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Schwitziger Ortstermin: Plan B in Berlin

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Wenn Plattenfirmen zu exklusiven Showcases laden, um einen neuen Künstler vorzustellen, ist das immer eine zweischneidige Angelegenheit. Auf der einen Seite finden entsprechende Gigs meist in netten, intimen Locations statt, die oft nicht so voll sind wie reguläre Konzerte, und Freigetränke gibt es häufig auch noch. Auf der anderen Seite bleibt die Stimmung meist im Rahmen, denn die anwesende Journaille will sich vor den Augen kritischer Kollegen selten die Blöße geben und macht daher meistens auf cool. Sprich: Bewegungen zum Takt der Musik werden auf ein Minimum beschränkt. Ob Plan B sie aus der Reserve locken kann? Im Berliner Admiralspalast findet sich nach und nach das typische Showcase-Publikum ein. Musikjournalisten in abgeranzten Designer-T-Shirts aus Mitte und Musikjournalistinnen in luftig-kurzen Sommerkleidchen, dazu die Oberen der Plattenfirma in Lederschuhen und Hemd zum Begutachten ihrer neuen Wunderwaffe gegen die sinkenden Plattenverkäufe zum anderen. Freundliche Hostessen reichen Nüsschen und Sesamstangen. Es ist unsagbar heiß. Gegen 21.15 Uhr ist es dann soweit. Das Licht geht aus. Die Pressevertreter jubeln verhalten. Ein Mann kommt auf die Bühne, der definitiv nicht Plan B ist. Lederschuhe und Hemd, also jemand von der Plattenfirma. Er ist sympathisch nervös, als er die neue Label-Hoffnung ankündigt und betont, wie „diebisch“ man sich doch über das zahlreiche Erscheinen der Anwesenden und den bevorstehenden Gig freue. Ab und an vergisst er den Text. Macht aber nichts, er wirkt irgendwie nett. Und dann: „Viel Spaß mit Plan B!“ Acht Mann stürmen auf die Bühne, alle in Lederschuhen und Hemd, aber zum Glück keine weiteren Label-Leute, sondern endlich die Band. Ein Retro-Soul-Feuerwerk wird abgebrannt, das, entgegen der Erwartung, vor der Bühne bereits die ersten Mädchen verzückt in die Hände klatschen lässt. Wenn bloß diese Bullenhitze nicht wäre.

Die Jungs geben sich wahrlich Mühe, wenngleich sich Plan B in seiner Rolle als Band-Oberhaupt noch ein wenig unsicher zu fühlen scheint. Vielleicht fehlt ihm auch das Instrument, hinter dem sich der kleine Mann bei früheren Auftritten stets verstecken konnte. Oder einfach Routine. Früher hat der einstige Rapper Plan B seine Gigs nämlich oft ganz allein bestritten, bloß mit einer Akustik-Gitarre und einem Mikro bewaffnet. Nicht ganz untreffend wurde er daher oft als Mischung aus Eminem und Damien Rice beschrieben. Auf den vorgetragenen Stücken seines anstehenden neuen Albums „The Defamation Of Strickland Banks“ ist davon nicht mehr viel zu merken. 60er-Jahre Northern Soul lautet das Stichwort, Mark Ronson lässt grüßen. Das Songmaterial taugt, da könnte also wirklich was gehen. Schade nur, dass man sich im Konzertraum wie unter einer Käseglocke fühlt. Denn zum einen ist der Sound unsagbar schlecht, und zum anderen riecht es bei 40°Grad Celsius durch die gemeinsamen Ausdünstungen nach altem Pecorino. Die Band bestreitet ihren Auftritt jedoch in voller Montur tapfer zu Ende und bringt sogar noch zwei Zugaben. Lediglich die drei fülligen Background-Sängerinnen geben sich vorzeitig geschlagen und versuchen, sich mit den Flyern zum neuen Album frischen Wind zuzufächern. Sie sehen glücklich und erleichtert aus, als sie gegen 22 Uhr endlich die Bühne verlassen dürfen. Und dem Publikum scheint es ähnlich zu gehen, denn es scheint verstanden zu haben: Laut, heiß, stinkend – endlich ist Sommer in Berlin. Und „The Defamation Of Strickland Banks“ könnte durchaus der Soundtrack dazu sein.

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