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„Ich bin nicht so der Clubtyp“

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Wenn Du in LA auflegst, wie viele Leute kennen dann Deine Sachen? 80 Prozent. Ich hatte schon ziemlich früh, noch vor meinem ersten Album, eine ausverkaufte Show dort - und die Leute waren am Stagediven. Da merkte man auch, dass nicht nur DJs die Sachen kaufen und kennen, sondern auch die ganzen Kids. Die Nische war zwar noch klein, aber es ging mit Blogs und Beatport.com langsam los in eine andere Dimension. Hast Du das Gefühl, man bucht Dich in Übersee als Deutschen? Nach dem Motto: Cool, the German comes? Schon, man wird zwar hauptsächlich wegen des Namens gebucht, aber die Leute wissen, dass ich Deutscher bin und finden das gut. Ich hab ja einen Track mit deutscher Stimme, den wollen die dann hören und gehen drauf ab. Die kennen sogar den Text! Würdest Du denn sagen, Du bist auch musikalisch ein deutscher DJ? Ich würde das nicht so wirklich festlegen. Bei meinem neuen Album habe ich mehr deutsche elektronische Musik einfließen lassen, und ich denke, dass Deutschland auf seine elektronische Musikkultur stolz sein kann. Deutsche Musik spielt heute eine große Rolle, aber nicht ausschließlich. Vielleicht eher noch im Minimal-Bereich. Kommt denn Dein Sound global an? Oder gibt es blinde Flecken, wo er nicht funktioniert? Musik ist Gefühlssache. Selbst im Irak gibt´s eine Punkband, das ist also schon international. Es ist schon fast ein bisschen langweilig geworden. Der Job des Warm Up DJs zum Beispiel ist etwas verloren gegangen, da die Jungs vor mir mich kennen, und mir zeigen wollen, wie hart sie spielen können. Fühlst Du Dich denn als Star? Stehen die Mädels am Pult und kreischen? Nein, und ich kann das auch nicht so richtig ernst nehmen. Für mich war es schon das derbste, als ich meine erste Platte auf meinem eigenen Label draußen hatte. Oder der erste Gig in London vor 300 Leuten. Der Erfolg ist schön, aber auch beliebig. Andere erfolgreiche Leute, die ich künstlerisch nicht so toll finde, Paul van Dyk oder Scooter, werden schließlich auch gefeiert. Ich habe meine Fans und finde das super, aber einen Film darauf fahren wäre nicht in meiner Natur. Wenn Du mit Will I Am zusammensitzt und ihm einen Beat vorspielst, denkst Du dann: Jetzt ist alles erreicht? Ich saß wirklich mit ihm in einem Raum und er hat über meinen Track gerappt. Da hab ich schon gedacht: Krass, im größten Studio in LA, nebenan sitzt Pharell und dieser und jener, da musste ich schonmal zurück schauen und das kapieren. Aber es geht immer mehr! Man kann ja auch die Nummer Eins sein und Multimillionär werden - naja, ich vielleicht nicht. Künstlerisch aber geht es für mich nicht besser, als mit Gonzales oder Erol Alkan Musik zu machen. Wenn es immer so bleiben könnte, ich würde sofort unterschreiben. Ich bin superglücklich. Wenn das Management von Britney Spears anruft, würdest Du rangehen? Die haben schon angerufen, ehrlich gesagt... (lacht). Das ist eine schwierige Frage, einerseits mache ich nur Beats, die mir gefallen, und wenn da jemand drübersingt, ist das schon okay. Ich betrachte mich eher als Musiker, der Musik und Beats schreibt und programmiert, aber ich bin auch ein großer Fan von Pop-Musik. Unter einem anderen Namen ginge das schon. Wie schwer ist es, sich bei der Zusammenarbeit mit Großgewichten nicht korrumpieren zu lassen? Ich bin da eher Anti. Nachdem zum Beispiel mein Feist-Remix so bekannt wurde, haben viele Labels nach etwas Ähnlichem gefragt. Aber dann gibt es eben was komplett anderes, da es mir auch schwer fällt, mich selbst zu reproduzieren. Als Top10-Produzent funktioniert das so, die Neptunes zum Beispiel haben vier Jahre den gleichen Sound gemacht, bis er sich durchgesetzt hat. Dein Label war anfangs ein Ein-Mann-Projekt, wie hat sich das verändert? Bei mir standen 2004 schon alle Projekte und Releases fest, 2005 habe ich dann die ersten Platten rausgebracht. Da habe ich noch alles allein gemacht, dafür aber nicht gut. Ich bin ein bisschen chaotisch, muss ich sagen. Und ich habe gedacht: Bring erstmal tausend Platten raus, Gema kannst du später zahlen. Das ging zwei Jahre lang gut, bis ich mein erstes Album releast habe, dann kam die richtige Label-Partnerin dazu. Mittlerweile kümmere ich mich nur noch um die künstlerische Seite. Die Strategie ist: Was mir gefällt, kommt rein. Kann man mit einem kleinen Label denn Geld verdienen? Überhaupt nicht. Es ist sogar fies: Die Leute, die man eigentlich braucht, die für das Label arbeiten, kann man gar nicht bezahlen. Die Künstler kriegen gute Verträge, aber die anderen? Wenn ich nicht so ein Vinyl-Liebhaber wäre, würde ich ein rein digitales Label starten, das wäre wirtschaftlich sinnvoller und weniger Papierkram. Man muss beispielsweise 50 Cent pro Platte Gema zahlen - wenn ich nur tausend Vinyl verkaufe, zahle ich eigentlich drauf.
Boys Noize - Transmission

