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Mädchen, sind Stöckelschuhe eure Krawatten?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Vielleicht täusche ich mich, aber ich nehme bei Stöckelschuhen eine ziemliche Kluft zwischen medialer Präsenz und tatsächlichem Alltags-Erscheinen wahr. Wenn man jedenfalls irgendeine für euch gemachte Zeitschrift, Fernsehserie oder Castingshow länger als vier Minuten konsumiert, kann man sicher sein, dass High Heels, Stöckelschuhe oder auch nur Schuhe thematisiert werden. Zum Beispiel in Form des vielbesprochenen „Schuhticks“, der an euch klebt, wie an uns die büffelartige Ablehnung desselben. Dabei geht es ja nie um Sneakers und flache Alltagsschuhe (gibt es die überhaupt für euch?), sondern natürlich immer nur um Frauen, die hallenweise High Heels horten und sich täglich in ein neues Paar verlieben. Nun wissen wir natürlich, dass es auf Marbella auch Männer gibt, die Ferraris sammeln und sich deswegen nicht zwingend alle Männer für Sportwagen interessieren müssen. Aber es stehen wirklich viel mehr Stöckelschuhe in den Schaufenstern als Ferraris und viel mehr, als wir an euren Füßen sehen. Da sehen wir: Flipflops, flache Reinschlüpfschuhe, kleine Turnschuhe, Gummistiefel. Nahezu nie stöckelt jemand wie im Film vor uns über die Ampel. Deswegen heute ein Haufen Fragen zum hohen Fuß. Tragen nur Frauen ab vierzig mit blonder Föhnwelle und betoniertem Strahlen High Heels? Oder ist es eher wie bei uns mit den Krawatten und silbernen Manschettenknöpfen? Also, dass man die Dinger einfach ab einem gewissen Alter im Schrank hat, sie aber eher mit beruflichem Zwang als mit Wohlfühlen in Verbindung bringt? Hat jedes Mädchen mit 23 schon mal Stöckelschuhe angehabt? Oder wird es euch nur von der deutschen Cosmopolitan ständig vorgemacht, so wie uns die deutsche GQ ständig vormacht, dass man dicke Armbanduhren tragen müsste? Werdet ihr in Stöckelschuhen „zur Frau“, sehnt ihr euch also heimlich danach, damit durchs Oberland zu brechen? Aber warum tragt ihr die Dinger dann nie? Wann geht das los? Oder fühlt ihr euch nur generell zu klein? Die Mädchenantwort gibt's auf der nächsten Seite.


Die Mädchenantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich denke da gerade an eine Freundin, die eine gemeinsame Bekannte nach Jahren wieder traf, mir danach aufgeregt erzählte: „Krass, die hatte solche Absätze an!“ und zur Demonstration der unglaublichen Stöckelhöhe Daumen und Zeigefinger großzügig spreizte. Das eigentlich Besondere daran war: Besagte Bekannte war früher eine graue Maus und trug stets ausgetretene Turnschuhe. Durch ihre veränderte Schuhwahl hat sie nun ein komplett neues Image und zieht Aufmerksamkeit auf sich. Sie ist jetzt eine Art Dame, oder, wenn sie nicht aufpasst beim Styling, vielleicht auch eine „Tussi“. Es ist nämlich so: Stöckelschuhe sind etwas sehr Weibliches. Ihr kennt doch sicher zahlreiche Fernsehwerbungen und Vorabendserien, in denen entzückende fünfjährige Mädchen sich mit den Klamotten aus Muttis Schrank verkleiden, dabei ihre winzigen Füße in Muttis riesige Schuhe mit Absatz stecken und damit durch die Wohnung schlurfen. Und das Fernsehen lügt nicht: Wir haben das wirklich gemacht, als wir noch klein waren, und uns dabei nicht etwa als Frau verkleidet, nein, sondern als Dame! Heute ist das wohl noch so ähnlich: Jedes Mädchen kauft sich irgendwann mal ein paar hohe Schuhe, übt wochenlang, darin zu gehen und zieht sie dann zu einer besonderen Gelegenheit (Abiball, Hochzeit der besten Freundin, lang geplanter Besuch in einem besonders teuren Club) an, um damenhaft zu sein. Wenn man sie zu einem Kleid trägt, haben sie auch den praktischen Effekt, dass sie schöne Beine machen. Probiert das mal aus – stellt euch mit nackten Beinen vor dem Spiegel auf die Zehenspitzen. Na, schon mal straffere Waden gesehen? Sicher nicht. Wer Stöckelschuhe trägt, hat aber auch das Kombinationsproblem. Das bedeutet, man sollte sich auch ansonsten schick anziehen, sonst sieht es bescheuert aus. Oder billig. Die meisten von uns haben aber keine Lust, sich andauernd schick anzuziehen. Wir tragen gerne bequeme Kleidung und dazu gehören auch Schuhe, die unsere Füße nicht zwingen, eine unnatürliche Position einzunehmen. Und mal ehrlich, Frauen, die behaupten, ihre High Heels seien bequem, die lügen. Selbst die von uns, die im Schnitt zwei Mal die Woche auf hohen Schuhen das Haus verlassen, überlegen sich trotzdem jeden Morgen, was sie heute so vorhaben und ob da die flachen Alltagsschuhe (ja, die gibt es auch für uns!) nicht doch etwas angenehmer sind. Und das sind sie meistens. Darin kann man ja auch sehr gut aussehen und man kann lässig sein. Lässig sein, das geht mit Absätzen so gar nicht. Die Mädchen aus der Glamour und die Frauen aus Sex and the City, die ihr immer nur auf Stöckeln herumstolzieren seht, die gibt es eigentlich gar nicht. Naja, vielleicht gibt es sie doch, aber die haben sich dann das Absatz-Tragen zur Lebensaufgabe gemacht und hetzen in ihren Pumps einem Frauenbild hinterher, das auf dem roten Teppich vor dem Kodak Theatre herumsteht. Die Mädchen, deren „Schuhtick“ sich über alle Sorten von Fußkleid erstreckt, sind aber in der Überzahl und die, die gar keinen haben, die bilden die stärkste Kraft. Und um jetzt mal auf den Vergleich mit der Krawatte zu kommen: Stöckelschuhe sind vielleicht in der Hinsicht unsere Krawatten, dass wir welche haben, ohne sie besonders oft zu tragen, und dass sie für uns meist das Gegenteil von Tragekomfort bedeuten. Aber es gibt da gravierende Unterschiede: Zum einen ist es eine Herausforderung auf Absätzen zu gehen, eine Krawatte zu tragen ist dagegen natürlich ein Witz. Und zum anderen können High Heels sexy sein, Krawatten können das nicht. Aber da Stöckelschuhe wie die meisten Kleidungsstücke Geschmacksache sind, finden sich viele von uns in flachen Schuhen einfach schöner als in hohen. Und ihr uns ganz sicher auch. nadja-schlueter

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