Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Winnenden, später

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Hardy Schober, 50, verlor beim Amoklauf von Winnenden seine Tochter Jana. Heute ist er einer der Initiatoren des "Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden" (aktionsbuendnis-amoklaufwinnenden.de) und Vorstand der Stiftung "Gegen Gewalt an Schule". Im Interview erklärt er, warum er für ein Verbot von bestimmten Waffen ist und wie manche Fanatiker auf sein Engagement im Aktionsbündnis reagieren. jetzt.de: Herr Schober, stimmt es, dass Sie Drohbriefe von Waffenfanatikern erhalten haben? Schober: Ja, zahlreiche. Das geht von Beschimpfungen bis hin zu Morddrohungen. Wie erklären Sie sich diese extremen Reaktionen? Für Sportschützen geht es um ihr Hobby und das wollen sie sich von niemandem wegnehmen lassen. Sie fühlen sich in ihrer vermeintlichen Freiheit eingeschränkt. Das "Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden" fordert unter anderem ein Verbot großkalibriger Waffen und die getrennte Aufbewahrung von Munition und Waffen. Kritiker entgegnen: ,Wer Amok laufen will, wird das tun und sich irgendwie eine Waffe besorgen . . .‘ Das ist sicherlich richtig. Aber wir wollen ein Ereignis, wie es in Winnenden geschehen ist, unwahrscheinlicher machen. Meine Tochter würde noch leben, hätte Tims Vater seine Pistole nicht offen herumliegen lassen. Natürlich gibt es Millionen Schützen in Deutschland, die verantwortungsvoll mit ihrer Waffe umgehen. Leider ist es aber auch eine Tatsache, dass die Menschen, die legal eine Waffe besitzen, meist auch diejenigen sind, die zusätzlich illegale Waffen haben - zumindest hat mir das ein Sportschütze so erzählt. Die Waffe, eine 9mm-Beretta, die Tim benutzte, ist für Sportschützen ungeeignet. Noch acht Tage vor der Tat hat er damit im Schützenverein geschossen.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Tims Vater wird im nächsten Jahr wegen 15-facher fahrlässiger Tötung vor Gericht gestellt werden. Was empfinden Sie dabei? Zunächst einmal wollen wir, dass die noch offenen Fragen geklärt werden. Hat er nicht bemerkt, dass sein Sohn psychisch belastet ist? Warum hat er nichts dagegen unternommen? Allein deswegen ist der Prozess sinnvoll. Uns, den Angehörigen der Opfer, geht es weniger um Genugtuung oder Rache - wir könnten auch mit einem Freispruch leben. Wichtig aber ist eine vollkommene Aufarbeitung der Geschehnisse vom 11. März. Hat sich Tims Vater bei ihnen gemeldet? Er hat mir über seinen Anwalt einen Brief zukommen lassen, aber dabei ging es ihm eher um die Vermeidung eines Prozesses. Persönlich habe ich von ihm nichts gehört. Und der Schützenverein? Auch mit dem haben wir keinen Kontakt. Sie setzen sich auch für ein Verbot von Killerspielen ein. Spielen Kinder und Jugendliche nicht immer Krieg? Halten Sie nichts von der Katharsis-Hypothese, wonach es bei Gewaltdarstellungen und -spielen zu einer Triebabfuhr kommt? Wir sind für eine Indizierung von Spielen, bei denen es um das gezielte Töten von Menschen geht. Schauen Sie sich zum Beispiel "Call of Duty 4: Modern Warfare 2" an - dort muss man als Terrorist Zivilisten an einem Flughafen töten. Solche Spiele dürfen für 13-Jährige nicht frei zugänglich sein! Bei Erwachsenen ist es eine Frage des guten Geschmacks. Inwieweit hat sich das Leben in Winnenden wieder normalisiert? Man muss unterscheiden zwischen dem Leben in der Stadt und dem Leben der Angehörigen. Die Albertville-Realschule wird umgebaut und der Unterricht findet noch immer in Ersatzcontainern statt. Insofern wirkt das Ereignis nach. Für uns Angehörigen kann sich das Leben nicht normalisieren. Mir wurde meine Tochter genommen, daran kann man sich nicht gewöhnen.

Text: philipp-mattheis - Foto: Juri Gottschall

  • teilen
  • schließen