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Foto: marqs / photocase.de

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Neulich war ich bei meinem alten Freund Johannes, genannt Hannes, eingeladen. Wir hatten uns lange nicht mehr gesehen, aber immer mal telefoniert, deswegen wusste ich ganz gut Bescheid. Seine Beziehung zu Helena, genannt Lena, hatte vor einem halben Jahr mit einem ziemlichen Knall geendet, inklusive Zeug per Postpaket an den anderen zurückschicken und auflegen, wenn die Eltern des anderen noch mal des guten Willens wegen anrufen.

Als Grund wurden damals von Lena eine ganze Menge Kleinigkeiten angeführt, die schließlich in einem "Du weißt nicht was du willst, und das ist für mich nach drei Jahren zu wenig"-Vorwurf kulminierten. Hannes war also sechs Wochen lang ziemlich zerstört, dann stürzte er sich in seine Arbeit und fuhr schließlich mit seinem Bruder drei Wochen in die Südsee. Ich erwartete ihn jetzt auf dem Weg der Besserung und tatsächlich wirkte er ausgeglichen und zufrieden in seiner perfid großen Wohnung.

Als ich beim zweiten Bier in seiner Küche saß und gerade dachte, langsam wären wir auf dem Weg Richtung Herzscheiße, klingelte es an der Tür. Ach, das ist vielleicht Lena, sagte Hannes und wich meinem überraschten Blick aus. Es war Lena. Lena mit Dessert. Ich war einigermaßen gehemmt, weil ich als Gastgeschenk natürlich eine Riesenportion Anti-Lena-Haltung mitgebracht hatte. Hannes und sie verhielten sich vollkommen normal, nicht wie frisch Verliebte, nicht wie frisch Getrennte. Sie erklärten sich nicht, ich fragte nicht nach, so sprachen wir an diesem Abend lange über Japan und unterschiedliche Grippesymptome. 

Es war seltsam, allerdings offenbar nur für mich. Ein paar Tage später telefonierten Hannes und ich, da hielt ich es für angebracht, ihm zur geglückten Wiedervereinigung zu gratulieren. Er seufzte und sagte so was wie: Achnaja. Was folgte, klang nicht wie "Das große Glück Teil Zwei", sondern war eher ein gemurmeltes Banalitätengeständnis: Sie hatten sich getroffen, weil sie noch zusammen auf einer Hochzeit eingeladen waren, dabei dann zu viel getrunken, doch wieder ins Bett, dann zwei Wochen nicht gesehen, dann beide eines Abends sehr einsam & sehr emotional und drei Tage durchgevögelt und seitdem jeden Abend wieder Gute Nacht gewünscht, Kino etc. Also nicht offiziell wieder zusammen, meinte Hannes zum Schluss. Eher einfach weiter wie bisher, nur ohne Krach. Er fand wenigstens selber, dass das komisch klang.

Mir wäre das Hannes-Lena-Sonderabkommen ja fast egal, wenn nicht in meinem Bekanntenkreis innerhalb eines Jahres vier ganz ähnliche Fälle eingetreten wären. Alles Paare, die man eigentlich nie mehr zusammen sehen sollte, die aber trotzdem ständig wieder zusammen hängen. Bei den einen hat sich die Liebe in eine freundschaftliche Notgemeinschaft verwandelt, um den kalten Winter irgendwie zu überbrücken. Andere haben bald nach Ende ihrer Acht-Jahre-Beziehung festgestellt, dass sie eigentlich nicht mehr recht kompatibel mit anderen Menschen sind bzw. niemanden zum Weggehen haben. Also gehen sie wieder zusammen weg, weisen sich pro forma gegenseitig auf lohnende Partien hin, gehen aber letztlich doch lieber gemeinsam heim. Zusammen auf Abruf, gewissermaßen. Zum Schluss ist da noch mein Cousin, der zufällig in der Nachbarschaft wohnt und den ich deswegen, im Vergleich zu meinen anderen Cousins, unverhältnismäßig gut kenne. Er hat sich, ganz klassisch, für eine andere von seiner Dauerfreundin losgemacht. Genoss drei Monate Freiersfüße und Singlefreuden, um schließlich festzustellen, dass er für beides nicht der Typ ist. Es traf sich gut, dass seine Ex ähnlich frustriert vom freien Markt zurückkam, jetzt sitzen sie wie zwei Weitgereiste nebeneinander auf der Bank und bestätigen sich nonverbal darin, dass es daheim doch am Schönsten sei.

Herrgott, irgendwie zermürben mich diese Restwärme-Beziehungen – und zwar nicht nur, weil man als Dritter nie genau weiß, woran man nun mit den beiden ist, ob man selbstverständlich beide einladen und seine Sympathien wieder vom eigentlichen Freund auf den Stop-and-Go-Partner ausdehnen muss. Es ist auch an sich eine mickrige Definition von Liebe, die sich hier verbreitet und gegen mickrige Liebesdefinitionen kämpfe ich mit Schwert und Flamme. Liebe muss immer frisch geerntet werden und ist nun mal kein Blaukraut, das aufgewärmt besser schmeckt.

Ich habe nichts gegen die altbekannte Hoffnung vom "Freunde bleiben", auch wenn ich nicht kapiere, wie das eigentlich geht. Dazu war ich nach Trennungen immer zu verletzt, zu nachtragend und zu selbstmitleidig, vielleicht auch zornig oder stolz, auf jeden Fall vorher immer viel zu heftig verliebt. Aber wie soll dann erst das Prinzip Partner bleiben funktionieren? Niemand muss mir erzählen, dass man sich nach einer Trennung doppelt einsam und dreifach verletzlich fühlt und ständig ausmalt, wie schön es sein könnte, wenn nicht dieser ganze Mist passiert wäre. Aber soll man deswegen so tun, als wäre der ganze Mist nicht passiert – Augen zu und Neustart drücken? Augen auf und blitzdingsen? Der alte Mist gärt doch vorm Fenster! Es ist, als wäre man mit dem Auto gegen einen Baum gefahren, rausgeschleudert worden und dann hockt man sich gleich wieder rein und hört Radio, weil es so gemütlich ist.

Natürlich kann man sich in einer Beziehung streiten und wieder vertragen, soll man sogar unbedingt. Aber das ist was anderes als dieses reumütige Zurückkehren, lange nach dem eigentlichen Streit und nur, weil man auf die Schnelle kein besseres Leben gefunden hat oder sich vom Schicksal ein bisschen verbellt fühlt. Haben wir denn vor lauter Sicherheitssehnsucht das Rückgrat beim Altkleidercontainer entsorgt? Können wir uns wirklich nichts anderes vorstellen, als diese eine kleine Erinnerung an eine Liebe? Bitte nicht, denn für ganz okaye Zweckgemeinschaften sind wir doch alle noch zu jung. 

Falls das mit der Restwärme-Beziehung nichts mehr ist, gibt's hier den Trennungsguide:

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