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Floppy Molloy – Schnitzel des Grauens

Text: klinsmaus
Floppy Molloy lag in der Badewanne. Sie rasierte ihre Zehen und sah sich ihre Leberflecken an. Dann rauchte sie Mädchenzigaretten. Wahnsinn, was man alles verpasste, wenn man einen Job hatte.



Als sie noch Volontärin bei Frege & Begemann Ltd. gewesen war, hatte sie auch keine Zeit gehabt, Marshmallow Käsekuchen zu backen, PG-Tips nachzubestellen oder einen Katzentherapeuten zu finden. Schnitzel brauchte nämlich dringend einen: Die letzten Monate hatte er nahezu vollständig depressiv in der Ecke verbracht. Nur wenn Floppy ihn stundenlang durchknetete, hatte er ein leises Schnurren angedeutet.



Bloß hatte Floppy in den letzten anderthalb Jahren kaum Zeit gehabt. Weder zum Katerdurchkneten noch zum Freunde treffen, Eltern anrufen oder Kriegundfriedenlesen. Weil sie den ganzen Tag Ablage machte, telefonierte, Gewinnmargen berechnete und nach Dienstschluss ihrem Chef hinterhersortierte, hatte sie am Abend meistens beim Schnulzenschauen gestrickt. Ihren geheimen Kondomvorrat hatte sie irgendwann weggeschmissen und das Kästchen mit IKEA-Potpourri aufgefüllt, an dem sich wenig später Schnitzel den Magen verdorben hatte.



Der kotzende Kater hatte ihr ein schlechtes Gewissen gemacht, doch dann hatte sie leider auch schon losgemusst – die Lizenzen riefen – und am Abend saß Schnitzel eh wieder depressiv wie immer in seiner Ecke. Floppy musste sich also keine Sorgen machen.



Sorgen machte sie sich erst, als Marcel sie betont sachlich fragte, ob sie nachher zu einer Besprechung in sein Büro kommen könne. Besprechungen hatte es bisher nie gegeben. Und sachlich war ihr Chef auch noch nie gewesen. Dass er ihr wenig später erzählte, dass man zwar ihr Engagement sehr schätze, aber nach reiflicher Überlegung die Geschäftsführung – gegen seinen entschiedenen Widerspruch – keinen finanziellen Spielraum für ihre Übernahme in Festanstellung sah (Floppy glaubte kein Wort). Ihren Bereich würde in Zukunft Alana übernehmen, die vollbusige Langzeitpraktikantin, auf die Marcel schon seit Monaten scharf war.



Floppy grinste zynisch, dankte für das Gespräch und ging nach Hause. Dann ging sie zum Psychologen, ließ sich wegen akuten Mobbings krankschreiben und drohte Marcel mit einem Prozess. Kleinlaut willigte er ein, die nächsten fünf Monate ihren Lohn weiterzuzahlen.



Mit einem debil zynischen Grinsen legte sich Floppy in die Badewanne. Sie rasierte sich die Zehen, inspizierte ihre Leberflecken und rauchte Mädchenzigaretten. Sie trank Martini aus der Flasche und futterte Oliven dazu. Sie wollte gerade anfangen, an sich rumzuspielen, als es gehörig rumpelte.



Floppy setzte sich auf. Das klang nah. Das war doch nicht etwa auf ihrem Balkon? Da, wo sie Schnitzel zur Frischlufttherapie hingesetzt hatte? Der Kater hatte doch nicht etwa …



Sekunden später wusste Floppy, dass mit Schnitzel alles in Ordnung war. Die Leiche auf ihrem Balkon war eindeutig eine Frau.

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