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„In der Szene selbst muss die Hölle abgehen“

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Wenn Liebe wirklich durch den Magen geht, dann müsste sogar in einem Thunfisch-Toast Leidenschaft enthalten sein können. Klingt kompliziert? Nicht für Nora Tschirner. Die 29-Jährige spielt in der neuen Kino-Romanze „Bon Appetit“ eine Sommelière, die sich beim Essen verliebt. Mit jetzt.de redet die Berlinerin über ihre eigenen Küchenqualitäten (Stichwort Thunfischtoast) und über die Schwierigkeiten, die bei Filmküssen auftreten können. jetzt.de: In deinem neuen Film geht es um Freundschaft, Liebe und Essen. Die obligatorische Einstiegsfrage muss demnach lauten: Geht Liebe durch den Magen? Nora Tschirner: Keine Ahnung. Ich habe diesen Satz noch nie ganz verstanden. Was soll das denn heißen? Ich koche was Tolles, der Andere mag das und denkt dann: „Man, was ‘ne dufte Alte!“? jetzt.de: Im Film gibt es eine Szene, in der dein Filmpartner Unax Ugalde aus Spaghetti, zwei Eiern, einer Orange und Minzbonbons ein leckeres Gericht bereitet und damit dein Herz gewinnt. Nora: Es ist natürlich immer schön, wenn sich jemand um einen sorgt und etwas kocht. Aber hier geht es vor allem um die Kreativität, die er an den Tag legt. Er macht das Unmögliche möglich, zaubert etwas aus dem Nichts. Abgesehen davon strahlt es aber durchaus auch eine Sinnlichkeit aus, wenn jemand ein Gefühl für Geschmack hat – egal, in welchem Bereich. jetzt.de: Hast du das Gericht denn tatsächlich mal probiert? Nora: Spinnst du?! Ich esse doch nichts, was der Unax kocht (lacht)! Nein, es gibt es den alten Requisiteurs-Spruch: Wer Requisiten isst, schleppt auch Komparsen ab. Requisiten aufessen ist sehr verpönt. Das kommt vor allem daher, dass man Requisiteure stets zur Weißglut treiben kann, wenn sie eine Schale Erdnüsse auf Anschluss halten müssen, aber jeder vom Team erst einmal kräftig hineinlangt. Insofern: Wenn man nicht wirklich eine Ess-Szene hat, lässt man Requisiten in der Regel unangetastet. jetzt.de: Dann hat dich am Film also nicht der Umstand gereizt, am Catering vermutlich gutes Essen vorzufinden? Nora: Um ehrlich zu sein: Doch (lacht). Am Film selbst fand ich jedoch vor allem die leisen Zwischentöne spannend. Da treffen sich zwei seelenverwandte Menschen, die sich darüber klar werden müssen, was das für sie heißt. Müssen sie jetzt zusammen sein? Oder doch besser befreundet? Das fand ich interessant.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Fühlst du dich denn privat in der Küche wohl? Nora: Ja, sehr – solange ich nicht kochen muss (lacht). Ich habe kein großes Koch-Repertoire, aber ich mag Einkaufen, Lebensmittel und den Prozess des Kochens sehr gerne. Ich kann dir aus einem abgeschabten Gullideckel und einer Kugelschreibermine zwar leider kein Sternegericht zaubern, aber ich mache super Thunfisch-Toastbrote. jtzt.de: Du spielst im Film eine Sommelière. Hast du einen besonderen Bezug zu Wein? Nora: Nein. Ich vertrage Wein nicht besonders gut und habe daher kein besonderes Faible dafür. Durch meine kleine Sommeliére-Ausbildung habe ich jedoch einen etwas sensibleren Gaumen bekommen. Ob so ein Wein am Ende nach Eberesche oder Eber schmeckt, kann ich zwar immer noch nicht auseinanderhalten, aber mein Geschmacksempfinden ist definitiv besser geworden. Momentan drehe ich gerade in Frankreich, und die Franzosen sind echt die Geilsten: Dort ist durch die Gewerkschaft vertraglich festgelegt, dass beim Mittagessen pro Person eine bestimmte Menge Rotwein am Set vorhanden sein muss. Und zwar nicht bloß