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Die Musikhochzeit des Jahres: Aus Gnarls Barkley und The Shins werden Broken Bells

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Klar, es ist Popmusik. Aber es ist eben auch viel mehr, so eine Art Neuzeit-Psychedelic. Die Songs der beiden flirren und flimmern und biegen oft genau dann ab, wenn man eigentlich noch einmal den Refrain erwartet. Sie sind von klarem Klang, erlauben aber auch Zwischentöne, knarzende Keyboards, leichte Dissonanzen. Brian Burton und James Mercer sitzen in einem Berliner Hotelzimmer und sind bemerkenswert gut gelaunt. Burton scheint der Begriff Psychedelic zu gefallen. Er nimmt einen Schluck Tee und sagt: "Siehst Du, genau das war vielleicht unser Anspruch. Die Ideen, die wir haben, keinen Grenzen zu unterwerfen. Das war bei vielen Bands der späten 60er-Jahre ähnlich. Insofern passt der Begriff Psychedelic vielleicht ganz gut." Der Öffentlichkeit stellte sich das Team Burton-Mercer bereits im vergangenen Jahr vor: Auf dem von Danger Mouse gemeinsam mit der Band Sparklehorse aufgenommenen und aufgrund eines Rechtstreits mit der EMI bisher nur online zugänglichen Album "Dark Night Of The Soul" sang Mercer das störrische "Insane Lullaby" ein. Das hat mit dem, was Broken Bells machen, freilich recht wenig zu tun, was daran liegen mag, dass es erst aufgenommen wurde, als das Album "Broken Bells" bereits größtenteils fertiggestellt war. Die gemeinsame Geschichte der beiden reicht schließlich weiter zurück: Burton sah die Shins zum ersten Mal vor fünf Jahren auf dem dänischen Roskilde-Festival und war sofort angetan - immerhin war "Chutes Too Narrow" eine seiner Lieblingplatten. Bei einem Festival in Austin traf man einige Wochen später wieder aufeinander. Es entstand die Art von Beziehung, die Künstler eben untereinander haben, die sich gegenseitig schätzen. Und irgendwann im Jahr 2008 gingen die beiden tatsächlich ins Tonstudio. Mehr noch, über den Zeitraum eines ganzen Jahres verlegte Mercer seinen Wohnsitz immer wieder in Burtons Haus in Eagle Rock, eine Schlafstadt im Norden von Los Angeles. Brian Burton erinnert sich: "Wir wachten auf, wir frühstückten. Wir fuhren ins Studio, machten den ganzen Tag lang Musik. Wir unterhielten uns, fuhren ab und zu einkaufen, schauten abends Filme oder gingen etwas trinken. James war auf eine sehr klassische WG-Art mein Mitbewohner, aber eben auch mein Kollege." Diese Zusammenarbeit hielten die beiden hübsch geheim. Weil sie keine Lust auf Fragen und Spekulationen ihrer Fans hatten, aber auch nicht auf die Anrufe irgendwelcher Plattenfirmen. "Ich glaube, unsere Biografien ähneln sich. Irgendwann in den 80er-Jahren mochten wir vermutlich die gleiche Art von Popmusik. Danach ging das natürlich auseinander, aber unsere Vorlieben, was Melodie und eine gewisse Melancholie angeht, sind dieselben, auch wenn die Genres verschiedene sind", erklärt Mercer. "Es machte uns einfach sehr viel Spaß, miteinander zu arbeiten. James kümmerte sich um den Gesang und die Gitarren, ich um den Rest. Für das Rohgerüst des ersten Songs brauchten wir vielleicht eine Stunde", fügt Burton an. Den Gedanken, selbst zum Mikro zu greifen, habe er schnell verworfen. "Wieso sollte ich etwas einsingen, wenn ich jemanden wie James neben mir habe? Seine Stimme ist ungemein variabel. Es gibt einige Stellen auf dem Album, wo wir ihn so oft übereinanderlegten, dass er fast wie ein ganzer Chor klingt." Beide nahmen aber nicht nur auf, sondern auch eine ganze Menge mit - zum Beispiel, dass Freundschaft einen Kreativprozess ungemein befördern kann, wie Burton betont. "Wir haben gelernt, uns gegenseitig zu vertrauen. Und wir haben gelernt, dass es keine Schande ist, abhängig vom jeweils anderen zu sein. Das ist ein Zustand, den ich so noch nie erreicht habe". Für Mercer war das eine ungewohnte Situation. Bei den Shins schrieb er seine Songs meistens alleine und hatte dementsprechend die Kontrolle über den Entstehungsprozess. "Die Vorstellung, improvisieren zu müssen, und dabei auch noch jemanden zufriedenzustellen, machte mir Angst", erinnert er sich. Gleichzeitig sei er in einer kreativen Sackgasse gewesen, sah für die Shins keine wirkliche Perspektive mehr, so dass Broken Bells für ihn gerade zum richtigen Zeitraum kam. "Man darf nicht das Beste aus dem machen, was gemeinsam entstanden ist. Man muss das Beste finden, was entstehen kann.", sagt Burton irgendwann im Verlauf des Gesprächs. Das klingt natürlich arg esoterisch, wirkt aber durchaus schlüssig, wenn man sich die Arbeitsweise der beiden vor Augen führt. Hier James Mercer, laut Burton ein Mann mit einem "unglaublichen Gespür für Melodien." Und dort Brian Burton, der irgendwann im Verlauf des Gesprächs sein iPhone herausholt und nicht ohne Stolz einen durchaus bemerkenswerten Instrumentenpark auf Fotos vorführt. Einen größeren hätte seines Wissens nach nur Gorillaz-Chef Damon Albarn. "Manchmal dachten wir uns: 'Hey, das Keyboard haben wir noch gar nicht verwendet. Let's give it a try!'", sagt Burton. Er genießt es offenbar, herumzuspielen, Musiker und nicht Produzent zu sein und plant dementsprechend weiter: Ideen für das zweite Album habe man reichlich, sagt er. Und Zeit sowieso, denn eines ist klar, auch wenn beide ihre anderen Bands nicht ais aufgelöst betrachten: Sowohl die Shins als auch Gnarls Barkley liegen auf Eis.

Das Album "Broken Bells" von Broken Bells ist bei Sony BMG erschienen.

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