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Gegen die Plastik-Welt: Bonnie kämpft gegen den Nordpazifischen Müllstrudel

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Schätzungsweise 100 Millionen Tonnen Plastikmüll treiben mittlerweile in den Weltmeeren. 80 Prozent davon stammen ursprünglich vom Festland, wurden vom Wind und über Flüsse ins Meer getragen. Im sogenannten Nordpazifischen Müllstrudel versammeln sie sich. Denn die Strömungen der Ozeane sind alle miteinander verbunden, und so finden sich die meisten Plastikteile über kurz oder lang in diesem riesigen Gebiet zwischen Japan und den USA wieder, wo sie zusammen mit dem Nordpazifikwirbel auf ewig ihre Runden drehen.

Bonnie Monteleone ist Studentin an der University of North Carolina at Wilmington und hat für ihre Masterarbeit sowohl den Atlantik bereist als auch 30 Tage auf dem Nordpazifik verbracht, letzteres an Bord des Forschungskatamarans der „Algalita Marine Research Foundation“. Monteleone kämpft auf dem Wasser genauso wie an Land gegen die ständig anwachsende Plastikverschmutzung der Meere. Auf The Plastic Ocean dokumentiert sie ihre Arbeit.

jetzt.de: Erinnerst du dich an die Szene in „American Beauty”, in welcher der Nachbarsjunge eine im Wind tanzende Plastiktüte gefilmt hat? Er zeigt sie mit den Worten, es sei das schönste, was er je gefilmt habe. Mit welchen Augen betrachtest du diese Szene?
Bonnie: Oh, ich erinnere mich gut! Als „American Beauty“ im Jahr 1999 herauskam, dachte ich noch nicht viel über Plastikverschmutzung nach. Tatsächlich liebte ich damals diese Szene. Aber wie bei so vielen Menschen brauchte es auch bei mir eine Änderung des Blickwinkels, um den Schrecken der Plastikverschmutzung zu sehen. An Land habe ich einen toten Waschbären am Straßenrand gefunden; eine aus dem Auto geworfene Plastiktüte mit Lebensmittelresten war um seine Schnauze gewickelt. Auf dem Ozean habe ich Fische gesehen, die in Plastik eingeschlossen waren. Plastikstücke und Tüten werden von den Seevögeln, den Fischen, Walen, und Meeresschildkröten gefressen, bis sie keine andere Nahrung mehr aufnehmen können und verhungern. Ich habe mit den Biologen und Chemikern an meiner Uni gesprochen, die mir erzählt haben, dass auch an unseren Küsten hier in North Carolina immer wieder Wale stranden – mit dem Magen voller Plastiktüten.

jetzt.de: Oh ...
Bonnie: ... heute sehe ich keine Schönheit mehr in tanzenden Tüten. Was ich dagegen faszinierend finde ist, wie blind wir gegenüber unsachgemäß entsorgtem Müll an Land sind – und ich sehe hier in Amerika täglich viele solcher Plastiktüten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


„Was für einen Sinn für Humor der Ozean doch hat“, dachte Bonnie Monteleone in dem Moment, als sie, nach Plastikteilen keschend, gerne etwas spannendes finden wollte, das der Welt zeigen würde, wie wir unsere Meere behandeln. Das Meer hatte als Antwort einen Toilettensitz ausgespuckt. Foto: privat


jetzt.de: Wie bist du denn auf die Plastikverschmutzung der Meere aufmerksam geworden?
Bonnie: Es war der Artikel Plastic Ocean von Susan Casey. Ich habe ihn drei Mal hintereinander verschlungen. Eine Woche später fand ich im Internet die Algalita Marine Research Foundation von Captain Charles Moore und habe online die Bewerbung als ehrenamtliche Hilfskraft ausgefüllt. Zusammen mit der Fakultät für Chemie an meiner Uni hat dann eine Zusammenarbeit mit Algalita begonnen, in deren Rahmen ich meine Masterarbeit gemacht habe.

jetzt.de: Und worum geht es in deiner Masterarbeit?
Bonnie:Zur Zeit schauen wir die Plastikproben aus dem Nordatlantik und dem Nordpazifik an, um herauszufinden, um welche Plastiksorten es sich handelt. Ich möchte in meiner Masterarbeit auch die Frage beantworten, wie sehr die Meeres-Tierwelt unter dem allgegenwärtige Plastik leidet – dadurch, dass Tiere darin eingeschlossen werden, sie sich darin verfangen oder dass sie es fressen. Ein weiteres Ziel für mich ist es außerdem, in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Plastikverschmutzung der Meere zu schaffen.

