moderner Heimatfilm über einen Gastarbeiter und seine Familie, die in den 60er Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind.  

6. Margin Call:
Das Regiedebüt von JC Chandor ist ein packend-verdichteter Wirtschafts-Thriller über den Ausbruch der internationalen Finanzkrise. Der junge Analyst Peter Sullivan stellt eklatante Fehler im Geschäftsmodell seiner Firma fest und leitet damit einen weltweiten wirtschaftlichen Supergau ein. Hochgradig besetzt mit Leuten wie Kevin Spacey, Jeremy Irons, Demi Moore und Paul Bettany, bringt „Margin Call“ hochkomplexe Ökonomie auf den Punkt. So spannend können die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre sein.  

7. The Guard:
Beim titelgebenden Guard handelt es sich um den irischen Polizisten Boyle (Brendan Gleeson), ein vom Leben enttäuschter Idealist und Zyniker, der sich gemeinsam mit dem FBI-Agenten Everett (Don Cheadle) auf die Suche nach ein paar Drogenschmugglern macht. Die Stärke des Films liegt vor allem im grandiosen Zusammenspiel der beiden Hauptdarsteller sowie den zahlreichen humoristischen Ellenbogenhieben von Regisseur und Drehbuchautor John Michael McDonagh. Skurriles Cop-Kino.

8. Dernier Étage Gauche Gauche:
In der französischen Komödie „Dernier Étage Gauche Gauche“ von Angelo Cianci wird ein Gerichtsvollzieher unversehens in der Wohnung eines kleinen Drogendealers als Geisel genommen. Daraus entspinnt sich eine hanebüchene Geschichte, die aus dem krassen Gegensatz zwischen tragischer Realität in den französischen Banlieues und ihrer dezidierten Absurdität jedoch das bestmögliche Resultat erzielt. Der tobende Applaus bei der Berlinale-Premiere sprach für sich.  

9. The Big Eden:
Rolf Eden. Der letzte Playboy Deutschlands. Der peinlichste Berliner. Und wohl der einzige 81-jährige, dessen unbändige Libido ein schier unerschöpflicher Quell an Lebensfreude zu sein scheint. Er ist ein geldgeiler Macho und sexsüchtiger Egozentriker. Trotzdem ist es kaum möglich, Rolf Eden nicht zu mögen, wenn man diesen Dokumentarfilm über ihn gesehen hat. Denn er ist auch großzügig, ehrlich und zu allen Menschen wahnsinnig nett. Ach so: Und wenn er beim Geschlechtsakt stirbt, bekommt seine Beischläferin 250.000 €, weshalb sich seine Mätressen jetzt besonders viel Mühe geben. Clever ist er nämlich auch.

 

10. Les Femmes du 6ème Etage:
Eine Liebesgeschichte, in der sich ein älterer, leicht unbeholfener Großbürger (Fabrice Luchini) in ein junges und ungemein hübsches spanisches Dienstmädchen (Natalia Verbeke) verliebt. Auf dem Weg dorthin klettert der Großbürger zudem aus seinem goldenen Käfig, legt sämtliche Vorurteile gegenüber dem „gemeinen Volk“ ab und fängt an zu leben. Zwar möchte man es kaum wahr haben, dass dieses junge und ungemein hübsche spanische Dienstmädchen tatsächlich etwas mit diesem alten, aber sehr sympathischen Knacker anfangen will, doch mit seinen feinen Dialogen und seiner sensiblen Erzählweise ist „ Les Femmes du 6ème Etage“ durchaus ein gelungener Film fürs Herz.  

11. Toast:
Nach einem Bestseller des Gourmetjournalisten Nigel Slater erzählt „Toast“ vom Heranwachsen eines Jungen, der bereits im Kindesalter der Kulinarik verfällt. Inhaltlich durchaus ein ernster Film, der aufgrund der grandiosen Performance von Helena Bonham Carter jedoch eine charmante Skurrilität an den Tag legt, ohne dabei albern zu wirken. Lediglich das Ende ist ein wenig unbefriedigend – aber vielleicht spielte dabei auch bereits der Gedanke an eine mögliche Fortsetzung eine Rolle.  

12. The King’s Speech: 
Gestern noch exklusiv auf der Berlinale, heute bereits im Lichtspielhaus um die Ecke. „The King’s Speech“ ist nach einhelliger Meinung der absolute Oscar-Favorit und besticht mit einem wahren schauspielerischen Kabinettstückchen von Colin Firth als stotterndem König George VI. Der penetrante Hype um den Film nervt zwar ein bisschen, aber was hilft’s? „The King’s Speech“ ist ein unglaublich unprätentiöser und unglaublich perfekter Film, über den es keine zwei Meinungen gibt.  

