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In den Schuhen von Craig „Lazy“ Lynch

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Was sind das für Schuhe? Alte Knastlatschen jedenfalls sind es schon lange keine mehr, Craig „Lazy“ Lynch – so nennt sich der junge Haftflüchtige auf Facebook- ist nämlich schon seit September diesen Jahres auf freiem Fuße unterwegs. Die Polizei ist ihm immer noch nicht auf die Schliche gekommen- und das, obwohl er seine Mitmenschen fast tagtäglich über sein Facebook-Profil auf dem Laufenden hält: „"Mmmh, hatte gerade ein Hirschkotelett mit Gemüse und Pommes, oberlecker. Ich bin voll, hab aber noch Platz für den Nachtisch.", oder "Ich frag’ mich gerade, welches glückliche Mädel ich 2010 wohl als Erstes vernaschen werde.“, sind da nur Beispiele von Nachrichten, die er über das soziale Freundesnetzwerk in alle Welt verbreitet. Wirklich aufschlussreich über seinen heißumstrittenen Aufenthaltsort sind diese Informationen natürlich nicht. Sie belustigen mittlerweile über 1500 Freunde und Anhänger, die Lynch über Facebook gesammelt hat – animiert sie sogar, ihm bei seinen Versteckspielchen zu helfen. Am zweiten Weihnachtstag fragte er die sich digital um ihn scharende Öffentlichkeit in einer Statusmeldung, wo sich jeder einzelne von ihnen verstecken würde, befänden sie sich in seiner Situation. Gut 60 Leute schlugen per Kommentar ihre Ideen vor. Unter einer weiteren Statusmeldung des Ausgebrochenen fragte ein Facebook-User Lynch, ob dieser noch wohlauf und unentdeckt sei. Daraufhin erwiderte der:„Na klar! Die besitzen doch die nötige Intelligenz mich zu schnappen gar nicht! Gerade zum Beispiel saß ich stundenlang in einem Pub, direkt gegenüber einer Polizeistation. Je offensichtlicher ich werde, desto schwerer tun sie sich!“ Die Polizisten dürfte dieses Verhalten mehr als zur Weißglut treiben, scheint Lynch ständig so nah und ist dabei doch so fern. Sogar die Betreiber von Facebook konnten den Ordnungshütern bisher nicht dabei helfen, nützliche Anhaltspunkte zu dem Aufenthaltsort Lynchs herauszufinden. Daraufhin wandten sich die Kriminalpolizisten an CNN und andere Nachrichtendienste- in der Hoffnung auf Hinweise aus der Bevölkerung.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Craig "Lazy" Lynch führt die Polizei an der Nase herum Wo kommen diese Schuhe her? Der damals 21-jährige Craig Lynch wurde 2002 wegen schweren Einbruchs zu siebeneinhalb Jahren Haft im Gefängnis Hollesley Bay verurteilt. Lynch hatte in dieser Strafanstalt im englischen Suffolk den verhältnismäßigen Luxus einer offenen Haftstrafe genießen dürfen. Dabei wird es dem Häftling erlaubt, die Gefängniseinrichtung tagsüber zu verlassen, um einer geregelten Arbeit nachzugehen. Welche Art von Arbeit das nun im Falle Lynchs genau war, ist nicht herauszufinden. Fest steht nur, dass sich diese offene Haftstrafe ganz stark dem Ende neigte: nicht einmal mehr ein halbes Jahr lang hätte es gedauert, bis Lynch wieder in den Genuss der offiziellen Freiheit entlassen worden wäre. Wieso er so kurz vor seiner Entlassung ausbrach und dadurch jetzt in jedem Fall einen neuen Prozess provoziert, wirft viele Fragen auf. Aber vielleicht hat es schlichtweg mit seinem ebenfalls auf Facebook publizierten Lebensmotto und dem daraus lesbaren Willen zum extremen Risiko zu tun: „Life is what you make it, live fast, die young!!!“ Wo gehen diese Schuhe hin? Ja, wenn das nun so einfach wäre! Einer der aktuellsten Posts Lynchs auf der meistgenutzten der sozialen Netzwerkplattformen lautet: „Tja Freunde, was soll ich sagen, bald ist die Flucht vorbei. Ich weiß, dass einige es mir übel nehmen, weil ich ihnen vorher nichts davon gesagt habe. Aber ihr kennt mich. Ich vertraue keinem. Anders geht's nicht." Was das jetzt konkret heißen soll - man weiß es nicht. Hat er die Hoffnung unerkannt zu bleiben, aufgegeben? Wird er sich gar freiwillig stellen? Durchs Netz raunt passend dazu die Nachricht, er habe preisgegeben, sich zu Silvester auf einer Party im englischen Lowestoft einzufinden – dass das auch die Polizei mitkriegt, sollte ihm wohl bewusst sein. Genauso könnte es aber auch nur wieder falsche Fährtenlegung sein. Bleibt noch die Möglichkeit, seine Aussage als Nachricht über den vollständigen Rückzugs aus dem Internet zu interpretieren. Vielleicht ist ihm die Spurenhascherei dort ja doch zu heikel geworden. Was auch immer er sich überlegt hat - hoffen wir, dass es nichts mit den letzten beiden Worten seines Lebensmottos zu tun hat.

Text: mercedes-lauenstein - Bild: Facebook/Craig Lynch

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