irgendein popliges Tetrapack-Gesöff, sondern Wein mit einer Mindestqualität. Das finde ich total lässig. jetzt.de: Der Regissseur des Films, David Pinillos, hat gesagt, du hättest eine Schönheit, die in sich selbst ruht und sehr persönlich wirkt. Nora: Ja, so sehen mich nämlich die Spanier! Daran sollen sich die Deutschen ruhig mal ein Beispiel nehmen. Ich habe zwar keine Ahnung, was genau er damit meint, aber ich finde, es klingt ganz toll und sage: Danke. jetzt.de: Gibt es denn Momente, in denen du in dir selbst ruhst? Nora: Na klar. Merkt man das nicht? Das passiert aber weniger in öffentlichen Momenten, sondern eher privat. Am Set selbst allerdings auch meist, weil man sehr konzentriert arbeitet. jetzt.de: Das klingt ja fast so, als wäre so ein Set für dich ein Ort der Geborgenheit. Nora: Das ist es auch. Am Set ist jeder wie der Andere, da gibt es keine Starallüren oder dergleichen. Man ist sehr bei sich und hat gar keine Zeit, irgendwelche Profilneurosen zu pflegen. Set-Arbeit ist wirklich das Unglamouröseste, was es gibt. Und das ist wahnsinnig angenehm. jetzt.de: In einem Interview anlässlich des Films „FC Venus“ hast du mal gesagt, dass es für dich unheimlich schwierig war, authentische Kuss-Szenen zu drehen, weil du dich dafür mit Christian Ulmen viel zu gut verstanden hast. Wie war das bei „Bon Appetit“? Nora: Ich habe mich auch mit meinem Filmpartner Unax Ugalde super verstanden. Aber mit Christian hatte ich zuvor einfach schon zu viele anders geartete berufliche Erfahrungen gemacht. Wir haben uns ständig gegenseitig aufgezogen, haben rumgestichelt, da lief viel über Sarkasmus und Ironie. Und wenn man dann plötzlich so einen ganz wahrhaftigen Moment miteinander spielen muss, ist das erstmal sehr absurd und komisch. Mit Unax war das jedoch etwas anderes, weil wir beide in erster Linie als Schauspieler ans Set kamen und nicht als Freunde. Das hat gleich hervorragend geklappt. jetzt.de: Was ist denn das wichtigste bei so einem Filmkuss? Nora: Mir ist immer wichtig, dass man ein totales Vertrauensverhältnis zueinander hat. Und das beinhaltet auch, dass es zwischen den Takes nicht knistert. In der Szene selbst muss natürlich die Hölle abgehen, aber danach muss man auch wieder auf die Erde zurück kommen. Mir setzt als Schauspielerin nichts mehr zu, als wenn der Mann nach der Kuss-Szene sagt: „Och, schade. Schon vorbei?“ Da kriege ich echt ‘nen Fön und kann dann auch keinen geraden Satz mehr spielen. jetzt.de: Dann sind Kuss-Szenen aufgrund der unvermeidbaren Intimität also immer schwierig zu spielen? Nora: Nein, nicht unbedingt. Wenn man sich extrem gut versteht und Berufliches und Privates voneinander trennen kann, geht das ohne Probleme. Dann kann man Kuss-Szenen auch wunderbar proben, dann entsteht etwas. Es darf am Ende bloß nicht zu technisch und verkopft aussehen, denn dann wird es langweilig. Man braucht nichts spielen, was nichts erzählt. Bei jedem Filmkuss muss eine nonverbale Kommunikation stattfinden, die den Zuschauer mit einbindet. Einen Kuss zu zeigen, der nichts transportiert, ist bloßer Voyeurismus. jetzt.de: Im Film „Keinohrhasen“ hast du Til Schweiger geküsst. Dem würde man so ein „Och, schade. Schon vorbei?“ ja zutrauen. Nora: Nein, gar nicht. Bisher hat er mich jedenfalls nicht angegraben. Ich weiß auch nicht, was da los ist. Aber es gibt ja vielleicht noch einen dritten Teil, bei dem er das dann wieder gutmachen kann (grinst). „Bon Appetit“ mit Nora Tschirner läuft ab dem 25. November in den deutschen Kinos.

Text: daniel-schieferdecker - Foto: Warner

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