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Wie ich den Moment nicht erkannte...

Text: paramore
Vor einem Jahr noch war alles anders. Heute sind die Dinge gleich, nur umgekehrt.

Vor einem Jahr haben wir uns erst richtig kennengelernt, wie du damals richtig festgestellt hast. Dieses Wochenende letztes Jahr im August hat vieles verändert. Ob zum Guten oder zum Schlechten, diese Entscheidung bleibt uns überlassen. Nicht nur durch den vielen Alkohol nämlich sind wir uns näher gekommen, näher als es deiner Freundin, die auch dabei war, wohl lieb war.

Dieser eine Abend blieb mir besonders in Erinnerung. Wir beide haben unsere Liebe für die Backstreet Boys wiederentdeckt und alle anderen damit angesteckt. Wir haben gefeiert bis es draußen wieder hell war, haben getanzt bis das Duschen vorher überflüssig wurde und uns die Textzeilen von Nikkis Hit "Wenn i mit dir tanz" so laut und bedeutungsvoll in unsere verschwitzten und verschmierten Gesichter geschmissen, dass die Nachbarn uns wohl alle für bescheuert hielten. Eine Menge Spaß brachte dieser Abend und große Erschöpfung und Müdigkeit am Ende. Deine Freundin, mit der du seit drei Jahren zusammen warst - deine erste richtige, feste Beziehung - war längst im Bett verschwunden und wir beide waren die letzten. Irgendwie konnte wohl niemand mit uns mithalten. Aber auch die letzten müssen sich irgendwann der Erschöpfung geschlagen geben (und der Heiserkeit), sodass wir beschlossen, dass es auch für uns an diesem Abend genug war. Du wolltest noch eine rauchen. Ich wollte ins Bett. Wir "verabschiedeten" uns an der Treppe, weil wir uns ja so lange nicht mehr sehen würden, schließlich mindestens 4 Stunden. Ich wünschte dir nur simpel eine gute Nacht und war auf dem Weg ins Bett, aber du hieltest mich zurück, hast meinen Namen gesagt und ein Fragezeichen dahinter. Ich habe angehalten, mit ein bisschen Angst vor den nächsten Sekunden. Du hast diesen Moment erschaffen, den ich damals nicht erkannte. Du klangst so erwartungsvoll und wackeltest auf mich zu, verschmitztes Grinsen in deinem gebräunten Gesicht mit den vielen Sommersprossen. Mir war klar, dass ich zu diesem Zeitpunkt nur alles falsch machen würde. Das war alles so neu für mich und du warst so.. du warst so natürlich. Ich fand´s wunderbar. Du warst so warm, deine Haut so weich. Deine Backen glühten rötlich. Und doch war der Moment für mich, damals, ein freundschaftlicher, deshalb blieb es bei dem Kuss auf die Wange, nach dem ich dir nicht in die Augen sehen konnte. Mit langsamen Schritten. Du gingst rauchen. Ich ging ins Bett.

Wie ich um die Uhrzeit ausgesehen haben muss, fragte ich mich später und heute wieder. Dir war´s egal, denn du hast einfach nur mich gesehen und nicht meine zerstörte Frisur.

Die restlichen Tage waren wir oft zusammen, der Abend hatte das Eis gebrochen, das uns vorher umgab. Die Zeit, die wir hatten, haben wir zum Reden und Lachen genutzt, wir hatten uns so viel zu erzählen, hatten wir doch gerade erst entdeckt, wie gut wir uns verstanden. Wir hatten riesige Gespräche! Ich weiß nicht, ob ich mit einem anderen Menschen je solch intensive Gespräche teilte.

Natürlich gab es auch noch deine Freundin, auch wenn sie von mir völlig ausgeblendet wurde, wenn ich bei dir war. Mir kam es vor, als würdest du ihr aus dem Weg gehen, sie nur auf ihr Drängen hin küssen und ich meinte, dir anzusehen, dass du nicht (mehr) glücklich mit ihr warst. Wenige Zeit später hast du sie tatsächlich abgeschossen. Aber du hast versucht, nicht verletzend zu sein (dazu bist du viel zu gutmütig), auch wenn das natürlich nach einer langjährigen Beziehung schwer fällt, du hast ihr erklärt, dass es einfach nicht mehr funktioniert, mit euch beiden und warst enttäuscht, dass sie dich für das Scheitern verantwortlich machte. Du sagtest, dass sie viel zu lange ignoriert hätten und nicht wahrhaben wollten, was Sache war. Sie war am Boden zerstört, du wirktest seltsam befreit, wie ohne das Kreuz auf dem Rücken 20 Kilo leichter. Mit mir redete sie nicht mehr. Ich frage mich, was du ihr damals über uns erzählt hast.

Irgendwann in diesem Zeitraum begonnen wir, uns E-Mails zu schreiben. Wer damit anfing, ich kann mich nicht erinnern. Über unsere Gefühle sprachen wir nie. Ich wollte es nicht, du machtest nie den Anfang, nur Andeutungen, die ich ignorierte. Aber wir sprachen von deiner vergangenen Beziehung, wie es ihr und vor allem dir ging und von der Zukunft. Im September sprachst du einen Satz aus, den ich nie vergessen werde: " Ich will jetzt etwas, das ich nicht haben kann." Du fragtest, ob ich das kannte und verstand. Ich nickte, aber ich verstand nicht.

Wie unerfahren ich doch war. Das war die Chance meines Lebens, die ich vorbeiziehen ließ, weil ich zu feig war, die Wahrheit zu mir vordringen zu lassen.



Und jetzt, in diesem Moment, seit einigen Tagen, ist alles anders. Verkehrtes Spiel.

Du hast seit ein paar Monaten eine neue Freundin, sie sieht aus wie ein Schwein, das sagte ich sofort. Nicht zu dir natürlich. Ich wollte wissen, wie es um euch steht, nach drei Monaten, die ihr schon zusammen wart. Vorher traute ich mich nicht zu fragen. Du erzähltest mir, dass sie schwierig sei und dass du dir das alles anders vorgestellt hast. Aber du nahmst sie auch in Schutz, sagtest, sie hatte eine schwere Kindheit und Probleme, sich anderen zu öffnen. Ich fragte, wem sie sich öffnen solle, wenn nicht dir. Seither habt ihr die Beziehung kurz beendet, dann wieder aufgenommen. du schreibst, bei dir gehe alles drunter und drüber und du versinkst im Chaos. Ich frage, wie ich dir helfen kann. "Bist die Beste", schreibst du.



Aber du siehst mich nicht mehr als das Mädchen von diesem Abend.

Zu oft habe ich deine Andeutungen ignoriert.

In mir zu oft beteuert, dass da nichts ist. Für dich. So sehr, dass es wohl auch in der Welt außerhalb meines Körpers ankam.

Du hast mich aufgegeben, vor Monaten schon, weil du immer noch denkst/dachtest, dass ich dich nicht will.




Aber ich will dich.

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