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Interview mit einem Vampir

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jetzt.de: Du hast mal gesagt, dass du Vampire sexy findest. Worin liegt deren Sexyness? Jennifer Ulrich: Vampire sind vergleichbar mit den Sirenen bei Odysseus: In ihrer äußeren Erscheinung perfekt, symbolisieren sie das Verbotene. Und das Verbotene ist immer spannend und sexy. Aber kann es sein, dass diese erotische Komponente nur bei weiblichen Vampiren zum Tragen kommt? Man hört zumindest selten davon, dass jemand Dracula sexy findet. Erotik wird eben meist über den weiblichen Körper vermittelt – und im Blutsauger-Genre gerne auch mal durch lesbische Vampirfrauen. Diese Schieflage mag nicht unbedingt richtig sein, hat sich aber gesellschaftlich so entwickelt. Frauen werden immer erotischer bewertet als Männer. Dabei mögen viele Frauen doch geheimnisvolle Typen. Männliche Vampire bringen trotzdem nur selten Frauenherzen zum Schmelzen. Woran hapert es? Ich bin mir gar nicht sicher, ob das wirklich so ist. Als Brad Pitt einen Vampir gespielt hat, hatte der auch seine Verehrerinnen. Vampirmänner sind ja per se sehr maskulin, und diese Seite finden bestimmt viele Frauen anziehend. Frauen mögen Typen, die über allem schweben – gerne auch mal im wahrsten Sinne des Wortes. Vampirfilme vermitteln häufig das Gefühl, dass der Wunsch nach Sexualität mit dem Tode bestraft wird. Eigentlich keine sonderlich schöne Vorstellung, oder? Ich glaube, es ist vor allem die Maßlosigkeit, die bestraft wird – in der Sexualität, beim Töten, bei was auch immer. Es ist das Zuviel, das gesühnt wird.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jennifer Ulrich Die Maßlosigkeit wird aber doch oft erst im „Leben“ als Vampir zelebriert. Ja, das stimmt. Vielleicht könnte man es als Moral sehen. Alles Verbotene hat seinen Preis. Ich muss mein Leben geben, um frei und maßlos das tun zu können, was ich gerne tun will. Im Film werden die Vampire zur Maßlosigkeit regelrecht verführt: Luxus, ewiges Leben, Autarkie. Ist diese Art der Verführung Teil der Erotik? Natürlich. Auch das gehört zu den Dingen, die sich viele Leute für ihr eigenes Leben ersehnen. Viele wünschen sich eben, reich zu sein, mehr Geld zu haben und alles tun und lassen zu können, wonach ihnen gerade der Sinn steht. In Berlin gibt es doch auch den Spruch: „Arm, aber sexy.“ Finanzieller Wohlstand wird ganz bewusst neben Sexyness gestellt; für viele Leute gehört das zusammen. Vor allem in deiner Branche. Ja, leider. In einem Bereich, in dem viel Geld fließt, gibt es eben immer auch Leute, die entsprechend damit umgehen. Die gerne damit prahlen und sich dadurch besonders schön und sexy fühlen. Dabei verdienen die meisten Schauspieler gar nicht so viel, wie die Leute immer denken.

