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Mädchen, warum mögt ihr Partner-Pickel?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Liebe macht blind, sagt man. Und auch, wenn diese Weisheit ursprünglich einem anderen Kontext entstammt, ist ein gewisses Maß an Blindheit für jede funktionierende Partnerschaft essenziell. Denn nur so ist es möglich, ungeschminkt und unrasiert nebeneinander aufzuwachen, ohne dass man gleich die Beendigung der Beziehung befürchten muss. Aus Gründen gegenseitiger Rücksichtnahme macht man seine bessere Hälfte nicht ständig auf jeden temporären körperlichen Makel aufmerksam, zeigt Verständnis für die fehlende Zeit zum Haarewaschen und sieht auch mal geflissentlich darüber hinweg, wenn das Epiliergerät zwischen all den Tuben, Döschen und Fläschchen im Badezimmer mal wieder nicht auffindbar war. Doch es gibt auch Fälle, da macht die Liebe sehend und funktioniert wie Nachtsichtgerät und Vergrößerungsglas in einem. Und zwar dann, wenn wir Jungs einen Pickel mit uns herumtragen. Er kann noch so klein, noch so unauffällig schräg hinterm linken Ohrläppchen versteckt, noch so gut unter dem Schirm unserer Kopfbedeckung verborgen sein – ihr findet ihn. Und sobald ihr in ausfindig gemacht habt, tut ihr so, als hättet ihr einen neuen Kontinent aufgespürt oder einen neuen Stern, der fortan den Namen seiner Entdeckerin trägt. Ihr klatscht freudig erregt in die Hände, macht nicht selten einen Luftsprung und bekommt diesen leicht gierig-wollenden Blick, den wir von euch gerne mal beim Sex sehen würden. Sodann fallt ihr wie wilde Tiere über uns her, klemmt angestrengt die Zunge zwischen Ober- und Unterlippe und quetscht quietschfidel an uns herum, als ginge es um den Titel bei der deutsche Meisterschaft im Pickelausdrücken. Dabei ist es euch auch völlig gleichgültig, wo und wann ihr auf unsere Hautunreinheiten aufmerksam werdet. Es stört euch nicht, wenn man sich bei einem romantischen Abendessen anlässlich des gemeinsamen Jahrestags inmitten einer Hundertschaft von Restaurant-Gästen in exquisitem Ambiente befindet. Es kommt auch vor, dass ihr einen nicht, wie üblich, mit einem Kuss begrüßt, sondern erstmal mit einem gekonnten Pickel-Quetscher am Stirnlappen. Und als Junge stellt man sich irgendwann eben doch einmal die Frage: Was bitte soll das? Natürlich freuen wir uns über euer Interesse an unserer Körperhygiene und möchten euch auch ganz bestimmt nicht den guten Willen hinter solchen kosmetischen Eingriffen absprechen. Doch ein anderes Wort für Pickel ist Eiterbläschen, und spätestens jetzt wirft eure Faszination daran doch einige Fragen auf: Wieso freut ihr euch so über die Pickel eurer Partner? Was begeistert euch so am Pustel-Ausdrücken? Warum bestaunt ihr nachher auch noch stolz das Resultat eurer Mühe? Sind die Pickel Anderer nicht wahnsinnig eklig? Und warum ernten wir nur abschätzige Blicke, wenn wir euch selbst mal auf einen klitzekleinen Mini-Pickel bei euch aufmerksam machen, den man eigentlich ja auch gar nicht sieht? Rosarot sei die Liebe, heißt es, weil man die Welt als Verliebter durch eine entsprechend getönte Brille betrachte. Die Stellen, an denen früher einmal Pickel waren, sehen genauso aus. Also muss das wohl einfach Liebe sein, oder?


Die Mädchenantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich muss es vorweg sagen: Bevor ich jemandem auch nur einen einzigen Pickel ausdrücke, verbringe ich lieber einen Tag mit Charlotte Roches „Feuchtgebiete“-Protagonistin Helen in ihrem Krankenhausbett. Vielleicht ist das nicht besser. Aber das Wort „Pickel“ allein ist für mich Fiebertraum. Noch schlimmer: „Pimpel“. Gleich schießen mir diese Bilder in den Kopf. Unbeholfener, fettiger, pubertierender Junge mit gipfelförmigen Eiterbeulen. Muttis glühend gierende Adleraugen, Fingernägel, Flatsch. Dann sanftes Erleichterungsseufzen. Tief aus ihrem Innersten. Ihr habt schon Recht: Männer machen so was nicht. Ich bin nicht groß überrascht, wenn sich eine meiner Freundinnen als Pickelgierige entpuppt. Im Gegenteil erinnere ich mich, sogar einmal überlegt zu haben, ob das Problem vielleicht bei mir liegt. Denn: Ist es nicht ein gutes Zeichen, wenn jemand keine Angst vor völlig natürlichen Körperabsonderungen hat? Körpersaft ist Körpersaft, ob Eiter oder Sperma. Ist Pickelausdrücken vielleicht eine Art, den Mann schwach zu machen und die Kontrolle zu übernehmen? Ihn in einem Moment der Intimität ganz für sich zu vereinnahmen? Und damit ganz normal? Ich kann das trotzdem nicht geil finden. Und die nächste Pickelmutti, die in meiner Gegenwart an jemandes Pickel will, werde ich an ihren PC schieben. Und dort das Akne Onlinespiel- "Befreie den Jungen von seiner Akne, indem du ihm per Mausklick alle Pickel ausdrückst." als Lesezeichen in die Browserleiste speichern. Da kann sie dann in aller Ruhe ihrem Bedürfnis nachgehen. Vielleicht gibt es ja noch ein zweites Level namens: „Und jetzt iss’ alle Popel, die du in seiner Nase finden kannst.“ Es gibt diese Clerasil-Werbung, in der ein Gesichtsreinigungsmittel angepriesen wird. Slogan „Porentiefe Reinigung“. Eine vasenförmig in der Haut sitzende Pore erscheint auf dem Bildschirm. Sie ist schwarz gefüllt: Ein Mitesser. Clerasil’s Supermittel dringt alsbald in sie ein und spült den Schmutz heraus. Aber dann: ein klitzekleiner schwarzer Rest bleibt zurück, kurz bevor das Bild ausgeblendet wird. Hat die Grafikerin nicht aufgepasst? Jedes Mal, wenn diese Werbung läuft und ein Mädchen neben mir sitzt, kommt zuverlässig: „Aaah! Guck’ doch mal. Das regt mich jedes Mal auf! Da bleibt ja noch voll viel drin! Das gibt’s doch nicht! Da will man doch sofort selbst hingehen und das ausquetschen!“ Es muss also etwas mit dem weiblichen Instinkt zu tun haben, mütterlich die Kontrolle zu übernehmen. Reinigend und wohltuend einzugreifen. Sei es bei der Rotznase eines Kindes, den Tomatenflecken im Mundwinkel oder dem Semmelbrösel in der Wimper. Sofort wird der Finger mit Spucke befeuchtet und eh man sich versieht, hat man ihn auf dem eigenen Gesicht. „Du hattest da was, das konnte ich nicht länger mit angucken.“ Das ist dann der „Mutti wird’s schon richten“-Ton. Passt zu: „Immer muss man alles selber machen!“ Klar, dass man dann auch einem hochschwangeren Pickel beim Gebären hilft. Was raus muss, muss halt raus. mercedes-lauenstein

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