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Kein Bullshit am Ende: Die Proteste gegen die Sputnik-Programmreform

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Lange galt MDR Sputnik als alternative Station für junge Radiohörer in Sachsen-Anhalt. Im Gegensatz zum massentauglicheren MDR-Pop-Sender Jump setzten die „Sputnik“-Programmchefs auf journalistischen Tiefgang, wollten mutig sein, Experimente wagen. Mit einem großen Indie-Musik-Anteil und Sendungen wie „360 Grad“ - einem vierstündigen Weltmagazin mit Reportagen von New York bis Kambodscha -, aber auch mit Nachrichten auf Englisch versuchten sie, irgendwie anders zu sein. Bis jetzt. Im April wurde eine Höreranalyse durchgeführt, an deren Ergebnissen der MDR die Notwendigkeit einiger Umstrukturierungen ablas.

Wegen zu niedriger Hörerzahlen wurde nicht nur der Slogan des Senders von „Keine Werbung. Kein Hitmix. Kein Bullshit“ in „Einfach die beste Musik. Und null Werbung“ umgewandelt, sondern auch vereinbart, dass die Übereinstimmung von „Sputnik“ und „Jump“ nunmehr 30 statt wie bisher 10 Prozent betragen darf. Zudem wurden die englischen News und 360 Grad gestrichen. Das Tagesprogramm wäre „optimiert und an die Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten seiner Hörern angepasst worden“, heißt es in einer offizielle Mitteilung des MDR. Quote um jeden Preis? Dagegen wehren sich zahlreiche Musiker, Labelmacher und Veranstalter, die einen Offenen Brief an den MDR Rundfunkrat verfasst und zu einer Unterschriftensammlung gegen die „Sputnik“-Reform aufgerufen haben. Einer der Initiatoren und Stellvertreter der Scheune Akademie ist Sebastian Salvador Schwerk. Aus dem einst so innovativen Sendeformat habe man in seinen Augen nun „eine seichte Spaßwelle gebastelt“. Außerdem glaubt Schwerk, dass „Sputnik“ mit seiner momentanen Politik eher Hörer verlieren als gewinnen wird – „und wenn in Sachsen Anhalt ein paar dazu kommen, dann kommen die wahrscheinlich sogar noch vom eigenen Format ‚Jump’. Das wäre die größte Pleite, die man sich denken kann, denn schließlich verdient ‚Jump’ mit Werbung Geld und ‚Sputnik’ nicht.“ Fast ein wenig überrascht über das negative Feedback scheint „Sputnik“-Musikchef Reinhard Bärenz im jetzt.de-Gespräch. Er teile nicht die Meinung, „dass ‚Sputnik’ eine ‚belanglose Popwelle’ geworden ist“. Weiter sagt er: „Wir haben unsere Musik korrigiert, aber an den grundlegenden inhaltlichen Ansprüchen an unser Programm nicht gerüttelt." Er hält „die vorgenommenen Schritte der Programmkorrektur für alternativlos“ und bekräftigt: „,Sputnik’ war nie für ein Indie-Publikum gedacht. Wir haben unseren Hörern eine sehr spezielle Musikmischung angeboten und müssen zur Kenntnis nehmen, dass dies von einer großen Anzahl der Menschen in unserem Sendegebiet nicht angenommen worden ist.“ Bärenz scheint die Angst vieler Hörer, dass „Sputnik“ womöglich bald ein zweites „Jump“ werden oder gar mit dem Mainstream-Kanal fusionieren könnte, nicht zu teilen. So wird ihm auch der 19-jährige Schüler Anton Müller aus Sachsen-Anhalt keine passenden Argumente gegen die Neuerungen liefern können. Anton protestiert auf Facebook gegen die „Sputnik“-Reform. Ihm und anderen auf der Seite fehlen vor allem die englischsprachigen Nachrichten und Formate wie „360 Grad“ sowie Musik von jungen unbekannten Künstlern. Gerade, sagt Anton, höre er wenig bis gar kein ‚Sputnik’. Schade eigentlich, findet er. Auf der nächsten Seite erzählt Sputnik-Musikchef Reinhard Bärenz was es mit der Sputnik-Reform auf sich hat.


