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Da steckt ein USB-Stick in der Mauer!

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Wirst Du jetzt auch USB-Sticks in Berlin einmauern? Das ist schon der langfristige Plan. Aber ich muss ehrlich sagen, ich bin von dem Interesse rund um die Dead Drops etwas überrumpelt worden. Wieso? Erzähl mal. Ich habe letzte Woche die Sticks in New York verteilt und am Abend bevor ich zurück nach Berlin geflogen bin, habe ich einen Eintrag in meinen Blog geschrieben, sozusagen als Preview auf mein Projekt. Das hat sich dann aber so rumgesprochen, dass die Preview jetzt schon das Projekt ist. Was planst du denn noch? Es soll noch mehr Orte geben und natürlich möchte ich, dass auch andere mitmachen und selber Sticks im öffentlichen Raum einmauern. Was ist denn auf drauf auf den Sticks, die du in New York verbaut hast? Die Sticks sind leer. Es ist eine Readme.txt-Datei drauf, in der aber nur das steht, was man auch in meinem Blog lesen kann: eine kurze Anleitung und Erläuterung der Idee. Mehr nicht. Was darüber hinaus mit dem Stick passiert, ist den Leuten überlassen, die ihn nutzen. Was kannst du dir denn vorstellen? Ich lasse mich da überraschen. Natürlich geht es nicht darum, das neue Britney-Spears-Album zu sharen, sondern um kreative Ideen. Am New Museum habe ich einen Stick eingelassen, da kann man vielleicht seine Kunst da lassen. Ein Freund von mir, der Musik macht, kam auf die Idee, sein neues Album auf diesem Weg zu verbreiten. Und hast du Sorgen, dass jemand die Sticks missbraucht? Natürlich könnte jemand alles löschen, was auf die Sticks geladen wird. Aber noch einfacher wäre es, das Ding abzuknicken. Das gehört dazu – wie eben diese Sicherheitsfrage, ob denn da keine Viren drauf sind. Aber genau das interessiert mich in meinen Arbeiten: Der Unterschied zwischen dem, wie wir uns im öffentlichen Raum des Internet verhalten und wie wir uns auf der Straße verhalten. Wie meinst du das? Jeder von uns nutzt USB-Sticks, reicht sie rum und denkt nicht wirklich darüber nach, ob da jetzt Viren drauf sind oder nicht. Wenn dieser USB-Stick nun im öffentlichen Raum irgendwo in der Wand steckt, denkt jeder plötzlich: „Das ist wie einen Drogenspritze.“ Gleichzeitig lauert hinter jedem Mausklick im Netz Gefahr, die vermutlich viel größer ist. Gibt es denn irgendwelche rechtlichen Bedenken bei den Dead Drops? Anfangs habe ich gedacht, ich bohre Löcher in Wände und zementiere die Sticks da ein. Das ist aber gar nicht nötig, man findet genügend Ritzen, in die man den Stick einbauen kann. Aber natürlich könnte jemand kommen und sagen: Das darfst du aber nicht. Verglichen mit einem Graffiti ist das aber ja eher ein kleiner Eingriff. Und auf der technischen Tauschebene? Ich kann mir nicht vorstellen, dass solch einzelne Sticks Bedeutung als wirkliche Tauschbörse Bedeutung erlangen könnten. Darauf ist es auch nicht angelegt, es ist in erster Linie ein künstlerisches Projekt, das mit den Themen Filesharing und Spionage spielt – immerhin heißt „Dead Drop“ auf deutsch “toter Briefkasten“. Eine andere Interpretation des öffentlichen Raums ... Genau. Es geht mir vor allem um die Umkehrung des Prinzips der Vernetzung. Wer an den Dead Drops teilnehmen will, muss das genau umdrehen. Er muss an den Ort gehen, wo der USB-Stick steckt, muss den Computer an die Wand dranhalten und nicht wie sonst, den Stick in den Computer stecken. Und das Besondere dabei ist, dass man natürlich nicht weiß, was man dann findet. Und außerdem finde ich die Geste sehr gut, wie jemand mit seinem 2000 Euro Laptop an der Bordsteinkante steht und nach etwas sucht, was toll sein könnte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dieses Bild ist sehr stark. So verstehen plötzlich alle, wie das Internet funktioniert. Als Lehrstück war es nicht geplant. Mir ging es darum, Dinge so einfach wie möglich zu machen. Und der Knackpunkt ist eben, den USB-Stick, den man sonst zu einem Rechner bringt, festzumauern und dadurch quasi zeitlos zu machen. Man muss sich selber zu der Datenquelle hinbegeben. Das ist das Gegenteil dessen, was wir jetzt schon erleben und was auch die Zukunft bringen wird. Die Daten werden künftig irgendwo in der Cloud im Netz liegen. Das iPad zum Beispiel hat gar keinen USB-Port mehr. Stattdessen werden andere die Hoheit über unsere Daten haben und wenn man es übertreiben will könnte man sagen: Der USB-Stick ist so was wie die letzte Instanz der Datenfreiheit. Der Stick macht diese abstrakte Datenfragen greifbar. Das stimmt. Andererseits lenkt es aber natürlich auch ab. Bei den Daten-CDs mit Steuersünder-Dateien sieht man das ganz schön. Da heißt es dann in den Nachrichten immer: Jemand habe den Behörden diese CD verkauft und habe sie jetzt nicht mehr. Aber natürlich geht es überhaupt nicht um die CD und wenn der eine sie nicht mehr hat, heißt das ja nicht nicht, dass sie dann weg wäre. Daten sind kopierbar in alle Richtungen und das ist im Kern ja das Problem bei all den Urheberrechtsfragen und der Digitalisierung: dass alles überall gleichzeitig sein kann. Damit spielen die Dead Drops und das finde ich interessant. Wie geht es jetzt weiter mit dem Projekt? Ich würde mir wünschen, dass es Leute gibt, die selber Dead Drops einrichten. Nachmachen ist sehr erwünscht und ich werde alle Dead Drops sammeln und die Punkte in einer Karte darstellen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Foto: Jan & Emily Dixon, andthewardrobe.co.uk Mehr über das Projekt gibt es in Arams Blog und mehr Fotos in seinem Flickr-Account. Mehr über Filesharing gibt es im Themenschwerpunkt Urheberrecht auf jetzt.de

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