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Die Vermessung des Urbanen - bitte was?

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jetzt.de: Am Wochenende findet in Tutzing eine Tagung der Urbanauten unter dem Thema "Die Vermessung des Urbanen 3.0 - Zwischen realen und virtuellen Räumen" statt - was kann ich mir unter diesem doch recht sperrigen Titel vorstellen?
Benjamin David: An dem Wochenende werden Vorträge gehalten und Projekte vorgestellt, die sich mit dem Spannungsfeld realer vs. virtueller öffentlicher Raum beschäftigen. Viele Menschen haben das Gefühl, dass sich gerade durch das "Internet in der Hosentasche" in Form von Smartphones, aber auch durch Kommunikationsformen wie Twitter der öffentliche Raum und das Leben stark verändert haben. Die Einen sehen darin eine große Gefahr, andere begrüßen es als neugewonnene Freiheit. So richtig fassen kann man allerdings nicht bisher, worin diese Veränderung eigentlich liegt. Vielleicht ist sie revolutionär, wie die Erfindung des Buchdrucks, vielleicht ist es aber auch viel weniger dramatisch. Mit solchen Fragen wollen wir uns am Wochenende beschäftigen. Das "3.0" kommt einfach da her, dass es unsere dritte Veranstaltung dieser Art ist.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



jetzt.de: Diesen Raum zwischen Realität und Virtualität bezeichnet ihr als "Zwischenraum" - kannst du das anhand eines konkreten Beispiels erläutern?
Benjamin David: Ein Beispiel wäre das Projekt "Memory Loops" von Michaela Melián. Dabei handelt es sich um ein virtuelles Denkmal an die Nazizeit in München. Anstatt allerdings wirklich ein weiteres Denkmal aus Beton irgendwo hinzusetzen, hatte die Künstlerin die Idee, an 300 Orten in München Plaketten mit kleinen Nummern anzubringen. Ruft jemand diese Nummer an, wird eine Tonspur abgespielt, die über die NS-Zeit informiert. Das ist eine völlig neue Form des Gedenkens. Mittlerweile wird das Projekt von der Stadt München gefördert, anfangs meinte man allerdings, dass so etwas nie funktionieren würde. Nun hat man erkannt, dass junge Menschen Medien nun einmal anders nutzen, als die älteren Generationen. So verschmilzt der reale mit dem virtuellen Raum. Der Begriff "Zwischenraum" für diesen Zustand ist von uns Urbanauten ausgewählt worden, kann natürlich aber auch diskutiert werden. Neben vielen weiteren Projekten wird auch Frau Meliàn ihre Arbeit bei der Tagung vorstellen.

jetzt.de: Die Urbanauten sind insbesondere mit ihren Flashmobs auch durch die Medien gegangen. Wie hängt das zusammen - Flashmob und Zwischenräume?
Benjamin David: Unser Gedankenanstoß für die Idee mit dem Schwarm, war eigentlich die grüne Revolution im Iran. Mithilfe von Twitter hatte man sich dort zu Demonstrationen verabredet und so virtuell etwas im realen Raum erschaffen. So etwas wollten wir auch schaffen und kamen dabei auf die Schwärme. Diese treffen sich scheinbar spontan und flüchtig, sind jedoch bestens organisiert. Unser Schwarm damals funktionierte mithilfe von SMS und Twitter, heute wäre das dank Smartphones sogar noch weniger aufwendig zu organisieren. Ein besonders passendes Bild ist vielleicht, wie wir mit einem Schwarm die Sicherheitszone des US-Konsulats gestürmt haben, um dort Walzer zu tanzen.
Hier haben wir den öffentlichen Raum mit Hilfe des virtuellen Raums kurzfristig verändert und einen Ort der sozialen Begegnungen geschaffen, wo sonst keine Kommunikation möglich gewesen wäre.

jetzt.de: Hofft ihr auf ein konkretes Ergebnis am Ende der Tagung?
Benjamin David: Natürlich hoffen wir, dass die Tagung nur ein Anstoß zu einer Reihe weiterer Diskussionsprozesse und Projekte ist. Es wird einfach spannend werden, wie die völlig unterschiedlichen Gäste am Wochenende das Phänomen Zwischenraum beobachten und bewerten. Eine Referentin zum Beispiel, Frau Dr. Christane Thalgott, geht auf die siebzig zu und wir aus ihrer Erfahrung als Stadtbaurätin in München über die europäische Stadt 2.0 berichten. Die Frau hat zuvor viel Zeit damit verbracht, sich von ihren Neffen und Nichten Facebook erklären zu lassen und sich so in hohem Alter noch in das Thema eingearbeitet. Für die jungen Besucher ist Facebook wiederum eine Selbstverständlichkeit, sie leben da für die Älteren in einer unbekannten Parallelwelt. Hier hoffen wir natürlich auf eine spannende Diskussion. Aber eine allumfassende Antwort auf das Phänomen der Zwischenräume werden wir an diesem Wochenende wohl nicht finden.

jetzt.de Und was denkst du persönlich? Sind relevante Veränderungen im öffentlichen Raum durch das Internet zu bemerken?
Benjamin David: Als ich im Sommer an der Bavaria vorbeigeradelt bin, haben gerade mehrere hundert Leute auf der Theresienwiese scheinbar spontan eine Party gefeiert. Über Facebook kann man solche Verantstaltungen ja mittlerweile einfach organisieren. Eigentlich ist München ja eine Stadt, die stark von Verkehr geprägt ist und in der es kaum Leerstände gibt. Wenn dann auf einmal bei einem Leerstand solche öffentlichen Treffpunkte entstehen, finde ich das auf jeden Fall bemerkenswert.

"Die Vermessung des Urbanen 3.0" beginnt am 14. Januar. Für Tagesgäste sind noch Plätze frei, wer übernachten will, muss sich allerdings selbst ein Hotel im Umkreis suchen.
http://www.die-urbanauten.de
http://www.urbanaut.org

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