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Auf dem Banana Pancake Pfad 17: Je länger, desto cooler

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Die Hängematte baumelte, die Planken knirschten und die Sonne war schon zur Hälfte im Tonle Sap versunken. Sam stopfte irgendein Reisgericht in sich hinein und spülte das zwischendurch mit einer Flasche „Angkor Beer“ herunter. Ein Typ mit Poloshirt setzte sich zu unseren Füßen und ließ seine Beine ins Wasser hängen. Er zündete sich eine Zigarette an, nahm ein paar Züge, bis die Zigarette halb herunter gebrannt war. Dann drehte er sich zu uns um und stellte die Frage, die stets das Tor zu einer Konversation weit aufreißt. Der Typ in dem Poloshirt fragte: „Where are you guys from?“ Ich antwortete, Sam schwieg. Der einzige vernehmbare Laut war eine Zwitter aus Grunzen und Schmatzen – weit entfernt von einem Wort. Der Typ in dem Poloshirt fragte: „How long are you travelling for?“ Ich antworte, Sam schwieg. Der Typ im Poloshirt sagte, er sei für drei Wochen unterwegs, zwei davon in Thailand und eine in Kambodscha hustete nun, als habe er sich an seinem Reisgericht verschluckt. Er nahm einen Schluck Bier, rülpste laut und aß weiter. Trotz gut gemeinter Versuche des Typs in Poloshirt kam die Konversation nicht in Schwung. Ich war müde und nicht in Redelaune, und Sam schmatze und grunzte vor sich hin, den Typ in dem Poloshirt aktiv ignorierend. Als die Sonne vollends im Tonle Sap versunken war, tauchte eine Gruppe Engländer im „Guesthouse Cloud No 9“ auf und begann ein Trinkspiel zu veranstalten. Der Typ im Poloshirt setzte sich zu den Engländern und fand dort schnell Anschluss, indem er grinste und trank und sagte: "Where are you from? England? Great! That's great! Really, I love England!" Sam und ich schwiegen einige Zeit in unseren Hängematten, dann fragte ich ihn: „Sam, warum hattest du keinen Bock mit dem Typ zu reden?“ Sam trug noch immer seine Sonnenbrille, obwohl es längst finster war. „Ich habe keinen Bock auf Traveller, die weniger als drei Monate unterwegs sind. Sind Urlauberspasten.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Den Urlauber empfindet der Backpacker als Parasit, als Nutznießer und als Pseudo, der mal schnell für zwei, drei Wochen einen Hauch der großen Freiheit schnuppern will, um dann damit daheim angeben zu können, auch mal in einem „Backpackerland“ gewesen zu sein. Der Backpacker ist der Meinung, der Urlauber störe und zerstöre mit seinem Kurztrip die Infrarstruktur des Banana-Pancake-Pfads. Der Urlauber nämlich macht mit seinem ungleich höherem Budget die Preise kaputt, er fällt auf die billigsten Tricks herein und gibt bettelnden Kindern Geld. (Dabei weiß jeder Backpacker: Wenn man bettelnden Kindern Geld gibt, schicken deren Eltern sie nicht mehr in die Schule, sondern zum Betteln.) Der Urlauber auf dem Pancake-Pfad ist ein blutiger Anfänger und wird ein solcher immer bleiben. Er ist der ewige Achtklassler, der sich in der großen Pause zu den Zehntklasslern zum Rauchen stellt und doch nur pafft. Der Backpacker straft den Urlauber deswegen im besten Fall mit freundlicher Ignoranz, auf jeden Fall aber doch mit Arroganz. Erst aber einer Reiselänge von drei Monaten wird der Reisende von Reisegemeinschaft als vollwertiges Mitglied akzeptiert. Ab sechs Monaten Backpacking darf man sich zum inneren Kreis zählen. Aber einem Jahr gilt man als Veteran. Dabei handelt sich freilich um eine Hierarchie des Hintergrunds, die auch ziemlich schnell an ihre eigene Grenze kommt (siehe ->Die Hängengebliebenen). „Ich habe mal einen Typen getroffen, der war seit drei Jahren unterwegs“, sagte Sam. „Der war sogar in Kasachstan.“ „Krass“, sagte ich. „Und in Guatemala kannte ich einen Deutschen, der war seit fünf Jahren auf Reisen. Der hat Edelsteine in Pakistan gesucht.“ „Hammer!“, sagte ich. „In Bangkok war so ein 50-Jähriger Typ in meinem Hostel, der war seit 15 Jahren unterwegs. 15 Jahre! Kannst du dir das vorstellen?“ „Krass“, sagte ich. Und so ging das noch die ganze Nacht. Sam und ich kamen uns nach einer Weile ziemlich uncool vor. Wir hörten das Lachen des Typen im Poloshirt und den Engländern, die ein englisches Saufspiel namens „Fuck the monkey“ spielten. Es klang, als hätten sie im Gegensatz zu Sam und mir... Spaß. Backpacker-Smalltalk für Anfänger (in dieser Reihenfolge!): „Where are your from?“ „How long are you travelling for?“ „Are you travelling by yourself?“ „Where have you been so far?“ „Can you recommend it?“ „Was it expensive?“ „Where do you go next?“ „By the way – what is your name?“

Text: philipp-mattheis - Illustration: Katharina Bitzl

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