BOYS NOIZE | MySpace Music Videos Wie siehst Du das digitale DJing? Mit einem digitalen System kann man nach einer Woche auflegen. Jeder legt heute auf! Das finde ich alles nichts so schlimm, die Kultur ist nur ein bisschen gestorben. Für mich war es echt was besonderes, in den Plattenladen zu gehen und Platten zu kaufen. Für mich war das das Beste in meiner kleinen Welt, ich hatte zwei Jobs und habe mein ganzes Geld nur für Platten ausgegeben. Ich habe fünf Jahre im Plattenladen gearbeitet, aber kein Geld verdient, weil mein Boss mir Technics gekauft hatte und ich die abarbeiten sollte. Und ich war cool damit, 1000 Mark im Monat für Platten auszugeben, kein anderer in meinem Freundeskreis hat aufgelegt. Das alles hatte eine starke Kultur. Der Wert an Musik ist heute etwas verloren gegangen, das finde ich schade. Du hast mal gesagt: Das Album als Konzept ist tot. Naja, das einzige was noch funktioniert ist: Wenn man ein Album rausbringt, springen mehr Medien an. Es wird mehr darüber berichtet, das kann einem zugute kommen. Ich hab eben ein Album releast, weil sich die Tracks angesammelt haben. Ich selber kaufe auch eher einzelne Tracks bei iTunes. Was hat sich in 12 Jahren auflegen geändert? Neu ist dieser Rock'n'Roll Status. Ich war schon immer ein DJ, der Spass daran hatte, wenn die Leute durchdrehen. Das ist aber ganz schön doll geworden. Früher war ich der einzige mit diesem Sound, und die Leute sind am krassesten dabei durchgedreht. Ich hab mich mit meinen Sets als Außenseiter gefühlt. Später wurde das Durchdrehen, mit Pogo und so weiter, richtig heftig - und jetzt ist es fast ein Muss. Das ist nicht mehr echt, das ist Mode. Du gehst selten feiern, angeblich warst Du als Berliner noch nie in der Panorama Bar? Keine Zeit, keine Lust? Gibt es keine DJs, die Dich reizen? Richtig, keine Zeit, keine Lust. Ich kann die auch alle woanders hören, ich kenne die Releases, und ich kann mir richtig gut vorstellen, was die da spielen. Für mich wäre das nichts besonderes. Ich fand auch nie viele andere DJs besonders gut, und die, die ich gut finde, sind nicht die bekanntesten. Ich bin ein großer Fan des Labels Ostgut Ton, aber wenn Ben Klock da spielt, würde ich glaube ich einschlafen. Ich muss da einfach nicht hingehen. Ich schaue mir eher Konzerte an, die Goldenen Zitronen habe ich leider gestern verpasst. Bei The Mars Volta war ich, da quetsche ich mich dann auch zwischen die Leute. Mit meinen Freunden gehe ich zwar gerne mal feiern. Aber ich bin wohl nicht so der Clubtyp.

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