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Da hab ich dich eingeladen

Text: irrgaertnerin
Während ich kurz nicht hinschaue, ziehen die Leute aus der Stadt. Die meisten lassen sich nördlich nieder und schon bald schreiben sie mir Karten auf denen sie vom vermissen sprechen, aber nie darüber, bald wiederzukommen.

Ich lege meine linke Hand auf mein linkes Knie und vor dem Fenster ist immer noch Sommer. Mein Hals schmerzt und meine Glieder auch, morgens erwache ich schweißgebadet. Und ich frage mich, was diese Wohnung für einen Sinn hat, wenn ich sie dir nie wieder zeigen kann.

Ich würde mich gerne töricht nennen, aber das würde nur der Wirklichkeit, nicht aber der Wahrheit entsprechen. Ich erzähle stattdessen vom Hund meiner Eltern, der angeblich angebunden an einen Baum gefunden wurde und einfach so Wendy heißt und blicke die Menschen dann erwartungsvoll an. 80% meiner Gegenüber sind einstimmig der Meinung, dass Wendy nur für Pferde oder Hasen als Name verwendet werden darf, 15% fragen ob es wenigstens ein Pudel ist, 3% ob der Hund aus Ostdeutschland kommt und eine Person sagte: Wendy? That's my mother's name.



Wenn der Himmel immer so blau bleibt, dann werde ich bald nicht mehr schlafen können und mich noch viel öfters fragen, ob eigentlich alle Käfer fliegen können und ob die Angst vor Spinnen tatsächlich von urzeitlichen Riesenkrabben kommt und warum all diese Fliegen immer diese Kreise in der Mitte dieses Zimmers fliegen.

Ich werde noch schlimmere Augenringe bekommen und noch öfters das Verlangen nach Eis verspüren, das ich dann doch nicht esse, weil es pickig ist und eigentlich nicht schmeckt.



Pickig war übrigens das erste österreichische Wort, dass ich vor Urzeiten D. bei unserem ersten Treffen beibrachte. Ich habe mir immer vorgestellt, es würde später eine große Bedeutung in unserer Beziehung haben. Ich lag falsch. Wir aßen damals Weintrauben und saßen zwischen Hecken vor dem Kunsthistorischen Museum. Wenn ich heute mit dem Rad dort vorbeifahre, sitzen da immer noch Leute, aber sie sehen mich nicht an und sie essen selten Weintrauben. Es irritiert mich, dass sie trotzdem glücklich wirken.



Zwei Jahre war ich im Sommer nicht in Wien und ich weiß jetzt wieder, dass dies Gründe hatte. Ich möchte ans Meer fahren, auf einer Almwiese liegen oder in Jagdsälen von ungarischen Schlössern essen. Sowie mit den Großeltern früher. Mit Oma und Opa und all den Verwandten, die Opa zu Omas 63. Geburtstag eingeladen hatte. Oma hatte geschimpft, dass das total lächerlich sei, dass es nicht mal ein runder Geburtstag wäre und Opa hatte geschimpft, dass Oma so undankbar sei. Es gab Schweinebraten in Ungarn. Vier Jahre später war Oma tot und Opa schon viel früher.



Seit einiger Zeit vergeht kein Schweinebraten, bei dem ich nicht an die beiden denken muss. Nicht im Sommer und nicht im Winter. Ich sehne mich dann manchmal nach den Menschen im Norden. Ich würde ihnen wirklich gerne davon erzählen.

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