13. The Future:
Miranda July ist der Liebling sämtlicher Feuilletons von hier bis Kalkutta. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an ihren neuen Film „The Future“, der bereits im Vorfeld von Festival-Chef Dieter Kosslick zu dessen Liebling erklärt wurde. Es geht darin um die Lebenskrise eines Pärchens in den Mit-Dreißigern. Und ein krabbelndes T-Shirt. Und eine sprechende Katze. Die Reaktionen sind geteilt. Die einen finden ihn befremdlich, nervig und langweilig, die anderen wunderbar, leichthändig und bezaubernd. Die Antwort liegt, wie immer, wohl irgendwo dazwischen.  

14. Wer wenn nicht wir:
Ein Film über die Vorgeschichte der RAF. Ein Film, der ins „Ursachendickicht“ vordringt, wie Regisseur Andres Veiel erklärt hat. Basis ist die Liebesbeziehung zwischen Gudrun Ensslin (Lena Lauzemis) und Bernward Vesper (August Diehl), und wer sich für das Thema interessiert, kommt durch eine kraftvolle, distanzierte und erkenntnisreiche Inszenierung sicherlich auf seine Kosten. Allerdings merkt man, dass Regisseur Andres Veiel ursprünglich vom Dokumentarfilm kommt. Der ein oder andere zusätzliche Spannungsbogen hätte dem Film durchaus gut getan.  



15. Lollipop Monster:
„Lollipop Monster“ ist nichts für Anhänger von Struktur-Kino, so viel steht mal fest. Der Debütfilm der Berlinerin Ziska Riemann ist eine überzeichnete Mixtur aus ernsthaftem Jugenddrama und quietschbuntem Popstraktum. Ein filmisches Experiment über die Freundschaft von Ari und Oone, in der den Elementen Musik, Animation und Sex eine gewichtige Rolle zukommt. Sehr mutig, sehr frei, sehr polarisierend.  

16. Vampire:
Mit einem nahezu spektakulär zu nennendem Einfallsreichtum bei der Betitelung seines Werkes legt Regisseur Iwai Shunji mit „Vampire“ einen weiteren Beweis dafür ab, dass das Blutsaugergenre noch lange nicht tot ist. Der Vampir, um den es geht, ist jedoch Menschenfreund und sucht sich seine Opfer auf Selbstmordseiten im Internet. Glücklicherweise ist „Vampire“ kein Film für pubertierende Schulmädchen geworden, sondern ein zutiefst eigenständiges Werk, das durch unerwartete Stilwechsel, spannende Umdeutungen des Vampirmythos und hoher Sensibilität für die Ursprünge des Genres besticht.  

17. Tomboy:
Die 10-jährige Laure zieht mit ihren Eltern um und wird von den Kindern in der neuen Nachbarschaft prompt für einen Jungen gehalten. Laure ergreift die Gelegenheit beim Schopf und wird kurzerhand einen Sommer lang zu Mikael. Regisseurin Céline Sciamma erzählt ihre Geschichte unaufgeregt, warm und leichtfüßig, was beim einem Film mit Transgender-Sujet zunächst überraschen mag – schlussendlich aber wunderbar aufgeht. Vielleicht läuft „Tomboy“ ein wenig an der Realität vorbei, aber was macht das schon, wenn ein solcher Film dabei herauskommt.  

18. Here:
In „Here“ treffen sich zwei Individualisten, starten eine Romanze und ziehen durch Armenien. Ein Roadmovie über zwei Einzelgänger, mit denen man sich gemeinsam auf eine Suche begibt: Nach Bildern, nach Orten, nach Heimat und – natürlich – nach sich selbst. Beeindruckend ist vor allem, wie sehr sich das bereiste Land in den Gefühlen seiner Protagonisten widerspiegelt. Ein toller Film, der ein klassisches Thema behandelt, ohne dabei in die übliche Klischee-Falle zu treten.  

19. Tropa De Elite 2 – O Inimigo Agora É Outro:
Der erste Teil hat 2008 im Wettbewerb noch den goldenen Bären gewonnen, die Fortsetzung lief hingegen nur in der Nebenreihe „Panorama“. Und das, obwohl das Sequel noch besser ist als sein Vorgänger. Weniger Polizeithriller, als vielmehr eine Dokumentation in Spielfilmform, die den brutalen Drogenkampf in Rio de Janeiro thematisiert. In Brasilien ist „Tropa De Elite“ der erfolgreichste Film aller Zeiten geworden. Zu recht.  

20. Submarine:
Der nerdige und äußerst eloquente Oliver ist der Erzähler seiner eigenen Coming-Of-Age-Geschichte, wobei er ziemlich altklug die Probleme seiner Eltern und seiner pyromanischen Freundin analysiert. Viele skurrile Charaktere, viele gelungene Gags und viel Ironie lassen „Submarine“ zu einem wahren Potpourie der guten Laune heranwachsen. Teenager-Tamtam as its best.

Text: daniel-schieferdecker - Bilder: Berlinale 2011

  • teilen
  • schließen