Vampire erobern andere Menschen und spiegeln in gewisser Weise auch die tierische Seite der menschlichen Seele wider. Außerdem hat das Vampirdasein viel mit dem Konflikt zwischen Sünde und Moral zu tun. War es euch wichtig, das auch in eurem Film aufzugreifen? Wir haben vor allem versucht, die Vampire immer menschlich genug zu gestalten, damit ihr Handeln nachvollziehbar bleibt – gerade in emotionalen Dingen. Wir wollten aufzeigen, dass es gleichzeitig Fluch und Segen ist, ein Vampir zu sein. Natürlich ist es wunderschön, Dinge tun zu können, die man vorher nie für möglich gehalten hätte wie fliegen oder an der Decke laufen zu können. Auf der anderen Seite ist man als Vampir aber auch wahnsinnig einsam. Viele Leute, denen man begegnet, verliert man auf der Strecke. Man ist auf sich allein gestellt. Dennis Gansel, dein Freund und gleichzeitig der Regisseur des Films, hat in einem Interview gesagt, dass ihm durch den Dreh bewusst geworden ist, dass die Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher Sexualität gar nicht so groß sind, wie oftmals angenommen wird. Ist das eine Erkenntnis, die du ebenfalls aus den Dreharbeiten mit nach Hause genommen hast? Viele Leute denken eben, dass Frauen anders mit Sexualität umgehen als Männer. Im Endeffekt finden Frauen und Männer jedoch häufig dasselbe sexy – sie reden bloß nicht darüber. Zumindest nicht miteinander. Ich erinnere mich daran, wie Dennis Nina Hoss bei einer Kuss-Szene mit Karoline Herfuth gefragt hat, ob der Kuss für sie nachvollziehbar sei. Darauf hat Nina geantwortet: „Klar. Ich finde sie schließlich geil, also küsse ich sie doch.“ Diese Offenheit von Nina hat Dennis überrascht. Ihm war nicht klar, dass Frauen das so deutlich aussprechen – der „Sex And The City“-Effekt. Hast du mit Dennis darüber gesprochen, wie die Zurschaustellung von Sexualität im Film aussehen soll? Hat er dich nach deiner weiblichen Sichtweise gefragt? Wir wollten keine übertriebene, aber eine omnipräsente und subtile Erotik haben. Es gibt ein paar Küsse, aber keinen Sex zwischen den Frauen. Das wäre zu viel gewesen, und darum geht es im Film auch nicht. „Wir sind die Nacht“ handelt nicht davon, wie Frauen ihre Sexualität ausleben, sondern wie eine Vampirin seit 300 Jahren verzweifelt nach ihrer wahren Liebe sucht und nun glaubt, sie in einem Menschen gefunden zu finden. Das ist der innere Kern des Films und darum dreht sich unsere Entdeckungsreise. Darum, was es bedeutet, ein Vampir zu sein; mit allem Luxus, aber eben auch mit allem Verzicht. Vielleicht klingt es ein bisschen plump: Aber hängt diese erotische Komponente bei Vampiren deiner Meinung nach auch damit zusammen, dass beißen und saugen im weiten Feld der Sexualität ebenfalls eine große Rolle spielen? Wahrscheinlich. Viele Leute empfinden den Biss eines Vampirs durchaus auch als sexuelles Erlebnis. Für viele hat das etwas mit totaler Hingabe zu tun. Ich weiß nicht, ob ich diese Einschätzung in dieser Form teile, aber der Biss eines Vampirs ist natürlich ein starker physischer Moment. Man geht einen Schritt weiter als beim Knutschfleck, und der kann schließlich auch durchaus sexy sein. Gerade weil der Hals eine sehr empfindliche Region des Körpers ist, an der es viele sensible Punkte gibt. Der Hals ist ein sexy Körperteil, der bei Vampiren natürlich sehr stark in Szene gesetzt wird. Du hast in einem Interview gesagt, dass du dich für deine Rolle der Charlotte an Angelina Jolie orientiert hättest, dem Sexsymbol der Jetzt-Zeit. Welche Parallelen siehst du zwischen ihr und deiner Figur? Angelina Jolie ist einfach Sex pur. Für meine Rolle habe ich mich vor allem an ihrer Figur in „Wanted“ orientiert. In dem Film spielt sie eine Frau, die auf der einen Seite durchaus warmherzig ist, auf der anderen Seite aber ohne mit der Wimper zu zucken plötzlich fünf Leute umbringen kann. Diesen Bruch zwischen einer sehr sinnlichen Frau und einer eiskalten Killerin habe ich auch in meiner Rolle gesehen. Lieblich und monströs zugleich. Vampire haben kein Spiegelbild. Wäre das für dich als Frau das eigentliche Horrorszenario? Das stelle ich mir auf jeden Fall komisch vor. Was das wohl mit dem Selbstwertgefühl macht? Sich nie selbst sehen zu können, das fände ich schon schlimm. Nicht, weil ich sonderlich eitel wäre, aber weil man gar keine Ahnung davon hätte, wie das eigene Äußere auf Andere wirken wird. Die Wirkung bekämst du doch durch die Reaktion deines Gegenübers mit. Vielleicht wäre das Fehlen eines Spiegelbilds auch eine immense Befreiung. Kann schon sein. Man müsste auf jeden Fall sämtliche Eitelkeiten ablegen. Ich glaube allerdings, dass sich der Verlust sämtlicher Eitelkeiten auf andere Persönlichkeitsebenen übertragen würde, um dieses Fehlen zu kompensieren. Ob man sich dann trotzdem schminken würde? Wahrscheinlich würde man sich dann den Lippenstift bis zur Nase hochziehen. Ach, ich glaube, das wäre nichts für mich. Der Film "Wir sind die Nacht" startet am 28. Oktober.

Text: daniel-schieferdecker - Bild: Stefan Klüter

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