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Fernsehen und Internet nähern sich an - Interview zum TV-Duell mit Alan Schroeder

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Live-Blogs während der Presidential Debates, die doch eigentlich ein Fernsehformat sind – wer kommt denn auf so eine Idee? Alan Schroeder: 2008 haben dutzende politik-orientierter Websites Live-Blogs unterhalten, hinzu kamen die großen nationalen Nachrichtenanbieter, und außerdem haben einzelne Bürger ihre privaten Weblogs mit solchem Material bestückt. Die großen Nachrichten-Websites hatten eigentlich keine andere Wahl, denn sie durften ihrer Online-Konkurrenz keinen „Scoop“ erlauben. Darüber hinaus ist Live-Blogging ein guter Weg für die Printmedien, um sich in die unmittelbare Interpretation und Bewertung einzumischen – denn üblicherweise ist das die Domäne des Fernsehens in den Sendungen direkt im Anschluss an die Debatten. Und was steht in diesen Live-Blogs? Ich habe mir viele solcher Live-Blogs von professionellen Journalisten angesehen, und ich würde sagen, dass die großen Anbieter nicht die ganz starken Meinungsartikel präsentieren – die reinen Online-Medien bieten ihren Lesern viel eher klare Einschätzungen und Bewertungen an. Ein Grund dafür ist natürlich, dass Zeitungen wie die New York Times oder die Washington Post nur ungern eine politische Haltung einnehmen und keinen Kandidaten bevorzugen möchten. Für einzelne Blogger oder ideologisch klar positionierte Websites wie etwa die Huffington Post gilt diese Einschränkung natürlich nicht – dort erwarten die Leser einen ganz klaren Blickwinkel. Die Folge ist, dass die von professionellen Journalisten geschriebenen Blogs manchmal etwas dröge sind, die ideologisch eindeutigen dagegen eher unterhaltsam. Interessanter Weise stimmt diese Differenz mit einer größeren Teilung der Presselandschaft überein: für die traditionellen Nachrichtenmedien (wie etwa die New York Times) ist Objektivität das höchste Gut, und auf der anderen Seite bringen sich die Anbieter von „Meinungs-Nachrichten“ wie Fox News, Huffington Post oder Daily Kos in Stellung – deren Publikum sucht nach einer Bestätigung für die eigene politische Einstellung. Und weil das Live-Bloggen der Debatten eine Art „Theaterkritik“ ist, die von den Autoren klare Aussagen erfordert, haben es traditionelle Journalisten automatisch schwerer. Aber wer liest das denn? Gibt es eine bestimmte Zielgruppe für Live-Blogs? “Wer liest das?” ist tatsächlich die Schlüsselfrage – und dummerweise ist es unmöglich, sie auch nur halbwegs genau zu beantworten. Wir wissen, dass während der ersten Debatte zwischen Obama und McCain etwa 150.00 Menschen die Website MyDebates.org aufgerufen haben, ein Gemeinschaftsangebot von MySpace und der Commission on Presidential Debates. Die Debatte gab es dort als Live-Stream und es bestand die Möglichkeit zu direkten Zuschauerkommentaren – Statistiken für die anderen Debatten sind leider nicht bekannt. Obwohl 150.00 nach einer eindrucksvollen Zahl klingt, so ist es mit Blick auf die 56 Millionen Menschen, die sich die Debatte im Fernsehen angesehen haben, nur eine sehr kleine Gruppe. Vermutlich aber waren hier besonders interessierte „political junkies“ dabei, die sich auch noch selbst beteiligen wollten. Heutzutage scheint es drei Wege zu geben, sich eine Debatte anzuschauen: erstens das traditionelle, passive TV-Format, das die dominante Methode bleibt; zweitens den Live-Stream, der eher etwas für Jung- und Erstwähler zu sein scheint, die vielleicht keinen Fernseher haben oder lieber auf dem Computer zuschauen; und drittens das Multi-Tasking-Format, bei dem die Zuschauer den Fernseher einschalten, aber nebenbei die Debatte und die Reaktionen darauf auf dem Rechner verfolgen. Zu dieser letzten Gruppe gehören wohl auch die Politik- und Nachrichtenversessenen – aber die Quoten zeigen es: die allergrößte Zahl der Zuschauer begreift die Debatten als passiven Mediensport. Und was bringt das? Was verändert sich in der politischen Berichterstattung über die Debatten? Schauen die TV-Experten vor ihrem Auftritt im Anschluss an die Debatte noch schnell in die Live-Blogs hinein? Ohne Zweifel hat das Live-Blogging Auswirkungen auf die Nachrichten, besonders die Beschleunigung macht sich bemerkbar. Früher gab es lediglich Kommentare und Auswertungen nach den Debatten, entweder direkt im Anschluss an die Fernsehübertragung. Inzwischen haben viele Menschen einen Zugriff auf die Reaktionen in Echtzeit, noch während die Debatten laufen. Der Nachteil dabei ist, dass sich Zuschauer beeinflussen lassen können, wenn sie wissen, was andere darüber denken – das eigenständige Nachdenken tritt dann in den Hintergrund. Ich denke, es ist zumindest sehr wahrscheinlich, dass die Experten – die so genannten „TV Pundits“ – zumindest bei den prominenten Blog-Anbietern vorbei schauen bevor sie selbst vor die Kamera treten.Generell entstehen die Reaktionen auf die Debatten im Rahmen eines längeren Prozesses. Blogs stellen dabei eine Avantgarde der Echtzeit-Meinung dar, die im Fernsehen direkt nach der Debatte erhärtet wird (oder auch nicht). Dann folgen die Zeitungen in den nächsten 24 Stunden . Nach und nach entsteht so eine allgemeine Wahrnehmung davon, wer die Debatte „gewonnen“ hat und was die wichtigen Momente waren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Und was kommt als nächstes? Sind die Live-Blogs angesichts neuer Mode-Medien wie zum Beispiel Twitter nicht schon ein überholtes, langsames Format? Twitter hat sicher einen Geschwindigkeitsvorteil und bietet die Möglichkeit für eine „massenhafte Interaktivität“ – aber darunter leidet die Genauigkeit der Nachrichten. Die „Tweets“ von Zuschauern während der 2008er Debatten sind mir eher als oberflächliche, flüchtige Eindrücke vorgekommen – und dabei waren sie nicht einmal besonders interessant. Ein Live-Blog dagegen vermittelt eine belastbarere Auseinandersetzung mit dem Geschehen und verleiht dem Blogger eine persönliche, kohärentere Stimme. Das Transkript eines Live-Blogs bleibt eine wertvolle Ressource für die Nachbereitung einer Debatte, gerade weil es in Echtzeit geschrieben ist – frei von den Einflüssen der „Debatte-nach-der-Debatte“. Auch bei jetzt.de kommen Fernsehen und Internet aus Anlass des TV-Duells am Sonntag zusammen: Wir bloggen hier live während Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier ab 20.30 Uhr diskutieren. Alles Weitere zur Wahl gibt es unter jetzt.de/wahl09

Text: christoph-bieber - Foto: ddp

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