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Who is wearing my T-shirt?

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„Ich habe mich entschlossen, mich künstlerisch mit Altkleidung auseinander zu setzen, Auslöser war mein Besuch 2003 in Ghana. Damals habe ich einen regelrechten Schock bekommen, als ich in einem winzigen Dorf auf dem Land einen Jungen mit einem „Hansa Rostock“-T-Shirt gesehen habe. Das hat mich wirklich ziemlich aus dem Konzept gebracht. Zum einen, weil ich ich in Mecklenburg aufgewachsen bin und ihm dieses T-Shirt auch hätte mitbringen können. Und zum anderen auch, weil ich die Fanbasis des Vereins kenne, die viele Hooligans als Anhänger hat und ein fremdenfeindliches Images pflegt.

Wenig später war ich auf einem Markt in Accra, der Hauptstadt von Ghana, auf dem ausschließlich Kleidung verkauft wird, die aus Europa kommt. Jeder freie Platz wurde da genutzt, um die Ware anzupreisen in Häufen auf dem Boden, auf Ständern – der ganze Platz war überflutet, man konnte kein Ende sehen. Da ist mir bewusst geworden, was für ein großes Geschäft das ist. Wenn man als Normalsterblicher einmal im Jahr seinen Kleiderschrank aussortiert und in die aufgestellten Altkleider-Container wirft, dann geht man ja davon aus, man würde das für einen guten Zweck machen. Man glaubt, das würde die Menschen erreichen, die es brauchen – und so ist das auf den Containern ja auch ausgezeichnet. Aber die Einnahmen aus den Verkäufen landen nicht unbedingt bei den Bedürftigen. Humana zum Beispiel wurde schon mehrfach in Europa vor verschiedene Gerichte zitiert aufgrund der obskuren Geschäfte. Nach außen pflegen die ein schönes Image, aber im Hintergrund finden sich reichlich fragwürdige Machenschaften. Und unter dem Vorwand, etwas Gutes zu tun, wird ein riesiges Geschäft gemacht. Tatsache ist: mit dem, was wir hier in die Altkleidercontainer werfen, lässt sich wirklich viel Geld verdienen. Und auch wenn diese Second Hand-Ware immer noch billiger ist, als ein Kleidungsstück, das lokal hergestellt wurde, sind die Sachen noch lange nicht billig. Ich habe zum Beispiel auf dem Markt in Lagos (Nigeria) sehr gut gehandelt und trotzdem noch 450 Naira gezahlt, das sind ungefähr 2,50 Euro. Dieses Geschäft hat mehrere Auswirkungen auf den afrikanischen Markt: Zum einen auf die Industrie, weil in dieses Geschäft wahnsinnig viele Menschen involviert sind. Wenn man alleine die Menschen nehmen würden, die die Kleider ein- und verkaufen, dann könnte man mit deren Arbeitskraft locker ein lokales Geschäftsmodell aufbauen. Zum anderen bin ich fest davon überzeugt, dass der Markt in Afrika schon erschlossen genug ist, dass dort Baumwolle angebaut, verarbeitet, genäht und gefärbt werden kann, was auch im kleinen Stil stattfindet. Die Möglichkeiten sind da, aber sie werden überlagert von dieser riesigen Maschinerie. Und dadurch werden die traditionellen und lokalen Errungenschaften total abgedeckt. Die Identität, die durch Kleidung ausgedrückt wird, wird ersetzt durch Stereotypen aus Europa. Ich bin der Meinung, dass dadurch ein Selbstbewusstsein und der Stolz auf die afrikanische Identität verschwindet. Aber ich habe bei meinen Aufenthalten in Ghana und Nigeria auch viele Menschen getroffen, die diese Entwicklung weder gutheißen, noch akzeptieren wollen.

All diese Erlebnisse, Gedanken und Überlegungen habe ich nun künstlerisch in mehreren Schritten aufgearbeitet. Zunächst habe ich zuhause in Hamburg Kleidung in Second Hand-Shops gekauft – und wirklich viel Geld dabei ausgegeben, weil die bessere Qualität dort immer gleich einiges kostet. Diese Second Hand Ware habe ich dann neu aufbereitet und für meinen Blickwinkel interpretiert, unter anderem ein Kleid aus ganz vielen T-Shirts, angordnet wie in einem Karussell mit einem Schleier aus der sogenannten Wachsware aus Holland, die ebenfalls importiert wird - und einen T-Shirt-Teppich, bei dem man in jedes einzelne T-Shirt reinschlüpfen kann. Wenn man diese enorme Last, des T-Shirt-Teppichs spürt, dann bekommt man ein Gefühl für die enormen Lasten, die da ständig nach Afrika transportiert werden. Das Kleid und den Teppich habe ich dann nach Afrika mitgenommen und dort mit Menschen vor Ort noch einmal anders als in Hamburg fotografisch inszeniert. Dazu habe ich einen Workshop für Künstler durchgeführt und mit ihnen zusammen textile Kleidungsstücke entwickelt, in denen wir uns von meiner afrodeutschen und ihrer afrikanischen Sichtweise mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Herausgekommen sind mehr oder weniger tragbare Kleidungsstücke, die wir fotografisch auf dem Markt inszeniert haben, wo wir die Materialien, also die Second Hand Sachen, für die Umsetzung gekauft haben. Bei der Präsentation haben wir diese Teile in einer Installation zusammengeführt, die ein Gespenst darstellen soll – das “Okrika“(Second Hand)-Gespenst. Ich will mit meiner Arbeit darauf aufmerksam machen, dass da etwas schief läuft und hoffe, die Europäern dafür sensibilisieren zu können über das Wegwerfen von Altkleider nachzudenken und den Afrikanern einen Denkanstoss zu geben, auf welchen Wege die Kleider zu ihnen gelangen, um dieser Industrie kritischer entgegenzutreten. Es wäre ein Fortschritt, wenn die Europäer und ganz besonders die Deutschen sich darüber informieren, was mit den Dingen geschieht, die sie spenden, und sie sich dann entscheiden, ob sie das mitmachen wollen. In meiner Familie ist meine Mutter jetzt dazu übergegangen, dass sie Dinge, die sich aussortiert, direkt zu einer Unterkunft für Asylbewerber in Mecklenburg bringt, weil sie dort die Menschen kennt, weiß, welche Bedürfnisse sie haben und ganz sicher sein kann, dass alles direkt ankommt. Damit hat sie Kontrolle über das, was sie tut." Zohra Opoku (34), studierte Modedesign und Fotografie und arbeitet als Künstlerin in Deutschland und Westafrika. In ihren Arbeiten greift sie afrikanische Symbole, Stilmittel und Traditionen auf, verbindet diese mit Aktion und Interaktion und setzt ihre Arbeit künstlerisch in einen anderen Zusammenhang, so dass tieferliegende Zusammenhänge sichtbar gemacht werden. Die übergeordnete Frage nach der Identität steht hinter all ihren künstlerischen Aktionen. Der Workshop "Who is wearing my T-shirt?", organisiert vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), fand im Rahmen der Tourneeausstellung prêt-à-partager vom 01.-05. Juni 2010 in Lagos statt. Die Ergebnisse des Workshops wurden am 06. Juni 2010 in CCA-Lagos in Form einer Textilen Installation präsentiert. Vom 23. August - 19. September 2010 werden die Workshopkreationen im Kunsthaus Hamburg und im Januar 2011 auf der Berlin Fashion Week zu sehen sein.

Text: christina-waechter - Bilder: Manuel Pandalis

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