Herr Bärenz, es gibt ja schon länger einen offenen Brief an den MDR-Rundfunkrat. Was halten Sie davon? Was Sputnik angeht, halte ich den Vergleich eines Radiosenders mit einer Schule für etwas abenteuerlich. Wir sind keine Erziehungsanstalt, sondern ein öffentliches Medium und haben in dieser Funktion auch den Bedürfnissen unserer Hörer, die uns über ihre Gebühren finanzieren, Rechnung zu tragen. Ich teile auch absolut nicht die Meinung, dass Sputnik eine „belanglose Popwelle“ geworden ist. Wir haben unsere Musik korrigiert, aber an den grundlegenden inhaltlichen Ansprüchen an unser Programm nicht gerüttelt. Aktuell läuft gerade wieder eine Programmwoche zum Thema „Demokratie“ und es werden weitere folgen. Hier wird Sputnik seinem Anspruch, ein öffentlich-rechtliches Programm zu sein, das sich in seinen Inhalten und der journalistischen Umsetzung deutlich von den privaten Mitbewerbern abhebt, wie gehabt Rechnung tragen. Und generell: Haben Sie Verständnis für die "andere Seite" - ist die "andere Seite" nicht eigentlich auch mal Ihr Zielgruppe mit Sputnik gewesen? Es gibt keine „andere“ Seite als Zielgruppe für Sputnik. Es gibt einige Menschen, die das, was wir hier tun, anders bewerten, als wir das tun. Wir beschäftigen uns natürlich sehr intensiv mit den Fragen und auch kritischen Anmerkungen, die hier kommen. Ich stelle aber interessanterweise auch fest, dass wir genau so viele positive Rückmeldungen auf unsere Programmkorrekturen bekommen. Es heißt, Sie würden das Programm nun an die Lebensgewohnheiten Ihrer Hörer angleichen. Haben die sich wirklich verändert - oder nur Sie Ihre Ausrichtung, der Quoten wegen? Sollte ein öffentlich-rechtlicher Sender das überhaupt tun - sich nach Quoten richten? Gerade, wenn man schon JUMP als Mainstream-Radio etabliert hat, und Sputnik doch fürs Indie-Publikum gedacht war? Sputnik war nie für ein Indie- Publikum gedacht. Wir haben unseren Hörern eine sehr spezielle Musikmischung angeboten und müssen zur Kenntnis nehmen, dass dies von einer großen Anzahl der Menschen in unserem Sendegebiet nicht angenommen worden ist. Die MA-Zahlen belegen das zum einen, zum anderen belegt dies auch eine qualitative Studie, die wir hier durchgeführt haben. Diese zeigt sehr genau, dass viele der Musikrichtungen, die bislang im Programm stark vertreten waren, erschreckend schlecht bewertet worden sind. Darauf nicht zu reagieren, wäre fahrlässig gewesen. Ich denke schon, dass auch ein öffentlich-rechtlicher Sender sich um eine deutliche Akzeptanz bei den Menschen bemühen muss, die ihn ja durch ihre Gebühren finanzieren. Ich halte überhaupt nichts davon am Publikum vorbei zu senden. Und auch wenn wir aus diesem Grund im Musikprogramm nachjustiert haben, bleibt Sputnik aber der Sender, der auch im Tagesprogramm die meisten neuen Titel spielt und der mit seinen Musiksendungen am Abend und den Channelangeboten im Netz ein einmaliges und sehr anspruchsvolles Programm macht, das sich für mich mit keinem Sender in unserem Sendegebiet vergleichen lässt. Auch das heißt es, wenn wir sagen, dass wir die Lebensgewohnheit und das Rezeptionsverhalten unserer Hörer besser berücksichtigen. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die Bereitschaft sich auf etwas Neues und möglicherweise auch Ungewohntes einzulassen am Abend größer ist, als in der Tageshörsituation, die von Beruf, Ausbildung und privatem Alltagsgeschehen dominiert wird. Insofern setzen wir hier zu unterschiedlichen Tageszeiten auch unterschiedliche inhaltliche Akzente. Wofür steht Sputnik derzeit in Ihren Augen? Sputnik ist ein Programm, das sich an junge und jung geblieben Menschen in Sachsen-Anhalt wendet. Menschen, die das Radio als begleitendes Medium brauchen und schätzen, die sich von Sputnik mit der Musik, die sie mögen und wortredaktionellen Inhalten, die ihnen Information und Orientierung geben, durch den Tag bringen lassen wollen. Dazu gehören neben einem gut abgestimmten Musikprogramm, genau so Nachrichten, Service, gute Beiträge und kompetente Moderatoren, die die Lebenswelt unserer Hörer treffen. Und Sputnik versteht sich als Impulsgeber für die Menschen, die Interesse an einer Alternative im Radio haben und in den speziellen Angeboten am Abend und im Netz Anregung und Trends rund um neue Musik finden wollen. Sputnik steht darüber hinaus für Innovation im Netz und hat z.B. mit der Sendung BUNTFUNK, das erste multimediale Angebot geschaffen, das sowohl das klassische Radiosignal bespielt und gleichzeitig audiovisuell im Netz abgebildet wird. Das ist in dieser Form einmalig in der Radiowelt in Deutschland und unterstreicht die Innovationskraft die Sputnik nach wie vor hat In der ganzen Diskussionen um Sputnik wird auch gerne vergessen, dass wir z.B. die Nachrichtenkompetenz verstärkt haben, indem wir einen zusätzlichen Dienst immer zur halben Stunde eingeführt haben. Und neben den Abendsendungen ist auch das Tagesupdate, unsere Infostrecke um 18.00 Uhr unangetastet beblieben. Wer hier von Kahlschlag oder einem Verlust von Werten spricht, redet an den tatsächlichen Begebenheiten vorbei. Waren Sie selbst für eine Umgestaltung des Programms? Wer genau hat diese ins Rollen gebracht? Ich persönlich halte die vorgenommen Schritte der Programmkorrektur für alternativlos. Und man muss auch sagen, dass die jetzt vorgenommenen Programmkorrekturen ja nicht von heute auf morgen kamen. Wir reden intern darüber seit mehr als einem Jahr und haben im letzten Herbst ja bereits erste Schritte unternommen. Insofern ist das, was jetzt passiert ist, nur die konsequente Fortführung von dem, was wir 2009 begonnen haben. Ins Rollen kamen die jetzigen Veränderungen durch die oben erwähnte Studie, die von uns selbst in Auftrag gegeben wurde. Die Ergebnisse der Media - Analyse geben uns nur quantitative Aussagen über die Anzahl von Hörern. Studien, wie diese, geben qualitative Aussagen über das, was Menschen interessiert, was sie gerne hören und welche Bedürfnisse sie gegenüber Medien wie dem unseren haben. Die Media -Analyse sagt mir, wie viele Hörer wir haben und ob wir welche dazu gewonnen oder Hörer verloren haben. Die Studie erklärt mir, warum das so ist. Das ist der Grund, warum solche Befragungen in regelmäßigen Abständen hilfreiche Indikatoren für eine Programmeinschätzung sind und ernst genommen werden müssen.

Text: erik-brandt-hoege - Bild: cydonna / photocase.com

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