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Der Rucksack

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Der Rucksack war bis dato ein Kleidungsstück wie der Fahrradhelm, die Regenjacke, die Hausschuhe oder der Schlafanzug: Inventar und Symbol eines behüteten und geregelten Richtigmacherlebens. Nicht Ästhetik, sondern Schutz, Sicherheit und Funktionalität stehen bei diesem im Vordergrund allen Tuns. Wer nicht so lebt, kennt jene Gegenstände zumindest aber noch aus der eigenen Kindheit. In den ersten dreizehn Lebensjahren gab es neben ihnen keine Alternativen, nein, höchstens gab es sie in verschiedenen Ausführungen. Erst später, als man bemerkte, dass, wenn man nicht selbst an die Hausaufgaben dachte, es niemand mehr tat, und dass Anziehsachen nicht nur praktisch, sondern auch ein Statement sein konnten, - als einen all diese Kleinigkeiten lehrten, dass niemand Geringeres als man selbst Herr über sein Leben ist, hiess es schließlich: Tschüss Fahrradhelm, tschüss Regenjacke und: Tschüss Rucksack. Diese Trennungen waren vielleicht unvernünftige, aber notwendige Befreiungsschläge auf dem Weg zum selbstbestimmten Leben. Dass das Tragen von Schul- oder Unisachen auch anders geht, bewies zum Beispiel die Umhängetasche. Sie war lässiger als der Rucksack. Die unschönen Schmerzen, die ihr einseitiger Riemen einem verschaffte, verdrängte man. Wer schön sein will, muss eben leiden. Über den Rucksack jedenfalls war man, ganz genau so wie über die Kindheit, ein für alle Mal hinweg. Sollten doch die Religionslehrerinnen und Kindergärtnerinnen dieser Welt allein mit ihren praktischen Rucksäcken glücklich werden. Und auch heute haftet Rucksackträgern die eher g‘schaftlerischer Wirkung eines Touristenführers oder eines Informatikstudenten an. Noch jedenfalls.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der gute, alte Rucksack feiert nämlich gerade seine Wiederkehr. Vor Monaten schon fingen Designer wie Alexander Wang und Karl Lagerfeld an, ihre Models mit Neuinterpretationen altbekannter Rucksäcke zu bekleiden. Der Trend hat sich seitdem fortgesetzt, zieht derzeit durch Modeblogs und bei genauerem Hinsehen tatsächlich auch zunehmend durch die Straßen der eigenen Stadt. Hippe Kunststudenten und Vintagemädchen haben sich seiner angenommen und sogar einige große Modeketten zählen ihn mittlerweile wieder zu ihrem Sortiment. „Jaja, gewöhnlicher Hipsterkram, diese ironische Neuinterpretation alter Abscheulichkeiten“, kann man jetzt sagen. Und natürlich ist der Rucksack im Nerdbrillenzeitalter keine revolutionäre Neuauflage. Doch das Statement, das mit diesem Trend einhergeht, ist selbst bei kritischer Betrachtung der Modewelt zum ersten Mal wieder ein sympathisches. Ein Rucksack ist praktisch, weil man die Hände frei hat. Er ist gemütlich, weil sich das Gewicht gleichmäßig über den Rücken verteilt. Er ist gesund. Er formuliert die Sehnsucht nach Ordnung und Gemütlichkeit in unserem jungen Lebenschaos. Vor allem aber scheint die Wiederkehr des Rucksacks eine entspannte Aussöhnung mit der jugendlichen „Dagegen um des Dagegenswillen“-Trotzigkeit zu sein. Und all das hat etwas sehr unangestrengt Ehrliches. Dass diesen Trend dank der Skandinavisierung unserer Modewelt außerdem ganz unerwartet hübsche Leinen- oder Ledermodelle anführen, macht zusätzlich Hoffnung darauf, dass Funktions- und Modekleidung eines Tages doch einen gemeinsamen ästethischen Nenner finden können. Und das wiederum macht Lust darauf, sich vielleicht wieder einen Rucksack anzuschaffen. Beinahe, ganz beinahe macht es sogar Lust darauf, Buntstifte anzuspitzen und sich ein leckeres Pausenbrot zu schmieren - und sich dabei nicht einmal wie eine mittelalte Bibliothekarin vorzukommen.

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