jetzt.de: Der Nordpazifikwirbel ist ein unglaublich großes Gebiet. Wie sieht es dort aus – wie kann man sich diesen Müllstrudel vorstellen?
Bonnie: Ich gebe zu, als ich das erste Mal vom großen Pazifischen Müllstrudel las, stellte ich mir einen spiegelglatten Ozean vor, auf dem das Plastik schwimmt wie Enten auf einem Teich. Leider entspricht das nicht der Realität, denn wäre es so, könnten wir Fotos machen und sie an alle Massenmedien der Welt schicken. Doch ähnlich wie bei einem Eisberg befindet sich das meiste unter der Oberfläche. Wir haben auf dem Nordpazifik zum Beispiel mehrere 208-Liter-Fässer aus Plastik gefunden: Im Ozean haben nur wenige Zentimeter davon aus dem Wasser herausgeschaut. Das einzige, was wie Enten schwamm, waren Bojen und Fußbälle (ich habe beides gesehen), Styropor oder Flaschen mit Deckel. Es sah also überhaupt nicht so aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und wenn man darüber nachdenkt, ist es so viel schlimmer, denn dadurch, dass man dieses Plastik kaum sieht, wird eine denkbare Aufräumaktion viel schwieriger. Außerdem sind viele der Objekte eine Gefahr für Boote – so manches Geister-Fischnetz war drauf und dran, unsere Schiffsschraube abzureißen!

jetzt.de: Was sind deine Eindrücke von 30 Tagen auf dem Nordpazifik?
Bonnie: Die schönsten Erinnerungen habe ich an die Meerestiere. Fliegende Fische, die erstaunliche Strecken segeln. Rotfußtölpel, die mir während meiner Nachtwachen von 4 bis 6 Uhr Morgens Gesellschaft leisteten. Dann, als wäre im Himmel die Leuchtreklame „Frühstücksbuffet eröffnet“ erschienen, flogen sie alle gleichzeitig in die selbe Richtung davon. Aber am meisten haben mich die Albatrosse beeindruckt. Wie sie so tief flogen, den Wellen spottend, dann kurz verschwanden und Sekunden später triumphierend wieder auftauchten. Ich wurde es nie leid, diesen Vögeln zuzusehen; vor allem, da mir nur allzu bekannt war, dass sie Plastikstücke oft für Fische halten.

jetzt.de: Gab es auch negative Erfahrungen?
Bonnie: Ja, leider. Darunter die Tatsache, dass jede unserer Wasserproben Plastikteile beinhaltete. Am Anfang war ich enthusiastisch, denn das war ja mein Untersuchungsmaterial. Aber bei der zwanzigsten Probe, die wir in diesem so unglaublich abgelegenen Gebiet nahmen, dachte ich bedrückt, dass es wohl keinen Flecken auf dieser Weltkugel mehr gibt, den wir Menschen nicht verschmutzt haben. 54 Proben haben wir insgesamt genommen. Jede einzelne mit Plastik.

jetzt.de:Gibt es denn Ideen, wie man dieses Plastik aus den Meeren herausfischen könnte?
Bonnie: Ich vergleiche das Problem gerne mit einer überlaufenden Badewanne, während der Wasserhahn läuft. Was würdest du als erstes tun? Das Wasser vom Boden aufwischen? Oder nicht lieber zunächst den Wasserhahn schließen – und dann erst das Chaos beseitigen?
Das Plastik da draußen wird täglich mehr, weil wir noch keinen Weg gefunden haben, den Menschen beizubringen, wie sie ihren Müll vernünftig entsorgen sollen und dass Plastik recycelt werden muss, dass Plastik einen Wert hat! So vieles von dem Plastik, das in unsere Gullys gelangt und aufs Meer hinausgespült wird, könnte wieder verwertet werden.

jetzt.de: Was siehst du dann als mögliche Lösung?
Bonnie: Dieses Plastikproblem ist ein globales Problem. Abfälle an Land mögen harmlos aussehen, aber die Wahrheit ist, dass das, was wir an Land nicht aufsammeln, oft über Wind, Regen und die Flüsse ins Meer gelangt. Unsere Ozeane leiden schon genug an der Überfischung und der Zerstörung von Lebensräumen. Das sind riesige Themen, die schwierig anzugehen sind. Das Problem der Plastikabfälle können wir vielleicht noch am leichtesten lösen: Es fängt damit an, dass wir unseren Blickwinkel ändern.


Mit dem Thema befasst sich auch ein aktueller Dokumentarfilm, der gerade in den Kinos zu sehen ist: In Plastic Planet geht Regisseur Werner Boote der Frage nach, wie die Plastikindustrie weltweit funktioniert.

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