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Daheim ins Ausland

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Während es die Kommilitonen nach Schweden, England oder Spanien zieht, geht Martin Renger nach Freiburg im Breisgau. Der Student aus Leipzig muss für dieses "Austauschsemester" keine neue Sprache pauken, höchstens ein paar Grundkenntnisse im Badischen könnten von Vorteil sein. „Ich kenne den Schwarzwald aus dem Urlaub mit den Eltern“, sagt Renger. „Auch landschaftlich ist das ziemlich anders. Hier in Leipzig haben wir überhaupt keine Berge.“ Und sonst? Der 24-Jährige ist gespannt auf die innerdeutschen Kulturunterschiede. Martin Renger ist einer der ersten Teilnehmer des neuen Austauschprogramms Pons, einer Art Erasmusprogramm für zu Hause. Ab dem Wintersemester sollen die Studenten der Archäologie nämlich auch innerhalb Deutschlands auf Reisen gehen können, gefördert werden sie genau wie ihre Erasmus-Kommilitonen mit einem Mobilitätsstipendium. 500 Euro bekommen sie, um den Umzug zu managen oder Studiengebühren zu begleichen, die nicht in jedem Bundesland anfallen. Insgesamt 27 Austausch-Plätze gibt es zunächst. Gefördert wird das Programm von der Volkswagen und der Mercator-Stiftung.

Manche Fächer sind klein, haben wenige Studenten und wenige Lehrende. Wer da als Studierender mal eine andere Meinung als die des immer gleichen Profs hören will, muss vielleicht die Uni wechseln. Zumindest in Archäologie geht das bald leichter - mit einem neuen Programm. Es soll ein Vorbild dafür werden, wie Studieren in Bachelor-Zeiten gelingen kann. Denn während der Gang ins Ausland allerorten propagiert wird, ist der Hochschulwechsel innerhalb Deutschlands mit der Reform oft sogar schwieriger geworden. Enge Studienpläne im Bachelor und rigide Anrechnungsmodalitäten binden viele Studenten stärker als früher an ihre Uni – mit schlimmen Folgen für ein Orchideenfach wie der Archäologie, findet Pons-Initiator Johannes Bergemann von der Uni Göttingen: „Zu meinen Zeiten war es gang und gäbe, dass man einfach mal für ein Semester hinging, wenn ein Professor an einer anderen Uni gerade ein interessantes Buch geschrieben hatte“, erzählt der Archäologieprofessor, der als Student selbst zwischen München, Bonn und Göttingen durch die Lande zog. „Aber das machten die Studenten mit einem Mal gar nicht mehr. Nicht weil sie nicht wollten, sondern weil sie nicht konnten.“ Die Wanderfreude der alten Magisterstudenten hatte einen ganz praktischen Grund: An den meisten Unis sind die archäologischen Institute winzig klein. In vielen Hochschulstädten ist das Fach oftmals nur mit zwei oder drei Professuren vertreten – zu wenig, um die ganze Breite abdecken zu können. Matthias Lang, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Göttingen das Pons-Programm betreut, schätzt, dass 60 bis 70 Prozent der Archäologie-Studenten in Vorbachelorzeiten wandernde Gesellen waren: „Wer das Fach ernst genommen hat, kam um einen Wechsel gar nicht herum.“ Eine paradoxe Situation ist da entstanden, findet Archäologe Bergemann: „Für den Gang ins Ausland gibt es allerlei Anreize und Förderungen, aber innerhalb Deutschlands ist das Wechseln schwieriger geworden.“ Dabei sei gerade das Angebot in Deutschland im internationalen Vergleich oft spitze – nur eben auf viele Standorte verstreut. Die neun Institute, die sich am Pons-Programm beteiligen, haben verabredet, Prüfungsleistungen von anderen Unis problemlos anzuerkennen. Auch der Status für Austauschstudenten wird klar geregelt: Als Uni-Wechsler würden den Studenten unter Umständen Abzüge beim Bafög drohen; als Pons-Stipendiaten können sie an ihrer Heimat-Uni eingeschrieben bleiben und trotzdem an anderen Instituten Seminare belegen. An der Uni Leipzig, an der Martin Renger eingeschrieben ist, gibt es gerade einmal zwei Lehrstühle für Archäologie, einen für klassische Archäologie, einen für Ur- und Frühgeschichte. Man kennt sich, man sieht sich. Und nach sechs Semestern an derselben Uni bleiben irgendwann die Überraschungen aus: „Ich habe mich bei Pons beworben, weil ich gerne mal eine andere Lehrmeinung hören möchte“, sagt Renger. „In Freiburg gibt es einen Schwerpunkt auf frühgriechischer Bronzezeit. Mit so etwas würde ich hier gar nicht in Berührung kommen.“ Pons-Initiator Bergemann glaubt, dass sein Erasmus fürs Inland bald auch Nachahmer in anderen Fächern finden könnte, die genauso wie die Archäologie nur mit kleinen Instituten und knappen Lehrangeboten an den Hochschulen vertreten sind. Ein paar Kollegen aus der Geschichtswissenschaft, erzählt der Professor, hätten sich schon ganz begeistert bei ihm erkundigt.

Text: bernd-kramer - Foto: dpa

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