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Eine Latte bitte!

Text: alex_ebner
"Hätte ich dieses Brot mit der charmanten Färbung ins Ampelgrün lieber doch nicht gegessen". "Hätte ich doch lieber nochmal einen Blick in die Empfängerliste geworfen, bevor ich die eMail, in der ich den Chef einen hirnlosen Despoten mit Erektionsstörung bezeichnete, abgeschickt habe". "Hätte ich doch darauf verzichtet, zu versuchen meiner Liebsten mittels eines Föns in der Badewanne einen Whirlpool zu simulieren". Oder der Klassiker: "Hätte ich doch nicht das Gewehr so gegen die Tür positioniert und den Abzug per Schnur mit dem Türknauf verbunden, so dass mein Mann eine geradezu umwerfende Überraschung erwartet, wenn er heim kommt". Jaja, das Leben steckt voller Entscheidungen. Und nicht immer sind die getroffenen Entscheidungen, die richtigen. Das kann einem den ganzen Tag versauen. Tagtäglich kommen laufend Entscheidungen auf uns zu. "Nehme ich heute eine Latte statt Milchkaffee?" "Was will ich essen?" "Warte ich ab, ob der Reaktorkern von selbst wieder abkühlt?" Kinder haben es da einfacher. Blaues Bauklötzchen hierhin, das rote dorthin und ob es zum Klo noch reicht, hat noch keine Relevanz. Dagegen hat die Entscheidung, ob ein Flugzeug trotz Vulkanasche starten sollte, eine signifikante Auswirkung auf die Flugunfallstatistik.

Und nicht immer tritt eine Entscheidung so offenkundig in den Vordergrund. Die Entscheidung für Tripper trifft man ja quasi unbewusst im Eifer des Gefechts. "Wenn Sie morgen sterben müssten, was würden Sie heute alles tun?". Auf diese Frage kommt sehr häufig "Den Tag mit meiner Liebsten verbringen" oder so. Erschreckend wenige Menschen kümmern sich um ihre Hinterlassenschaft und verjuxen das Erbe der Kinder im Casino. wie will man da dauerhaft in Erinnerung bleiben?

Natürlich, niemand kann in die Zukunft sehen. Das würde das Lotto-spielen auch ein wenig eintönig machen. Und meistens fühlt man sich mit der getroffenen Entscheidung ja erstmal gut. So ein Paket mit Zertifikaten der Lehman Brothers macht ja auch was her. Wichtig allerdings ist, dass eine Entscheidung gefällt wurde. Und wer hinter einer getroffenen Entscheidung nicht stehen kann, sollte sich lieber entmündigen lassen. Manche Entscheidungen kann man nicht revidieren. Und eine Entscheidung das Kind nicht auszutragen, hat weitreichendere Konsequenzen, als sich ein junges Mädchen vielleicht ausmalen kann. Der psychische Gau kündigt sich nicht an. Wenn ein Mensch sich entschließt den Partner zu verlassen, ist der Weg zurück in der Regel versperrt. Und selbst wenn es diesen Weg gibt, wird es nie wieder so sein wie zuvor. Wer einen schulischen Weg nicht weiter verfolgt, wird es später sehr schwer haben, diesen Umstand zu korrigieren. Doch wenn diese Entscheidungen getroffen wurden, gibt es keinen Grund diese von sich zu weisen. "Ich hätte ja, wenn..." ist die gern verwendete Vormulierung für "Ich traute mich nicht diese Entscheidung zu fällen". Und auch eine schlechte Entscheidung eröffnet Wege, die ebenfalls ans Ziel führen. Oder an ein ganz anderes. In den seltensten Fällen ist mit einer Entscheidung alles zunichte. Und selbst wenn, das Ende ist immer auch ein Beginn. Gibt es denn überhaupt eine falsche Entscheidung? Wenn der Wehrdienstler sich entscheidet, mit dem Schützenpanzer einen kleinen Ausflug ins Grüne zu unternehmen, könnte die Antwort eventuell ja lauten. Tagtäglich treffen wir hunderte von Entscheidungen, bewerten Situationen, schätzen Sachlagen ein, die als Basis neuer Entscheidungen dienen. Ja, es gibt falsche Entscheidungen. Und wir alle werden sie treffen. Das Ziel ist, auch daraus einen Nutzen für uns zu ziehen. Auch wenn es nur die Erfahrung ist, die wir gewinnen.

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