Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Ein Liebestext auf das letzte Jahr - und dich

Text: frauP
Du sagst, an dem Abend hätte ich dich so angeschaut. Wie denn? frage ich.
Na, so eben. Du guckst mich an. Ich gucke zurück. Ja und?
Na so eben. Wie denn? Na, eben interessiert.
Aber ich interessiere mich nunmal für das, was du sagst. Ja, aber du hast mich so angeguckt, wie dass ich dich küssen soll.
-Und dann hast du mich deshalb geküsst?
Mhmm.

Insofern war es ja gar nicht deine Schuld, an diesem Abend nach zuviel Gintonic. Dass ich plötzlich wach wurde, also wach war ich ja, aber dass mir plötzlich auffiel: Frau P, du knutschst gerade deinen besten Freund vom Barhocker runter.

Und wie ging es dann weiter? frage ich begeistert. Denn ich gebe ja vor mich nicht erinnern zu können. Kann ich auch nicht,  also nicht wirklich.
Der Rest ist, dass ich dann bei dir übernachten musste, weil ich meinen Schlüssel vergessen hatte. Natürlich.

Am nächsten Morgen lagen wir dann im Bett und kicherten. Und abwechselnd zog sich mein Bauch zusammen - Panik. Trotzdem habe ich deine Hand genommen und gesagt: Was auch immer ist, wir sind doch viel zu gut befreundet, als dass etwas kaputt gehen könnte. Wir können immer miteinander reden.
Ich hab dich nach Hause gebracht und dann geheult.
Eine Woche habe ich mich nicht gemeldet. Am Vorabend der Hochzeit meiner Freundin lag ich in der Badewanne und glaubte, ich hätte dich verloren.
Ich sprang aus dem Wasser und schrieb dir eine SMS: Wir sind doch Freunde.

Eine erleichterte Antwort von dir: Und ich freue mich so unglaublich darauf weiterhin so viele tolle Sachen mit dir zu erleben.


Das war der Frühling.
Der Sommer war lang.

Wir saßen viel in Biergärten und dazwischen versuchte ich nicht an dich zu denken. Ich versuchte diesen ersten Kuss, an den ich mich nicht erinnern konnte, zu ignorieren.
ich versuchte, nicht daran zu denken, dass unsere Häuser nur zwei Straßen auseinander stehen, wie es wäre, wenn.

Am Tag als du dein Diplom bekamst, sollte ich für die Zeitung einen Gangsterrapper treffen.
Ich war nervös. Ich hatte Angst vor dem Interview. Da ich erst 48 Stunden vorher davon erfuhr und die Zeit bis dorthin mit Vorbereitung draufging, vergaß ich, deinetwegen aufgeregt zu sein.

Wir hatten uns mehrere Wochen nicht gesehen, und ich fragte mich, wie es sein würde, dich im Anzug zu sehen, bei so einem Termin.
Ich bin an dem Abend früh nach Hause gegangen. Ich war wütend, weil sich nichts verändert hatte.

Immer noch Sommer. Ich war oft weg und dann lag ich wieder auf deinem Sofa und jammerte. Ich wollte aufhören irgendwen zu küssen, nur weil sich die Gelegenheit ergab. Wir waren Freunde.


An meinem Geburtstag hast du mich abgeholt. Und ich merkte wieder, dass ich nervös war. Unsere Füße berührten sich auf der Picknickdecke in der Dunkelheit zwischen den anderen. Selbstverständlich gingen wir allein in die andere Richtung. Küssten uns, mitten auf der Straßenkreuzung, sobald der letzte verschwunden war.
Ich schlief neben dir ein, und sagte: Ich mag nicht mehr ohne dich.

Das war der Sommer.
Der Herbst kam direkt danach.

Wieder hatten wir uns mehrere Tage nicht gesehen. Wieder kam ich in deine Küche, voller Gedanken, die weitab von Freundschaft waren.
Du hast mich gefragt, ob ich enttäuscht sei. Ich war wütend und habe ein Glas fallen lassen.

Ich rief nicht mehr an.
Ich schrieb keine SMS mehr.
Ich wollte dich nicht mehr sehen.
Ich ging auf Parties, von denen ich wusste, dass du nicht dortsein würdest.

Endgültig, ich wusste es: Da war nichts.

Vier Tage später lief ich im Supermarkt in dich hinein. Du hast für uns beide eingekauft und dann gekocht. Ich wollte nicht mehr gehen.
Ich sagte: Du hast die Hosen voll.

Du hast nichts gesagt, nur geschaut.
Aber dein trauriger Blick hat aufgehört und du hast nicht mehr hilflos gewirkt, wenn ich dich wütend angeschaut habe.

Der Winter kam Ende Oktober. Morgens hast du meinen letzten Mantelknopf zugemacht. Und da wusste ich, du wartest abends darauf, dass das Licht in meinem Fenster angeht.



 





Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: