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„Was siehst du, was ich nicht sehe?“ Fotografierte Jugend von Rineke Dijkstra

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Nicky, Liverpool, England ** Nicky, 20 Ich möchte immer etwas einfangen, was mehr als nur ein schlichtes Porträt von jemandem darstellt. Dieses Foto mag ich besonders, weil alles darin so symetrisch erscheint – bis auf den leicht hochgezogenen Mundwinkel, dieses angedeutete Lächeln. Nicky hat eine gewisse Coolness ausgestrahlt, die mir sehr gefiel. Auf eine Art kann sie für eine ganze Generation junger Frauen in Liverpool gelten. Auch was ihren Kleidungsstil betrifft. In Liverpool gehen alle Mädchen ziemlich aufgestylt auf die Straße, meistens mit sehr knappen Klamotten.


Amy, Liverpool, England ** Amy, 18 Amy ist etwas verlegen und dennoch sehr selbstbewusst, was auf dem Foto gut rüberkommt. Ich habe mich sofort in ihre Frisur verguckt. Was mir beim Arbeiten mit ihre deutlich wurde: 1996 habe ich schon einmal ein Projekt in Liverpool unternommen. Auch damals haben sich die jungen Menschen getraut, auffällige Kleidung zu tragen – aber sie waren irgendwie viel schüchterner und ängstlicher vor der Kamera als die Jugendlichen, die ich jetzt begleitet habe – wie Amy. Das liegt wohl daran, dass ein Mädchen wie Amy es mittlerweile gewohnt ist, ständig fotografiert zu werden und dann natürlich auch überall zu sehen zu sein. So ist es heute nun mal. Das Fragezeichen in ihrem Gesicht ist allerdings auch typisch für ihre Altersklasse. Sie scheint sich fast zu wundern: „Was siehst du, was ich nicht sehe?“


Megan, The Krazy House, Liverpool, England ** Megan, 15 Megan ist Amys jüngere Schwester. Sie wollte gerne Disco-Musik während des Shootings hören. Es hat nicht lange gedauert, da hat sie sich vor der Kamera verhalten, als wäre diese gar nicht da. Als wäre es Freitagabend, und sie in ihrem Lieblingsclub. Ihre Klamotten unterstreichen den Stil der anderen Mädchen. Einfach typisch Liverpool.


Ruth Drawing Picasso (Videostill) ** Ruth, 8 Im Museum „Tate Liverpool“ habe ich mit der Videokamera eine ganze Schulklasse gefilmt, dieses Foto ist nur ein Stand-Still. Die Kinder standen vor dem Bild „Weinende Frau“ von Picasso, haben darüber diskutiert und versucht, es abzumalen. Dieses Mädchen saß dort auf so besondere Weise, ein bisschen wie ein Teddybär. Sie wusste, dass sie gefilmt wurde, blieb aber voll und ganz sie selbst. Kids in diesem Alter lassen sich eben von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen.


The Weeping Woman (Videostill serie 1- overview) ** Schulklasse von Ruth Die Kinder haben es genossen, gefilmt zu werden und viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn man das Video anschaut, bemerkt man auch sofort ihren Mitteilungsdrang. Alle wollten erzählen, was sie persönlich in dem Bild sahen. Ich habe sie gefragt: „Was glaubt ihr, warum die Frau weint?“ Und sofort bekam ich alle möglichen Vorschläge. Ein Junge meinte, sie hätte vielleicht im Lotto gewonnen und das viele Geld irgendwo verloren. Ein anderer meinte, sie wäre vielleicht auf einer Hochzeit gewesen, hätte den Kuchen fürs Brautpaar geklaut, und jetzt wären alle sauer auf sie. Das Thema „Hochzeit“ kam häufiger zur Sprache, vielleicht weil die Kinder schon oft mit den Begriffen Heirat und Scheidung konfrontiert wurden. Worüber sich fast alle einig waren, war dass der Frau im Bild irgendwas Schlimmes passiert sein musste. Nur ein Mädchen sah es ganz anders, auf einer eher emotionalen Ebene. Die Frau sei einfach nur traurig, es muss ihr nicht unbedingt etwas zugestoßen sein, sagte es. *** „Liverpool“ von Rineke Dijkstra ist noch bis zum 27. März in der Berliner „Galerie Max Hetzler“ zu sehen.

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